Meike Schrut

Das schlecht geschriebene Drehbuch (3.Teil)

Szene 36                                        INNEN - Wohnung der Hellseherin Mariann - TAG

ERZÄHLER

„Bea eilt auf Madleine zu, als diese sich erhebt, zunächst einmal was trinken muß.“

Madleine
(etwas erschöpft klingend)

„RF geht es gut?“

Bea
(zaghaft)

„Ich weiß es nicht, er hat mich gebeten, ihn etwas allein zu lassen und ich habe ihm den Wunsch erfüllt, er wird schlafen..“

Christopher kommt atemlos zu Madleine, flüstert mit ihr. Sie wird sehr blaß und folgt ihm, nicht ohne sich mit einem raschen Wink rundherum verabschiedet zu haben, Bea küßt sie kurz auf die Wange, verspricht sich zu melden.

Christopher
(hastig)

„Ich habe ihn zum Wagen gebracht, er muß hier weg..“

Madleine fragt nicht nach, sie benötigt auch für sich ein gewisses Maß an innerer Ruhe.

Madleine
(fast angstvoll)

„Erkläre mir später, was geschehen ist..“

Christopher hat aber nicht die Absicht, sie zu schonen, er versteht nicht die Hälfte von dem, was in der letzten Zeit geschehen ist.

Christopher
(aufgebracht)

„So leicht lasse ich mich jetzt nicht unterbrechen. Er muß weg von hier, weil er hier psychisch vor die Hunde geht. Hast du dir einen Moment überlegt, warum du ihn quälen mußtest? Denn in diese Richtung geht das alles für mich. Ich fand ihn zusammengebrochen im kleinen Raum, er rang nach Atem und ich habe es gerade so geschafft ihn zu retten vor dem Ersticken. Ich verstehe nicht, was mit ihm vorging, flehe dich nur an: höre auf damit!“

Madleine
(gezwungenermaßen ruhig)

„Ich habe nichts getan, es ist etwas Mysteriöses geschehen, für das ich nichts kann, diesmal nicht. Es tut mir leid, wenn es so aussieht, al wäre ich eiskalt, bin ich nicht..“

So redend eilen sie zum Wagen zurück, RF sieht keinen von beiden an..

Szene 37                                                                              INNEN - Fahrgastraum - TAG

Während Christopher fährt, sieht RF leidenschaftslos aus dem Fenster. Das gestaltet sich zu einem Alptraum und er hofft irgendwann aus diesem zu erwachen.

Madleine
(sehr ruhig)

„Fahre bitte zu RF`s Schwester, wir hätten da eine Idee, die der Umsetzung bedarf, da ich irgendwie gewisse Details des Drehbuchs im Kopf habe, kann man wenigstens was ausprobieren. Warum sollte es nicht klappen, außerdem sollte sie schon sehen, wie er jetzt aussieht..“

Wenn sie auf eine Reaktion von RF gewartet hat, die kommt nicht.

Marianne F. die RF sehr liebt , würde sie ihn ohne Weiteres erkennen?

Madleine

„Weißt du, Christopher, ein Ding ist, in Panik zu verfallen, sich gehen zu lassen. Die bessere Sache ist: was kann ich jetzt tun, um das Ruder herum zu reißen? Ja, es gibt einige junge Männer, die im Moment eben aussehen wie er, vielleicht wird sie auch annehmen, er sei nur einer dieser Doppelgänger. Aber eine Schwester wird immer den Bruder erkennen, meinst du nicht auch?“

Christopher
(sachte)

„Wir sind gleich da, er kann sich schon mal überlegen, was und wie er es ihr schonend beibringt, sie wird es für einen Scherz halten und uns alle Drei vor die Tür setzen, wenn sie diese überhaupt auf macht.“

ERZÄHLER

„Marianne ist nicht immer leicht zu nehmen, künstlerisch begabt: ja, aber sie lässt sich auch nicht gerne belügen. RF überlegt wenige Minuten, was er tun kann. Ist seine Stimme denn für die Schwester noch die Gleiche oder hat sie sich auch verändert?“

Szene 38                                                              AUSSEN - VOR MARIANNES HAUS - TAG

 

Eine noch junge Frau öffnet ihnen erstaunt, sieht den jungen RF. Man kann es ihr nicht verübeln, wenn sie ihm nicht sofort um den Hals fällt.

Marianne
(kühl)

„Ich unterrichte Schauspielstudenten aber nicht privat, dafür habe ich keine Zeit..“

Madleine
(freundlich)

„Es geht um einen Fakt, der nicht so leicht zu erklären ist.“

Marianne
(ungeduldig)

„Auch nicht an der Haustür?“

Madleine schüttelt den Kopf, faßt die verschwitzte Hand ihres Freundes stärker an und bedeutet Christopher, er möge im Auto warten, der tut nichts lieber als das. Marianne lässt sich doch noch erweichen, bittet sie herein.

