Klaus-Peter Behrens

Artefaktmagie, Teil 14

Der nächste Morgen bot eine Überraschung. Als Michael aus der Hütte trat, saß der Wühler wie eine Katze keine fünf Meter entfernt auf seinem Hinterteil und musterte ihn schweigend.
„Was willst du denn noch hier?“, fragte Michael überrascht in einem Tonfall, als habe er Sammy vor sich, doch anders als bei Sammy, bekam er hier zu seinem Schrecken eine Antwort.
„Hunger!“, teilte ihm der Wühler mit einer tiefen, knurrigen Stimme mit. Erschrocken wich Michael zurück und stolperte prompt, wodurch er schmerzhaft auf seinem Hinterteil landete.
„Glyfara!“, brüllte er, worauf die Elbin mit gezogenem Schwert in der Tür erschien. Als sie den Wühler erblickte, ließ sie das Schwert wieder sinken.
„Machst du etwa wegen dieser Ratte so einen Lärm?“, fragte sie ungehalten.

„Hau ab!“, herrschte sie den Wühler an, doch der blieb ungerührt sitzen.
„Es kann sprechen“, sagte Michael mit ungläubiger Stimme, während er sich bedächtig wieder aufrappelte, da er das Tier nicht verscheuchen wollte.
„Hunger!“, bestätigte der Wühler.
„Da, siehst du?“
„Manchmal ist eben etwas dran an dem, was so erzählt wird“, gab Glyfara beeindruckt zu. Während sie ihr Schwert wieder einsteckte, kam ihr eine Idee. „Hey, kannst du uns sagen, wo wir hier sind?“, fragte sie, worauf der Wühler sie nur sie verständnislos ansah.
„Hunger“, stellte er erneut fest. Glyfara seufzte.
„Dachte ich es mir. Wahrscheinlich kann er nur wie ein Papagei einige wenige Worte sagen, die ihm irgendwann jemand beigebracht hat.“
„Nein!“
Hingebungsvoll kratzte sich der Wühler mit der Pfote am Hinterkopf. „Kann mehr“, stellte er fest, wobei sich die pelzigen Ohren, die bisher halb eingeknickt herab gehangen hatten, wie zwei Radarschüsseln aufrichteten. Michael glaubte fast so etwas wie Belustigung in den bernsteinfarbenen Raubtieraugen zu sehen.
„Das glaube ich einfach nicht!“
Fasziniert betrachtete Michael den Wühler, der sich nun mit der geschmeidigen Eleganz einer Raubkatze erhob und lässig auf ihn zukam. Die dicken, krallenbewehrten Pfoten hinterließen dabei markante Abdrücke auf dem vom Morgentau feuchten Pfad, während die kräftigen Muskeln unter dem glänzenden Fell spielten.
Plötzlich fühlte sich Michael wie ein Maus, die sich plötzlich einer Katze gegenüber sieht.
Einer hungrigen Katze wohlgemerkt!
Allerdings bemühte Michael sich standhaft, sich dies nicht anmerken zu lassen, zumal Glyfara das Ganze mit demonstrativer Langeweile betrachtete. Allerdings blieb Michael nicht verborgen, dass sie das Schwert wieder leicht erhoben hatte.
Vor Michael blieb der Wühler schließlich stehen und stupste ihn energisch mit der langen Schnauze an. Mit einem unguten Gefühl im Magen stellte Michael fest, dass der Wühler aus der Nähe nicht mehr ganz so niedlich aussah. Die Zähne hätten durchaus einem ausgewachsenen Löwen zu Ehre gereicht.
„Hunger“, klagte er.
Ratlos sah Michael zu Glyfara hinüber, die ihm einen vorwurfsvollen Blick zuwarf, als hätte sie ihm das hier prophezeit. Dann richtete sich ihr Blick auf den Wühler.
„Weißt du, was hier im Dorf passiert ist?“
„Verschwunden“, knurrte der Wühler, der inzwischen das Interesse an Michael verloren hatte. Ohne die geringste Furcht vor der bewaffneten Elbin zu zeigen, trabte er an ihr vorbei in die Hütte, wo er sich sogleich interessiert umsah.
„Hab ich es dir nicht gesagt! Sie sind eine Plage“, seufzte Glyfara beim Anblick des umher schnüffelnden Wühlers.
„Weißt du wenigstens, wohin alle verschwunden sind?“, fragte sie den Wühler, der inzwischen mit dem Kopf unter einem der Bettgestelle verschwunden war. Offenkundig steckte er fest, denn sein kurzer Schwanz zuckte ärgerlich hin und her, während er sich bemühte, wieder freizukommen. Er knurrte ärgerlich.
