Jürgen Berndt-Lüders

Wie fühlt sich eine Frau (an)? 2

Gestern benutzte ich das Synonym „Eisenbahn“ für das Liebesleben zwischen Mann und Frau. Heute denke ich eher an Rennwagen.

 

Ich ahnte nicht, dass schnelle Frauen genauso zur zweiten Erfahrungsgeneration gehörten wie ich selber.

 

Ich hatte gelernt, dass ich nicht nur Super tanken, sondern auch super dabei fahren musste. Ich durfte der Frau nicht das Steuer überlassen. Aus meinem Cabrio konnte sie bei 180 Sachen kaum noch abspringen, und so gab ich bei unvermindertem Tempo nicht mehr Dampf, sondern jetzt eher massenhaft Gas.

 

Und was hatten die Frauen der zweiten Erfahrungsgeneration gelernt? Sie hatten gelernt, dass sie sich nur tunen mussten, damit die Männer nicht mit maximaler Drehzahl liefen oder ständig ihre Turbolader einschalteten. Damit die Kerle nicht nur ihren Motor warm laufen ließen, sondern richtig heiß auf sie wurden, bis das Kühlwasser kochte. Bei einigen Männern riss dann schon mal die Steuerkette oder der Keilriemen wegen zu hoher Drehzahlen, das Licht ging im Auspuff aus, wenn sich gelegentlich das Zündkabel um die Kurbelwelle wickelte.

 

Wenn der Karren nicht mehr lief, konnten sie immer noch aussteigen und per Anhalter weiter fahren.

 

Aber manche Männer dieselten eben nicht nur nach, sondern ließen sich die Zündung richtig einstellen. Genauso wie ich.

 

Ich buchte dann verbindlich, weil meine Motorbiene genau die richtige Form für meine Schalensitze hatte. Der Beifahrersitz ließ sich zurückstellen, die Rückenlehne in die Waagerechte bringen und meine Beifahrerin auch. Ich denke nicht, dass ich ihr den Nylon nur deshalb ausgezogen hätte, weil ich keinen Keilriemen dabei hatte und die Lichtmaschine nicht mehr mitlief. An einem anständigen Riemen hat es mir eigentlich nie gefehlt.

 

Nach diesem Schnäppchen dachte ich daran zu erkunden, wie eine Frau so fühlt und denkt. Ich konnte sie ja schlecht fragen: wie denkst du in diesem oder konkreten Fall, denkst du mit den Ventilen oder den Kolben oder vielleicht sogar achtzylindrig? Ich wusste ja noch nicht einmal, wie ich dachte, und dass man überhaupt anders denken konnte, als ich dachte.... wenn ich mal dachte. Wahrscheinlich fuhr ich einfach immer nur, aber ich fuhr schlecht dabei.

 

Ich beschloss, dass „sie“ (egal welche, auf alle Fälle die nächste) unseren Kurs in Zukunft nach ihren Bedürfnissen zu bestimmen haben sollte. Ich sagte einfach: fahr du mal. Mal sehen, wohin du mich fährst. Deshalb wurde ich zu ihrem Co-Piloten und durfte ihr vorschlagen, in welche Richtung sie zu fahren hatte, aber das Lenkrad drehte sie, und sie schaltete und waltete bald wann und wie sie immer wollte. Und wenn ihr Treibstoff alle war, häufig, nur weil sie sich verfahren hatte, durfte ich mit dem Kanister und zu Fuß die nächste Tankstelle suchen und auch noch bezahlen.

 

Und unsere Verkehrsregeln stellte sie allein auf.

 

Mittwochs und samstags pünktlich zwischen zehn und halb elf abends wurden die Kontakte überprüft, die Einspritzdüse getestet und der Kolben ging hin und her. Die Zündkerzen waren bald wegen schlechter Verbrennung verrußt und der Funke sprang nicht mehr über. Es kam zu Fehlzündungen, die in einem lauten Knall endeten. Bis die Zylinderkopfdichtung undicht wurde und keine Kompression mehr aufgebaut werden konnte. Die Maschine arbeitete nicht mehr. Und das bei geringer Kilometerleistung, und eine Garantie hatten wir auch nie gehabt.

Da warf ich die Tür zu und verließ das Fahrzeug.

 

Ich gehörte nun zur dritten Erfahrungsgeneration, genau wie die Frauen, mit denen ich von jetzt ab zu tun hatte. Aber ich wollte jetzt immer noch wissen, wie eine Frau sich fühlt und was sie fühlt. Schließlich war ich mit meiner Wünschelrute, als Eisenbahn- und Autofahrer kläglich gescheitert, und meine Erfahrungen hatten nicht nur Blechschäden hinterlassen. Genau wie bei den Frauen der dritten Erfahrungsgeneration.

 

Ich wurde vom Wünschelrutengänger über den Lokomotivführer und den Autofahrer zum Pantomimen. Aber dazu morgen meinen dritten und letzten Teil.

 

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