Hannis Eriksson

Dumm gelaufen! – Alles aus? (Teil 4)

 

Er lag wach in seinem Bett, hatte die ganze Nacht nachgedacht und höchstens eine Stunde die Augen zubekommen. Gestern hatten sie sich getroffen, hatten gemeinsam mit ihrer besten Freundin und deren Freund eine Art Doppeldate gehabt. Sie hatte sich so anders verhalten, anders als im Chat oder bei ihren Telefonaten. Begründet hatte sie es damit, dass es was vollkommen anderes sei, sich zu sehen, als nur miteinander zu reden. Er hatte ihr zwar zugestimmt, dass innerlich allerdings nicht so gesehen.

   Sie hatte immer noch nicht mit dem anderen geredet und auch dafür hatte sie eine Erklärung für ihn parat; sie wollte nicht, dass er sich etwas antat. Waren da nicht doch noch Gefühle für den anderen da?

   Und genau das hatte er ihr vorgeworfen, in einer SMS. Er meinte, er bräuchte ein wenig Zeit für sich, als ob das etwas an seiner Situation ändern würde. Allerdings schien er jetzt diese Zeit zu haben, wahrscheinlich hatte er jetzt sogar alle Zeit der Welt, denn zumindest bis jetzt hatte sie ihm nicht auf seine Nachricht geantwortet.

   Er glaubte nicht mal, dass sie ihm je auf diese Nachricht antworten würde. Er war einfach zu ungeduldig gewesen und hatte jetzt wohl alles zerstört. Seine Wow-Frau. Ihm war es die ganze Zeit nicht gut gegangen, seit sie ihm von dem anderen erzählt hatte, aber so schlecht wie momentan hatte er sich dann doch noch nicht gefühlt.

   Das schlimmste war, dass er nicht wusste, was er jetzt machen sollte. Konnte er überhaupt etwas tun? Abwarten, das war alles. Aber er hatte noch nie gut auf etwas warten können. Er hasste diesen anderen Typen, noch mehr aber hasste er sich selbst. Er hasste sich für seine Art, für all seine Macken die letztendlich zu dieser Situation geführt hatten, in der er jetzt steckte und unmöglich wieder allein verlassen konnte.

   Jetzt war er endgültig aufgeschlagen, ein harter Aufprall, damit hatte er ja gerechnet, aber nicht das die Schmerzen so lang andauern würden. Er liebte sie, doch anstatt das dieses Gefühl jetzt nachließ, wurde es nur noch heftiger. Oder vielleicht schlimmer, dachte er.

   In gewisser Weise hatte das etwas von einer Krankheit, mit der Ausnahme, dass eine Krankheit nur negative Auswirkungen hatte. Das hier war da doch anders, er hatte oft genug in den letzten Wochen ein Hochgefühl gespürt, das ihm bis dahin vollkommen unbekannt gewesen war. Aber das letzte Hochgefühl war schon wieder zu lange her, als dass es noch Wirkung auf seinen jetzigen Gemütszustand hätte haben können.

   Er nahm sein Handy erneut zur Hand und schrieb eine weitere SMS: Sie möge sich doch bitte bei ihm melden. Und dann konnte er wieder nur abwarten, weiter abwarten, ob sie antworten würde, warten und dann wieder diese Ungeduld.

   Er fühlte sich schrecklich, war er doch nicht anders als der andere, von dem sie sich zu lösen versuchte. Er war haar genauso, genauso selbstsüchtig, genauso egoistisch, wie alle anderen Menschen auch. Dabei hatte er ihr versprochen, für sie da zu sein. Aber er hatte sich überschätzt, hatte seine eigene seelische Stärke so sehr überbewertet, dass er jetzt schon fast darüber lachen musste. Gleichzeitig weinte er innerlich.

   Er hatte eine Chance bekommen und er hatte sie vertan. Aber vielleicht meldete sie sich ja doch noch, machte er sich Mut. Schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt, redete er sich ein. Sei doch nicht immer so negativ eingestellt; das waren ihre Worte gewesen. Doch würde sich das jemals ändern? Nicht solange sie sich nicht meldete und auch dann wahrscheinlich nicht, außer sie würde sagen, dass sie jetzt nur für ihn da wäre.

   Er hatte sie im Grunde nicht verdient, aber er tat auch nichts, daran etwas zu ändern. Er lag einfach nur in seinem Bett und grübelte nach, dachte an sie, stellte sich ihr Gesicht vor, ihre Augen, ihr Lachen. Er schloss seine Augen und drückte eine Träne heraus. Es tut mir leid, dachte er. Dann sah er das Kreuz an der Zimmerwand an und fragte in Gedanken: Kannst du mir denn nicht helfen? Oder hilf ihr! Tu doch endlich mal was!

   Es nützte alles nichts. Jetzt musste er an einen Spruch denken, den er in der letzten Woche irgendwo im Internet gelesen hatte: Endet eine Liebe, leidet nur einer, leidet keiner, war es niemals Liebe, leiden beide, hat diese Liebe niemals aufgehört.

   In welcher Situation befand er sich momentan? Er litt, also war es Liebe. Aber was empfand sie? Eine Antwort auf diese Frage konnte nur sie selber geben, wenn sie sich denn melden würde. Obwohl sie auch mal gesagt hatte: Keine Antwort ist auch eine, damals, als er ihr von der anderen in seinem Leben erzählt hatte. Vielleicht war ihre Situation nicht eins zu eins vergleichbar, mit seiner damaligen, aber sie war doch ähnlich. Damals hatte sie ihm geholfen, ihn gerettet. Er hingegen machte es ihr nur noch schwerer, als sie es sowieso schon hatte.

   Du bist so ein Vollidiot, so ein blödes Arschloch, sagte er zu sich selbst. Er würde alles tun um noch eine Chance zu bekommen, würde sich zurücknehmen, würde endlich das tun, was er ihr schon längst versprochen hatte und bis jetzt nicht umgesetzt hatte. Er würde lernen zu warten, würde ihr alles geben, was er konnte, würde ihr Verhalten respektieren; wenn sie sich doch nur endlich melden würde.

   Er schloss seine Augen wieder, stellte sie sich vor und sagte dann in Gedanken die drei Worte, die er ihr schon so oft gesagt hatte: Ich liebe dich. Dann fügte er hinzu: Bitte verzeih mir.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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