„Das sind die Auskünfte, die ich liebe“, stellte die Elbin zynisch fest. Schließlich kam der Wühler wieder frei. Das Dunkelbraun wies nun an einigen Stellen schmutzig graue Schattierungen auf.
„Putzen“, grummelte er verärgert. Eine rosarote Zunge erschien aus der langen Schnauze und nahm sogleich die Fellpflege auf.
Glyfara schnaubte genervt und wiederholte ihre Frage. Der Wühler stellte daraufhin für einen Augenblick seine Aktivität ein und schaute die Elbin mit schrägem Kopf an.
„Hunger!“, stellte er treuherzig fest.
Glyfara zuckte die Achseln und wandte sich wieder Michael zu, während der Wühler enttäuscht seine Fellpflege fortsetzte.
„Ich habe es ja geahnt. Er ist nutzlos. Nichts anderes als ein besserer Papagei.“
Der Wühler knurrte protestierend, und Michael seufzte. Es war sinnlos, sich mit Glyfara hierüber zu streiten. Für sie war der sprechende Wühler einfach nur eine sinnlos plappernde Plage, während er für Michael ein Wunder der Natur darstellte. Doch das würde Glyfara vermutlich nie verstehen.
Während der Wühler die Untersuchung der Hütte wieder aufnahm und eine Reihe von amüsanten Grunz- und Quieklauten von sich gab, folgte Michael der Elbin zum träge dahin strömenden Fluss hinunter, auf dessen bewegter Oberfläche sich die frühe Morgensonne tausendfach brach. Unwillkürlich fragte sich Michael, wie der Wühler die Schönheit dieses Anblick empfand und  bedauerte, daß sie ihn zurücklassen mußten. Bestimmt wäre es amüsant gewesen, sich auf ihrem unfreiwilligen Tripp mit einer völlig anderen Spezies zu unterhalten. Aber andererseits konnte er Glyfara verstehen. Ein sprechendes Tier war nun kaum als Reisegefährte geeignet, wenn man möglichst unauffällig vorankommen mußte. Außerdem war der Wühler ein wildes Tier und gehörte hierher. Zumindest redete er sich das ein.
Um so erfreuter war Michael daher, als er den wackeligen Steg nach Glyfara erreichte und die Stimme des Wühlers hinter sich vernahm, der ihm auf leisen Pfoten gefolgt war. Auch wenn sein Kommentar nicht gerade dazu angetan war, Zuversicht in Michael zu wecken.
„Sinkt“, brummte der Wühler mit einem Blick auf das betagte Fischerboot, das verdächtig tief im Wasser lag.
Wütend fuhr Glyfara bei dieser Bemerkung herum und funkelte ihren unerwünschten, pelzigen Verfolger aus blitzenden Augen verärgert an.
„Verschwinde, oder ich mache aus dir einen Pelzjacke“, fauchte sie. Den Wühler keines weiteren Blickes würdigend, fuhr sie auf dem Absatz herum und ließ sich mit einem eleganten Sprung in den wackeligen Kahn hinab. Michael folgte etwas vorsichtiger die kurze Leiter hinunter, nicht jedoch ohne dem Wühler zuvor einen bedauernden Blick zuzuwerfen und entschuldigend mit den Achseln zu zucken.
Unten angekommen, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Wenigstens sank das alte Gefährt entgegen der Prophezeiung des Wühlers nicht, obwohl reichlich trübes Wasser in der Bilge trieb. Dafür stank es zum Himmel.
„Etwas gewöhnungsbedürftig“, näselte Michael, der sich angesichts des beißenden Fischgestanks erst einmal die Nase zuhielt. Glyfara wollte gerade zu einer passenden Erwiderung ansetzen, als ein dumpfer Aufschlag das Boot heftig ins Wanken brachte.
Der Wühler war ihnen gefolgt und in das Boot gesprungen.
„Mitkommen“, brummte er.
„Kommt nicht in Frage! Sieh zu, daß du hier wegkommst.“
Glyfara war nun ernsthaft sauer.
„Grrrrrr“, erwiderte der Wühler und zeigte seine beeindruckenden Zähne.
„Zum Glück ist er harmlos“, bemerkte Michael mit einem schadenfrohen Grinsen, nicht jedoch ohne einen gewissen Abstand zu dem Wühler einzuhalten. Immerhin sahen die fingerlangen Zähne so aus, als könnten sie Fleisch problemlos in kleine Hälften zerteilen. So niedlich der Wühler auf den ersten Blick auch wirkte, zeigte der zweite Blick doch eindeutig, was für einer Spezies er angehörte.
