Klaus Lutz

Der Arztbesuch 39

(Das Ganze ist Phantasie! Ähnlichkeiten sind Zufall!)

Ich bekomme Tee. Aber, ich bekomme nicht den besten
Tee. Das, was ich gewohnt bin. Daran merke ich, das
ich in dieser Anstalt bin. Ich bekomme täglich ein
Plätzchen. Aber ich bekomme nicht die besten Plätz-
chen. Auch daran merke ich, das ich ein Gefangener
bin. Ich bekomme alles. Aber es ist das, was nur ein
Gefangener bekommt. Und das ist nicht das Leben. Es
ist diese Welt. Und wann ist diese Welt da? Sie ist
da, wenn ich weiß was die Freiheit ist. Sie ist da,
wenn ich weiß, was die Freiheit mir alles geben kann.
Oder, was die Freiheit mir alles gibt. Ich bekomme
nur etwas! Aber, es ist nicht das Leben, das mir etwas
gibt. Es ist nicht die Freiheit, die mir etwas gibt.
Daran sehe ich, das ich Eingekerkert bin. Daran sehe
ich, das ich ein Gefangener bin. Die Welt gibt mir
Freiheit. Dieses Gefängnis, gibt mir nur was ich be-
nötige. Nur was notwendig ist. Und Freiheit ist mehr,
als das was notwendig ist: "Freiheit ist das Leben!"
Und das bekomme ich nicht hier. Aber kann sein, es
ist einfach so. In Freiheit ist alles das Beste. Denn
die Freiheit ist das Beste. In Gefangenschaft und
Eingekerkert, ist selbst das Beste nicht das Beste.
Denn es fehlt das, mit dem es das Beste werden kann.
Oder mit dem es da Beste ist: "Es fehlt die Freiheit!"
Aber, es ist die Kraft der Erinnerung. Es ist die
Kraft, von all dem Leben das ich hatte. Mit dieser
Kraft reiße ich diese Mauern nieder. Mit dieser Kraft
gehe ich los. Diese Kraft ist es. Das, was ich heute
noch an Freiheit besitze.

Ich bin die erste Zeit in Berlin. Ich arbeite bei den
Amerikanern. In der Wartung von Telefonanlagen. Und
es ist einfach nur Prima. Ich arbeite acht Stunden.
Aber nach drei Stunden ist die Arbeit getan. Die andere
Zeit ist mehr so eine Bereitschaft. Ich muß da sein.
Für den Fall das Störungen vorkommen. Aber die kommen
nie vor. Ich arbeite im drei Schicht betrieb. Früh-
dienst! Spätdienst! Und dann Frei. Es ist das Paradies.
Das ganze bekomme ich sogar bezahlt. Ich habe im Monat
2300 Mark. Und ich bin Junggeselle. Ich zahle für die
Wohnung 150 Mark. Etwas für das Essen. Hin und wieder
gehe ich weg. Aber, ich benötige so gut wie kein Geld.
Mein Bankkonto wächst. Es wächst und wächst und wächst.
Und ich mit Ihm. Ich meine, ich wachse mit ihm: "In das,
was es schon alles in meiner Phantasie gibt!" Abenteuer!
Weltbummeleien! Andere Menschen! Gute Gespräche! Ande-
re Länder! Den Orient! Und Asien! Das ich so sehr mag.
Diese Städte. Mit den Basaren. Vor allem Abends. Die
Teestuben. Lachende Menschen. Und all das, was es da
so gibt. Plätzchen! Reisgerichte! Fladenbrot! Einfache,
aber schöne Restaurants. Und vor allem, andere Aussteiger.
Menschen, die richtig etwas wissen. Menschen, die über
das Leben noch nachdenken. Menschen, die dieses Leben be-
schäftigt. Menschen, die die Welt beschäftigt. Mensch-
en, die wieder den Blick gewonnen haben: "Für dieses
Leben. Für alles was es so gibt. An Natur! An Menschen!
Sich der Einzigartigkeit des Lebens wieder bewußt wer-
den. Das wunder wunder wunderbare Leben wieder sehen.
Und es richtig Leben. Sich nicht verrückt machen. Mit
so Sachen wie: "Paßt das dreiundzwanzigste paar Schuhe,
zu den anderen Schuhen!" Soll ich mir zwei oder drei
Hosen kaufen. Gebe ich die alten Kleider dem roten Kreuz?
Oder werfe ich sie auf den Müll? Soll ich im Urlaub
vier Wochen in Teneriffa am Strand liegen? Oder ist der
Strand in Mallorca nicht gemütlicher? Wo liegt es sich
bequemer? Auf mich hat das Leben gewartet. Etwas völlig
anderes. Da völlig andere Leben. So ist es!

