Silvia Pommerening

Skat an der Kreuzung

Skat an der Kreuzung

Jeden Morgen, wenn ich in mein Auto steige, um Luis in den Kindergarten zu bringen, freue ich mich auf meine Lieblingskreuzung.
Eigentlich ist es eine ganz normale Kreuzung, nichts besonderes. Hier gilt, wie an den meisten Kreuzungen, einfach nur: “Rechts vor links!“
Rechts vor links! Wie es der Name schon sagt, darf der, der von rechts kommt vor dem fahren, der von links kommt.
Klingt meiner Meinung nach ziemlich logisch, dennoch werde ich jeden Morgen Zeuge, wie dieser kleine Satz Gehirne zum Rauchen bringt. Dieses Spektakel bereitet mir sogar schon soviel Freude, dass ich, sollte ich mal alleine dastehen, so lange warte, bis ein weiterer Autofahrer dazukommt, schließlich will man ja nichts geschenkt haben.

Da hatte ich gestern zum Beispiel die Situation, dass wir zu dritt an der Kreuzung standen. Eine Frau stand rechts von mir, eine links und ich in der Mitte. Die Dame die von rechts kam, die, welche also Vorfahrt gehabt hätte, machte jedoch keinerlei Anzeichen sich in den nächsten fünf Minuten in irgendeine Richtung zu bewegen. Sie blickte mich augenbrauenhochziehend und mit einen beschämten Lächeln an, als wollte sie mir zeigen, dass sie mit der Situation gerade völlig überfordert sei. Ich streckte ihr also beide Hände entgegen, um sie „fahrschulmäßig“ darauf aufmerksam zu machen, dass sie diejenige ist, die am Zug sei. Da nach weiteren zehn Sekunden nichts geschah, blieb mir nichts anderes übrig als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Schließlich hat man ja nicht den ganzen Morgen Zeit. Also gab ich Gas.
Um ein Haar wäre mir dabei die von links kommende Oma in die Kiste gefahren. Dieser Zug jedoch war meines Erachtens völlig unüberlegt und voreilig!
Da die Kandidatin die von rechts kam freiwillig aus dem Rennen „ausgestiegen“ ist, war doch auf jeden Fall erst mal ich an der Reihe, oder nicht? Denn ich stand ja schließlich rechts. Jedenfalls von der Omi aus gesehen, wenn Sie verstehen was ich meine. Ich blickte dem Mütterchen scharf in die Augen, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass Vordrängeln hier absolut gegen die Regel verstößt. Und diese lautet nun mal: „Rechts vor links“. Und nicht: „Ich, wenn sich die rechts von der rechts von mir nicht entscheiden kann!“ Selbst Luis kennt schon das dazugehörige Schild und seine Bedeutung, und der ist ja erst vier!
Da ich selbst dem weiblichen Geschlecht angehöre, reagiere auch ich auf Sprüche wie: “Typisch Frau am Steuer!“ eher ungemütlich. Jedoch muss ich zugeben, dass die Spannung jeden Morgen enorm steigt, wenn mehrere Weibchen am Kampf um die Vorfahrt beteiligt sind. Denn die stellen sich ja immer die Frage, wer ist rechts, wer rechter und wer am rechtesten? Kein Parteibezug!!!
Männer dagegen scheinen da ihre eigenen Regeln oder nennen wir sie besser „Genitalregeln“ zu haben. Diese lauten:
„PS vor Tiefengelegt vor Technomucke vor rechts vor links“!!! Zumindest scheint das zu gelten, wenn sie alleine in den „Kreuzungsfeldzug“ ziehen. Vorsicht auch hier: nicht zu verwechseln mit der Kreuzigung!
Kritisch wird es, wenn außer mir noch eine weiter Frau und ein Mann auf ihr „räumliches Denken“ hin geprüft werden. Die Problematik hängt dann davon ab, wer wo steht. Steht der Typ rechts und ich in der Mitte, ist alles geritzt. Er macht sich mit aufheulendem Motor vom Acker, ich ziehe nach...etwas leiser, 52Ps geben nun mal nicht so viel her, und die Tussi kann mit ihrer Kreuzung machen, was sie will. Wenn sie dagegen in der Mitte steht, kommt es darauf an, wie gut sie aussieht. Liegt sie so im unteren Drittel, läuft es ab wie eben. Er macht sich davon, sie zockelt nach und ich schließe mich an. Sieht sie allerdings gut aus....dann kommt es darauf an, was er für ein Typ ist. Haben wir es hier mit einem durchschnittlich Prolkopp zu tun, macht er cool und lässig mit quietschenden Reifen den ersten Stich. Der Rest läuft wie gehabt.
Wenn wir es jedoch mit einem Gentleman zu tun haben muss man mit allem rechnen. Aber auch hier muss unterschieden werden. Ist dieser bereits vergeben, geht alles problemlos über die Bühne: Er fährt als erstes mit einem freundlichen Lächeln in ihre Richtung, dann sie...wenn sie endlich mit dem Nachziehen ihrer Lippenkonturen fertig ist...und dann ich. Sollte es sich jedoch um einen noch zu habenden Jüngling handeln, könnte es sein, dass er ihr mit einer freundlichen und unverkennbaren Handbewegung den Vorrang lassen möchte.
Und dann haben wir den Salat...

Sie rafft nix, denn zieht ja gerade ihre Lippen nach,
er wartet,
ich auch,
sie holt ihr Puderdöschen raus,
er wartet,
ich schüttele den Kopf,
er auch,
mir wird’s zu blöd,
ich fahr los,
er auch...
BUMMM!!!
Und ich trage die volle Schuld, denn ich stand ja ganz links, Mist!


Es wird Zeit, dass hier mal eine Ampel hin kommt, oder Schminken im Auto strafbar wird!









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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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