Den Raubtieren!
Glyfara, die ebenfalls zurückgewichen war und ihre Hand auf den Schwertknauf gelegt hatte, sah Michael erbost an.
„Das ist alles deine Schuld. Hättest du ihn nicht gefüttert, hätten wir ihn jetzt nicht am Hals. Also sieh zu, daß wir ihn los werden, sonst erledige ich das auf meine Weise.“
Demonstrativ zog sie ihr Schwert halb aus der Scheide.
„Du kannst doch kein intelligentes Lebewesen umbringen, nur weil es deine Gesellschaft sucht", empörte sich Michael.
„Intelligent!“, bestätigte der Wühler, der gerade ausgiebig sein Hinterteil beschnüffelte, wobei er mit einem Auge weiter die Elbin beobachtete.
„Das Boot gehört dir noch nicht einmal“, wandte Michael ein.
„Ihm auch nicht“, knurrte die Elbin, steckte ihre Waffe jedoch wieder weg.
„Besser“, kommentierte der Wühler ihre Aktion.
„Halt die Klappe“, kam es synchron zurück. worauf der Wühler sich beleidigt ans andere Ende des Bootes verzog und vor sich hin grollte.
„Damit das klar ist, wenn dein Flohträger dort irgendwelche Schwierigkeiten macht, seid ihr beide auf euch selbst gestellt. Ist das klar?“
Nachdrücklich tippte Glyfara Michael mit dem Finger auf die Brust. Der nickte.
„Dann laß uns zusehen, daß wir diesen Kahn flott kriegen.“
„Abfahren“, brummte der Wühler leise aus seiner Ecke.
Zu Michaels Estaunen machte Glyfara das Boot mit einer Selbstverständlichkeit zum Ablegen bereit, als habe sie ihr Leben lang nichts anderes getan, allerdings nicht ohne den Wühler vorher mit einem wütenden Blick zu strafen. Routiniert befestigte sie die Ruder in den dafür vorgesehenen Dollen und löste die Leinen. Doch es erforderte den geschickten Einsatz der Ruder, um das schwerfällige, tief im Wasser liegende Boot in die Strömung des Flusses zu dirigieren. Als sie schließlich die Flussmitte erreichten, zog die Elbin die Ruder wieder ein und begab sich zum Heckruder, an dem Michael etwas hilflos stand.
„Der Rest ist ein Kinderspiel“, verkündete sie selbstsicher.
„Darauf würde ich lieber nicht wetten“, erwiderte dieser pessimistisch. Aber entgegen seiner Befürchtung verlief die Fahrt zunächst reibungslos. Die stetige Strömung des Flusses sorgte dafür, daß sie zwar langsam, dafür aber kontinuierlich vorankamen. Beim Anblick des azurblauen Himmels, der mit seinen wenigen, wie hin getupften Wolken wie gemalt wirkte und einen hübschen Kontrast zu der tropisch anmutenden Vegetation links und rechts des Flusslaufes bildete, dessen Farbe zwischen Kobaltblau, Türkisgrün oder Schlammbraun ständig wechselte, entspannte sich Michael allmählich. Aufmerksam widmete er sich nun der vorbeiziehenden Landschaft, in die das Leben zurückgekehrt war. Zum ersten Mal bedauerte er, keinen Fotoapparat dabei zu haben. Die Fotos einer bisher unbekannten Welt hätten ihn sicher berühmt gemacht.
Leicht genervt erschlug er eine der unzählige Mücken, die über dem Fluß surrten und ausgerechnet ihn zu seinem Leidwesen als Mittagsmahl ausgesucht hatten. Auch ansonsten schien es eine Menge Leben in der Ufervegetation zu geben, so daß Michael froh war, in der relativen Sicherheit des Bootes dieses unbekannte Land zu durchqueren. Mehr als einmal waren sie von einem heftigen Rascheln im dichten Gebüsch am Uferrand erschrocken herumgefahren, und selbst der Wühler hatte Interesse gezeigt.
„Essen“, hatte er ihnen beim letzten Geräusch aufgeregt mitgeteilt und beide Vorderpfoten erwartungsfroh auf die Reling gestemmt. Da seine Begeisterung jedoch keine Reaktion bei den Gefährten hervorgerufen hatte, außer daß die Elbin nervös ihr Schwert befingerte, hatte der Wühler sich enttäuscht im Bug verkrochen.
Michael war ebenfalls frustriert. Das Einzige, was sich während ihrer Fahrt über den Fluß änderte, war der Stand der Sonne, die langsam über den Horizont kroch. Von menschlicher Ansiedlung keine Spur.
