Crawford Ference

Abwechslung braucht der Mann

Schon mal das Gefühl gehabt, etwas hat dich in die Kniekehle getreten, nicht in eine, sondern in beide gleichzeitig?
Ist ungefähr so, als wenn du vergißt das Verdeck deines Sportwagens zu schließen, es zu regnen beginnt, du in panikartiger Schnelligkeit aus der Haustür stürmst, und auf der Bananenschale irgendeines Nachbarskindes ausrutscht.
Alles geht derart schnell, daß keine Zeit zum Überlegen da ist. Du hast keinen Boden mehr unter den Füßen, der Sturz kommt dir vor wie aus 30 km Höhe, und der Aufprall ist mörderisch. Der Mund wird trocken, die Luft bleibt weg, du versäumst zu atmen und siehst schemenhafte Gesichter, deren Grinsen von einem Ohr zum anderen reicht. Die Zuschauer applaudieren und raten dir feixend: "mach es noch mal und vergiß den Schmerz..." Natürlich. Sie könnten auch sagen: "spring aus dem Flugzeug und vergiß den Fallschirm..."

Nun, es gibt auch Situationen völlig anderer Art, welche die gleichen Effekte hervorrufen können.
Eine Begegnung mit einer Frau, zum Beispiel.

Einen Vorgeschmack auf eine solche Situation hatte ich schon mehrmals erhalten. Ich bin der fünfte von sieben Brüdern, ich denke das sagt alles.
Ich habe mich ständig gefragt, ob diese Idioten tatsächlich mit mir verwandt sind.
Sich für eine Frau derart zum Narren machen? Lächerlich! So schön kann keine Frau sein. Abwechslung braucht der Mann. Wer will schon immer Hamburger essen?
Und überhaupt, warum einer Frau hinterher laufen, wo es doch so viele davon gibt, die nur auf ein Zeichen warten, von dir beachtet zu werden?
Schwierig ist doch nur eines. Wie wird man sie wieder los?

Meine älteren Brüder sahen das wohl irgendwie anders. Ich begann an den Kerlen zu zweifeln, die ich immer für meine Vorbilder, meine Idole gehalten hatte. Harte Männer mit Charakter und Stärke wurden plötzlich zu schwanzwedelnden und winselnden Gestalten, sobald ihnen eine bestimmte Frau über den Weg lief.
Was mußte ich mir alles antun? Schmachtende Blicke und ein verzücktes Grinsen, wenn nur ihr Name fiel.
Und was mußte ich mir alles anhören? Diese Haare und diese wundervollen braunen Augen... Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Fell und braune Augen hatte unser Hofhund auch, deswegen kam niemand auf die Idee ihn mit ins Bett zu nehmen...
Irgendwann fragte ich mich, ob es nicht gnädiger wäre, diese hirnlosen Wesen von ihren Leiden zu erlösen. Fehlte nur noch der Sabber, der aus ihren Mundwinkeln tropfte, und ich hätte den Doc gerufen um sie einzuschläfern.
Meine Mutter klopfte mir dann immer aufmunternd auf die Schulter und meinte mitleidig, "Junge, mach dir keine Gedanken, da kommst du auch noch hin." Da dies nun einmal ganz und gar nicht in meiner Absicht lag, bat ich sie, mich in dem Fall sofort zu erschießen.

Dank meiner Brüder und deren geschrumpften Hirnen wurde ich zu einem Rechengenie, was meine spätere Berufswahl in jedem Fall enorm beeinflußte. Ich erhielt für jeden geschriebenen Liebesbrief 10 Pfund (es war schließlich nicht mein Problem, wenn diese den Empfänger nie erreichten), weitere 5 Pfund für jeden Bagger-Tip (und sei er noch so blöd) und ebenfalls 5 Pfund bei der Beratung des Outfits, wenn jemand es geschafft hatte SIE einzuladen.
Es soll nicht heißen, daß ich diese Tips für meine Begegnungen mit dem weiblichen Geschlecht nicht anwandte. Natürlich tat ich das, aber letztendlich genügte mir der kurze Erfolg, ohne den Hechel-Effekt oder die Nachlauf-Masche.

Mit mitte Zwanzig hatte mich dieses Schicksal noch immer nicht ereilt. Weder mit dieser, noch mit irgendeiner anderen Frau. Ich begann meinen Brüdern langsam darin zuzustimmen, daß meine Eltern mich wohl doch aus Mitleid einer Zigeunerfamilie für 2 Pfund abgekauft hatten, denn wir waren doch viel zu unterschiedlich. Zumindest in dieser Hinsicht.
Während die einen noch immer um Aufmerksamkeit bettelnd auf ihren Hinterbeinen saßen, hatte ein anderer besagte Frau an die Leine genommen. Oder sie ihn?
Nicht daß jetzt irgend jemand annähme damit wären die anderen ruhig gestellt worden, sie verhielten sich nur -ähm- ein wenig zurückhaltender.

Und ich, ich war soweit beruhigt, daß ich mich von eben diesem Bruder nach Deutschland einladen ließ...
Einladen ist vielleicht nicht unbedingt das richtige Wort. Ich sollte an seiner Stelle für ihn arbeiten, da er aus Krankheitsgründen dazu augenblicklich nicht in der Lage war. Um Zeit und Geld zu sparen sollte ich für kurze Zeit bei ihm wohnen.
Diese kurze Zeit, es waren nur 14 Tage, reichten völlig aus, um meine Lebenseinstellung völlig auf den Kopf zu stellen. In genau dieser Zeit ereilte mich obengenanntes Symptom. Und als ich nach Hause fuhr, bat ich meine Mutter mich zu erschießen...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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