Und das begann mit diesem Traumjob. Gute Laune. Und seh-
en, wie das Bankkonto wächst. In der Freizeit spazieren
gehen! Lesen! Nachdenken! Immer Lächeln. Und immer die-
ses Wissen: "Der Tag kommt näher!" Es war wirklich schön.
Lesen und Spazieren gehen. Hin und wieder eine nette
Unterhaltung. Und ich habe etwas verstanden. Ich habe
etwas begriffen. Das was ich gelebt habe, hat mich inte-
ressiert. Das, was ich gelesen habe. Das, was ich ge-
dacht habe. Es war Eins mit mir. Es war eins mit Allem.
Es war all das, was gigantisch und grandios, göttlich
und bezaubernd sein kann. Es war das Leben. Und ich lebte.
Ich war mit in der christlichen Teestube engagiert.
Mittwochs war Bibelabend, wo ich hin und wieder hin ging.
Und Sonntags war Gottesdienst, den ich manchmal besuchte.
Und es gab Leute, die mich mochten. Einmal durfte ich so-
gar in der Teestube Gedichte von mir lesen. Worauf alle
überrascht waren: "Die Qualität! Die Schönheit! Die Kraft
der Aussage!" Alle waren begeistert! Dann habe ich für
diese Teestube mal eine Zeitung konzipiert und geschrie-
ben. ("Das Fenster") Und das fand guten Anklang. Es war-
en zwar nur zwei Exemplare. Der Layouter war schlecht.
Aber die zwei Exemplare waren ok. Ich lernte Berlin bes-
ser und besser kennen. Ich fuhr mal nach Tegel. Und
ging da am Tegeler See spazieren. Oder ich fuhr zum
Wahnsee. Und ging dort spazieren. Einmal in der Woche
ging ich ins Kino. Und zwei oder dreimal war ich so-
gar in Ostberlin. Am Alexanderplatz. Also vor dem
Mauerfall. Das muß mittlerweile schon erwähnt wer-
den: "Das Berlin durch eine Mauer geteilt war!"
Ganz Deutschland. Oder in Wahrheit die ganze Welt.
Die Welt war geteilt. Es gab den Kommunismus mit
seine Autoritären Regimen. Und es gab die Demokra-
tie. Mit aller Freiheit.

Damals haben mich Bücher sehr interessiert. Heute fehlt
mir die Konzentration. Es ist schlicht und ergreifend
diese Querschnittlähmung. All die Medikamente. Und all
die ständigen Komplikationen. Und es ist auch dieses
Haus. Einige Leute, die mir das Leben zur Hölle machen.
Seit ein paar Tagen gibt es auch wieder diese Tropfgeräu-
sche im Bad. Aber immer wenn ich die Störungsstelle an-
rufe, dann verschwindet es. Und nach dem die Techniker
da waren, beginnt es wieder. Was es eigentlich beweist.
Das dieser Elektroniker, der im Haus wohnt, die Telefon-
anlage manipuliert hat. Es ist eben Tatsache. Das auch
diese Nachbarin, genau das wieder gegeben hat, was ich
am Telefon geredet habe. Und das war kein Zufall. Das
ist einfach eine Tatsache. Auch wenn ich mir früher mal
ein Callgirl rief. Und dann 10 minuten später immer die-
se Fünf sechs Leute im Innenhof sassen. Auch das ist
kein Zufall. Es bestätigt einfach, das von meinem Telefon-
gesprächen gewußt wurde. Auch das Sachen, aus der Wohnung,
von mir verschwanden. Und das dies genau, vier Wochen nach
meinem Einzug in diese Wohnung begann. Also die Zeit, wo
Sie wußten wie ich lebe. Und das ich immer allein bin.
Und es ohne Gefahr war. Erwischt zu werden. Es waren
schlicht und ergreifend ein paar strohdumme, kleinbürger-
liche Leute. Denen langeweilig war. Die nie in ihrem
Leben etwas besonderes erlebt oder gesehen haben. Und
für die Leute ist es eben dann etwas besonderes, einen
Schwerbeinderten zu quälen. Ihn zu zerstören. Es lenkt
mal von den ganzen tristen und verblödeten Leben ab. Von
dem, was so normal das Leben dieser Leute ist. Deswegen
hatte ich in dieser Wohnung keine Konzentration mehr,
für nichts. Und so war gewissermassen dieser Kerker auch
eine Rettung. Irgendwann, hätte mich der Stumpfsinn und
die Blödheit dieser Leute, in den Selbstmord getrieben.
Sie hätten das hingenommen, ohne mit der Wimper zu zu-
cken. Denn all das was ein Mensch, leben fühlen und den-
ken kann, hat diesen Menschen einfach gefehlt. Es war
nicht da. In Wahrheit waren diese Menschen Tod. Schlicht
und ergreifend Tod. Das Härteste fällt mir gerade wieder
ein: "Als ich mal heimkam. Und ins Bad ging. Und an den
Kacheln ein Dicker Spermastreifen war. Das war der ab-
solute Hammer!" Einer war echt während der Abwesenheit
von mir in der Wohnung. Ist ins Bad und hat sich einen
rungetergeholt. Ich meine, das hat doch schon was. Aber
auf jeden fall, habe ich mit Beginn dieser Behinderung,
jede Konzentration für etwas Besonderes verloren. Und
das lag auch an diesem Haus. An einigen bekloppten Leu-
ten.