Vor Langeweile begann er das Boot systematisch nach etwas Nützlichem oder einem Anhaltspunkt nach dem Verbleib des ehemaligen Besitzers zu durchsuchen, doch er entdeckte nur ein gefährlich aussehendes Messer in der Länge eines kleinen Schwertes, das nun in einer provisorischen Schlaufe an seinem Gürtel baumelte. Irgendwie fühlte er sich dadurch ein wenig in die Kindheit zurückversetzt und konnte sich des Gefühls nicht erwehren, als würde er gerade Pirat spielen. Aber wenn sein Blick auf die entschlossene Elbin, den vor sich hin dösenden Wühler, der gelegentlich ein paar zusammenhangslose Kommentare von sich gab oder die Vegetation fiel, die sich einem grünen Teppich gleich die Hänge links und rechts des Flusses hinauf zog, wurde ihm wieder bewußt, daß dies alles andere als ein Spiel war. So friedlich dies auch alles auf den ersten Blick erschien, Michael hatte keinen Zweifel, daß sich das bald ändern würde.
 
Gegen Abend erreichten sie eine Stelle, an welcher der Fluß zum ersten Mal deutlich breiter, dafür aber auch flacher wurde. Glyfara steuerte das Boot in eine kleine Ausbuchtung am rechten Flussufer, die eine Art natürlichen Hafen bildete. Würde man einen geeigneten Ort zur Ansiedlung suchen, wäre dieser hier geradezu ideal. Gleichwohl war weit und breit kein Leben in Sicht.
„Nett“, kommentierte der Wühler nach einem Blick in die Runde. „Essen“, ergänzte er und sprang zur Überraschung der Gefährten über Bord, um ans nahe Ufer zu schwimmen. Dort angelangt schüttelte er sich ausgiebig und verschwand im dichten Unterholz.
„Den wären wir los“, seufzte Glyfara.
„Abwarten“, erwiderte Michael, der im Stillen hoffte, daß der Wühler wieder auftauchen würde. Im Gegensatz zu der Elbin empfand er seine Anwesenheit und seine einsilbigen Kommentare erheiternd. „Ich könnte übrigens auch etwas zu Essen vertragen.“
„Dann laß dich nicht aufhalten. Der Wald hier ist bestimmt voller schmackhafter Beeren.“
Michael verzog bei dem Gedanken das Gesicht. Der Uferbewuchs war hier besonders dicht und wirkte im Licht der untergehenden Sonne nicht sehr anheimelnd. Michael verspürte absolut kein Verlangen, sich dort hinein zu begeben und nach Möglichkeit auch noch im Dunklen zu verlaufen. Dann schon lieber hungern. Seufzend freundete er sich damit an, diese Nacht hungrig zu verbringen.
„Irgendwann werden wir wieder auf die Zivilisation stoßen“, tröstete Glyfara ihn. „Das kann nicht ewig so weitergehen.“
„Warum habe ich dann bloß das Gefühl, daß das nicht so einfach werden wird“, murmelte Michael, während er es sich im Heck auf einer alten Decke versuchte, bequem zu machen.
„Was machst du da?“
„Wonach sieht es denn aus?“
„Na schön, dann halte ich eben die erste Wache.“
„Wache?“, ächzte Michael. „Wozu? Das hier ist das Ende der Welt. Hier ist weit und breit niemand in Sicht.“
„Vorsicht hat noch nie geschadet.“
Der Tonfall der Elbin ließ keinen Zweifel daran, daß sie hierüber nicht diskutieren würde. Michael seufzte.
Womit habe ich das alles nur verdient?, fragte er sich noch, bevor er in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel. Gegen Mitternacht wurde er durch Glyfara, die ihn hartnäckig rüttelte, geweckt. Frierend und übermüdet nahm Michael ihren Platz am Bug ein, während es sich die Elbin auf dem Deck bequem machte und fast auf der Stelle einschlief. Michael beneidete sie. Mißmutig glitt sein Blick über den Wald am Uferrand, der um diese Zeit an eine schwarze Mauer erinnerte. Gelegentlich drangen ein paar Geräusche an sein Ohr, die ihn jedesmal zusammenzucken und besorgt an den Wühler denken ließen, der dort alleine unterwegs war. Aber dann beruhigte er sich damit, daß der  Wühler schon wissen würde, was er tat. Schließlich war er hier aufgewachsen, und im Übrigen vermutete Michael, daß die Neugier den Wühler mit Sicherheit zu ihnen zurückführen würde.
