Jürgen Berndt-Lüders

Viel zu wenig Kommentare!

Hinz und Kunz schwafelten über ihr Internet-Forum, in dem sie gelegentlich Kurzgeschichten und Gedichte einstellen.

 

„Sag mal, spinnen denn die?“, fragte Hinz rhetorisch und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Mit dieser Kurzgeschichte habe ich ganze Säle zum Toben gebracht und bin nahe am Nobelpreis vorbei geschlittert, und hier lesen 28 literaturbegeisterte Freaks und niemand kommentiert.“

 

Beide starrten auf den Bildschirm und wunderten sich, wie wenig Kommentare insgesamt bei ‚Geschichten’ abgegeben worden waren.

 

„Ich schreibe meine Geschichten doch, damit ich von anderen Gernlesern feedback bekomme. Geht es denen denn nicht genau so, wenn sie was einstellen? Die veröffentlichen doch sicherlich auch Kurzgeschichten, damit sie Reaktionen kriegen.“

 

„Klar. Keine Ahnung, warum. Es werden auch viel mehr Gedichte eingestellt als Geschichten. Da frage ich mich auch, warum. Ist es denn für andere leichter zu reimen als normalen Text zu schreiben?“

 

„Auf der anderen Seite, bei den Gedichten, liegt die Kommentardichte auch erheblich höher“, jammerte Hinz, der nicht so recht reimen konnte und sonst schon allein wegen der häufigeren Kommentare Gedichte gemacht hätte. „Ich finde das ungerecht. Ich glaube, da ist eine höhere Macht zugange, die den Lesern von Gedichten verbietet, mal rüber zu schauen, was ich so geschrieben habe.“

 

„Kann ich mir nicht vorstellen“, kam von Kunz. „Ich glaube nicht an mystische Verschwörungen. Es muss eine andere Ursache geben.“

 

„Moment.“ Hinz begann zu begreifen. „Was tust du, wenn du ein Gedicht öffnest?“

 

„Ich gucke nach, ob die Metrik stimmt und ob die Reime ungequält rüber kommen.“

 

„Und dann?“

 

„Dann lese ich, wobei mir die Aussage weniger wichtig ist, denn ich falle in den Rhythmus des Gedichts und freue mich darüber.“

 

„Also hat ein Gedicht einen gewissen Wert an sich?“

 

„Wenn es gut geschrieben ist, ja. Selbst, wenn die Aussage in meinen Augen blödsinnig ist.“

 

„Und was tust du bei Kurzgeschichten?“

 

„Ich scrolle bis nach unten, und wenn die Story lang ist, schaue ich auf die Uhr...“

 

„Siehst du. Und was machst du dann?“

 

„Dann kümmere ich mich um das Thema.“

 

„Und wenn der Inhalt nicht deiner momentanen Stimmung entspricht?“

 

„Dann klicke ich weiter. Wer hat schon soviel Zeit und Geduld?“

 

„Genau. Und vor allem verlangt die nächste Story eine ganz andere Stimmung...“

 

„...und das kriegt keine Sau hin.“

 

„Sau?“

 

„Okay, okay.“ Hinz winkte ab. „sagen wir Mensch.“

 

„Mir wird noch was klar“, rief Hinz. „Das ist doch so einfach zu erkennen, wieso komme ich da nicht früher drauf?“

 

„Er hat eine Offenbarung“, stöhnte Kunz, fasste sich an die Stirn  und lachte.

 

„Wenn ich Geschichten einstelle und kein Mensch kommentiert, stelle ich..., na???“

 

„...in Zukunft weniger Kurzgeschichten ein“, vollendete Hinz den Satz.

 

„ Deshalb gibt es auch erheblich mehr Gedichte als Geschichten. Und welche Konsequenzen ziehen wir daraus?“

 

„Wenn wir gelesen und kommentiert werden wollen...“, begannen die beiden im Chor.

 

Sie lachten.

 

„...müssen wir kurze, prägnante Geschichten einstellen, die man nebenher konsumieren kann und wo man keine Ewigkeiten braucht, um zu begreifen, was uns die Autorin oder der Autor eigentlich sagen will,“ brachte Kunz den Satz zuende.

 

  • Für Schwieriges, Umfangreiches, das der Autor schrieb, als er in einer ganz besonderen Stimmung war, gibt es eben nur wenig Kommentare. Und der Beifall ist nun mal der Lohn des Künstlers, da beißt die Maus keinen Faden ab.

 

 

 

 

 

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