Aber Berlin! Am Anfang war es alles was eine Stadt sein
kann. An Menschen. Und all dem was so dazu gehört. Ein
Sammelsurium an lebenslustigen Leuten. Zumal Berlin vor
dem Mauerfall, auch der Treffpunkt für die komischsten
Käuze war. Also ich meine, was es so an Lebenskünstlern
und so was gab. Allen Leuten mit Ideen. Plänen und an-
derem oder neuem Denken. Es war schon so, die Oase vol-
ler Kultur. Oder an Besonderem! Ich habe dannn einige
mal in einer offenen Literaturgruppe gelesen. Damals im
Wedding. In der Liebenwalder Strasse. Da gab es so einen
Rat und Tat Laden. Und im Hinterzimmer, von dem, fand das
statt. So 1980/81 "Der Strom" habe ich gelesen. "Bleibe"
"Die Wolken stehen still!" "Smogalarm" Und einige Sach-
en gefielen den Leuten total gut. Das Ganze, hat so ein
Schriftsteller auf die Beine gestellt: "Tefelski hieß
Der!" Also er und einige andere Leute veranstalteten das.
Also ich las in meiner Freiziet. Ich schrieb Gedichte.
Ich ging in Cafes. Ich hatte alles im Griff. So war es!
Ich denke, es hat so ein Jahr gedauert. Da wußte ich, wo
es die besten Cafes gibt: Cafe Wagenknecht am Olivaer
Platz war das. Das Möhring gegenüber von de Gedächtnis-
kirche. In der Blebtreustrasse gab es ein schönes Cafe.
Und ich kannte auch die interessantesten Plätze und
Strassen von Berlin. Ich fühlte mich ganz wohl. Ich merk-
te auch nicht, das ich immer allein war. Es fiel mir ein-
fach nicht auf. Ich war einfach immer beschäftigt. Mit
dem sitzen in Cafes. Dem Schreiben! Dem Lesen! Und der
suche nach Wahrheit: "Das Denken was kann Gott sein!"
Wahrscheinlich all das, was ich mir nicht denken kann.
Aber um so klarer mir das war. Um so interessanter wurde
das: "Was ist all das was Gott ist?" Was ist all das,
was ich denken kann? Und wenn ich Gott nicht denken
kann? Was ist dann alles denken? Wahrscheinlich ist es
anders als wir denken. Und Gott ist anders als wir den-
ken. Und das andere ist "Liebe!" Alles ist nur Liebe.
Das ganze Leben. Darum geht es. Lebe und Gott zeigt
sich dir. Das Suchen kann unterhaltasm sein. Aber wenn
du Gott kennen lernen willst: "Dann liebe!" So ist es!"
Wahrscheinlich! Oder so könnte es sein!

Heute, wo ich in diesen Kerker eigebuchtet bin. Ich
will auch gar nicht mehr sagen: "Wie zu unrecht das
Ganze ist!" Und wieviele Lügen mich hierher gebracht
haben. Heute, sehe ich das immer klarer. Und klarer.
Wir suchen und entdecken immer schönere Gedanken.
Aber irgendwie ist die Liebe dabei gestorben. Das,
mit dem wir die Wahrheit finden könnten. Oder das,
mit dem sich die Wahrheit zeigt. Das, mit dem das Leben
da wäre. Das, mit dem Gott lebendig ist. Das, mit dem
das Leben beginnt. Und mit dem auch wir Menschen wirk-
lich leben würden. Oder es sehen würden, was das Leben
ist. Heute! Gefangen! Verschlossen! Und hinter dicken
Mauern sehe ich das. Es mußte wohl so kommen. Ich mus-
ste belogen und betrogen werden, um das richtig zu
sehen. Ich mußte alle Demütigungen und Verleumdungen
erleiden, um das zu begreifen. Um es endlich zu wissen.
Endlich und Endgültig. Es ist nicht die Suche die
Zählt. Es zählt nur die Liebe. Die Liebe, ist die Offen-
barung. Das, was sich dem Mensch an Leben offenbart.
Das, was sich dem Mensch an Wahrheit zeigt. Das ist Es.
Und so banal sich das auch sagen läßt. So schwer ist
es, das zu leben. Einfach zu leben. Einfach zu lieben.
Das scheint, für den Menschen, das Schwerste zu sein.
Monate und Monate mußte ich hinter diesen Mauern ver-
bringen. Damit ich das richtig sehe. Und Jahre und
Jahre warten noch auf mich. Auf diese letzte Klarheit.
Die es mir sagt: "Du kannst die Liebe sein!" Warum bist
Du es nicht? Warum zögerst Du? Gott will sich Dir zei-
gen. Das Leben will sich Dir zeigen. Und Du wartest!
Auf was wartest Du? Warum liebst Du nicht einfach?
Eigentlich müßte ich den Lügen von Nachbarn und guten
Freunden dankbar sein. Denn hier in Gefangenschaft fin-
de ich mich. Hier in diesem Kerker, sehe ich es wieder,
was das Leben sein kann. Deswegen möchte ich es Heute
in die Welt rufen: "Danke! Danke! Danke!"

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.10.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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