Als der Morgen schließlich graute und immer mehr Nebelschwaden auf dem Fluß aufstiegen,  kam der Wühler tatsächlich zurück. Auf seinem Gesicht lag ein zufriedener Ausdruck. Wiederholt fuhr er sich mit der Zunge über seine wolfsähnliche Schnauze und wedelte freudig mit seinem kurzen Schwanz. Es war nicht zu übersehen, daß er sich wohl fühlte. Michael betrachtete ihn neidisch. Offenkundig war die Nacht des Wühlers angenehmer verlaufen als seine eigene. Müde und mit steifen Gliedern erhob er sich, um dem Wühler an Bord zu helfen, der träge zu ihnen hinüber gepaddelt kam.
„Du hättest wenigstens etwas zu Essen mitbringen können“, begrüßte Michael ihn vorwurfsvoll, worauf der Wühler ein schuldbewußtes Gesicht aufsetzte, während er sich das kühle Flußwasser aus dem Fell schüttelte und damit Glyfara aufweckte. Die war nicht gerade begeistert darüber, den Wühler wieder an Bord zu haben. Auch das Frühstück, das aus den letzten Beeren bestand, welche die Elbin zu Michaels Überraschung noch zutage gefördert hatte, war nicht dazu angetan, die Laune der Gefährten zu heben. Nur der Wühler schien sich wohl zu fühlen. Träge hatte er es sich im Bug bequem gemacht und blinzelte verschlafen in die frühen Sonnenstrahlen.
„Ob Wühler wohl schmeckt?“, murmelte Glyfara bissig, während sie lustlos auf einer Beere herum kaute und dem Wühler einen giftigen Blick zuwarf, der sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen ließ. Betont lässig kratzte er sich mit der Hinterpfote am Kopf und ignorierte die Elbin.
„Was glaubst du, wie lange wir noch auf diesem Fluß bleiben werden?“, versuchte Michael Glyfara auf andere Gedanken zu bringen. Die zuckte hilflos mit den Achseln.
„Keine Ahnung, jedenfalls so lange, wie er uns nach Norden führt.“
„Und du hast immer noch keine Vermutung, wo wir sein könnten?“
„Nein, aber früher oder später wird dieser Fluß zu irgendeiner bewohnten Siedlung führen. Also laß uns keine Zeit verlieren.“
Etwas steif von der Nacht erhob sich Glyfara und streckte sich ausgiebig, dann begab sie sich zum Bug und löste das Seil, mit dem das Boot an einem weit über den Fluß reichenden Ast befestigt war. Sofort drehte sich das Boot mit der Strömung und nahm langsam Fahrt auf.
Michael konnte nicht umhin, die Schönheit der Landschaft zu bewundern, während Glyfara das Boot auf die Mitte des Flusses hinaus steuerte. Die Sonne funkelte auf der Flußoberfläche, Schilfhalme schwankten träge im leichten Sommerwind und auf der gegenüberliegenden Flußseite erhob sich ein Reiher, den sie anscheinend in seiner Ruhe gestört hatten, mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft.
Michael seufzte bei diesem Anblick. Die landschaftliche Idylle wollte so gar nicht zu seiner aussichtslosen Lage passen. Sein Blick fiel auf Glyfara, die für die landschaftlichen Reize nicht empfänglich zu sein schien. Ihr Gesicht drückte lediglich eiskalte Entschlossenheit aus, als sie mit dem betagten Ruder kämpfte. Michael fragte sich, was wohl hinter dieser kühlen Fassade steckte?
Obwohl er nun schon mehrere Tage mit ihr zusammen unterwegs war, wußte er noch immer nicht, was er von ihr halten sollte. Sie war so völlig anders, als die Mädchen in seiner Schule.
Konnte er ihr vertrauen?
Nachdenklich wanderte sein Blick über die Uferregionen zu beiden Seiten des Flusses. Undurchdringliche grüne Barrieren, die im Hintergrund von steilen Berghängen überschattet wurden, zogen sich vom Flußufer die Hänge hinauf. Bedrückt sah er der Realität ins Auge. Er hatte keine Ahnung, wie er jemals wieder nach Hause gelangen sollte, und seine einzige Hoffnung saß derzeit mit grimmigen Gesichtsausdruck am Heck dieses betagten Bootes, das sich nur mit Mühe über Wasser hielt.
Konnte es noch schlimmer kommen?
Vermutlich!

Ob Michael Recht behält, erfahrt Ihr in ca. 14 Tagen. Ach ja, natürlich interessiert mich, was Ihr von dem neuen Gefährten, dem Wühler haltet.

 Euer

Klaus-Peter Behrens





  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.10.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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