Szene 39                                             INNEN - WOHNZIMMER von MARIANNE - TAG

Marianne
(gehetzt)

„Ich habe nicht viel Zeit, die Polizei hat mich benachrichtigt, irgend etwas mit RF..“

RF sieht die Sorge in ihrem Blick, es tut ihm weh, sie so betrübt zu sehen .

RF
(vorsichtig)

„Gestatten Sie, dass ich mit der Polizei spreche, dann ist dieser Besuch von Ihnen dort nicht nötig.“

Marianne
(aufhorchend)

„Habe ich mich also geirrt. Sie sind beide von der Polizei und wollen mir schonend etwas mitteilen?“

Madleine
(nicht gerade feinfühlig)

„An was erkennen Sie Ihren Bruder?“

Marianne setzt sich zitternd auf den nächstbesten Stuhl, beginnt bitterlich zu weinen.

RF
(erschrocken)

„So geht das doch nicht, Madleine, sie erkennt mich weder an der Stimme noch an irgendeinem Makel..“

Madleine
(spöttisch)

„Makel, etwa im Gesicht? Du machst Witze, die wurden dir alle genommen, du wirst dich damit abfinden müssen, dass nicht einmal deine Schwester dich wieder erkennen kann, ist auch zu absurd, was geschehen ist..“

Marianne
(stutzig)

„Wer sind Sie? Ist das hier eine Übung von Studenten, die meinen, Sie müßten was ausprobieren? Dann werde ich mich beschweren, darauf können Sie sich verlassen..“

RF beginnt auch wieder nervös zu werden, die Luft wird ihm vor Aufregung knapp, Madleine hält ihm schnell das kleine Gerät hin, mühsam atmend findet er zu sich. Er will seine Schwester nicht verlieren, was also tun..

Madleine
(ärgerlich)

„Natürlich ist Ihr Bruder nicht tot, er ist nur „leicht“ verändert..Haben Sie etwas in Ihrer Wohnung vor den Augen ihres Bruders versteckt, so dass also kein zweiter Mensch das Versteck erraten könnte?“

Marianne
(verwundert)

„Ganz einfach, er hat mir beim letzten Besuch ein Drehbuch  dagelassen, ich sollte da mal reinsehen, es liegt noch an der gleichen Stelle, weil ich keine Zeit dafür hatte. Ihr Freund wird das Versteck nicht finden, er ist nicht mein Bruder..“

RF geht zielstrebig zu einem der 6 Regale, überlegt nicht lange und zieht das Drehbuch heraus, die Schwester erstarrt, betrachtet ihn eingehend..

Madleine
(müde)

„Ich hoffe, Sie wissen nun endlich, dass er es ist, aber vielleicht bedarf es noch anderer Beweise. Was haben Sie nur ihm gesagt und keinem anderen aus der Familie?“

RF
(der Verzweiflung nahe)

„Laß gut sein, Madleine, wenn sie nicht glauben kann, dass ich eben kein Doppelgänger bin..“

Er geht wie fremd gesteuert zu einem Buch, klappt es nach vorn und zieht den letzten Brief seiner Mutter heraus, reicht ihn der Schwester, die ihm nun endlich um den Hals fallen kann, denn von dem Brief weiß nur er, da er für ihn gewesen ist, hat es noch nicht fertig gebracht ihn zu lesen.

Madleine bemerkt, wie er schwankt, das hat Christopher also auch gemeint: er ist noch nicht belastbar und sie will sich gar nicht aus malen, was geschehen wäre, wenn seine Schwester ihn nicht mehr erkannt hätte. Sie zieht RF rasch hinüber zur Coatch, die Schwester schaut sie verwirrt an.

Marianne
(betroffen)

„Seit wann ist er so leicht um zu hauen, ich kenne ihn anders..“

Madleine
(säuerlich)

„Das ist mir klar. Seit das vor wenigen Tagen geschehen ist, von dem wir nicht wissen, wie man es nennen soll.“

Die Lüge geht ihr flott von den Lippen, denn weiß sie, ob diese Frau an übersinnliche Dinge glauben will, an Begegnungen mit Seelen?

RF
(stöhnte)

„Mir wird wieder heiß, wann hört das endlich mal auf..“

Szene 40                                                                      INNEN - Schlafzimmer - TAG

Madleine und Marianne bringen ihn zu Bett und wachen über ihn. Diese wenigen Stunden sind wieder zuviel für ihn geworden, Angst und aufkommende Verzweiflung, selbst die Erleichterung über das Wiedererkennen setzen in ihm etwas in Bewegung. Für ihn nicht steuerbar, unerklärlich und Madleine kennt und fürchtet es: plötzliches und heftiges Fieber, was auch die nächsten Stunden anhalten soll. Wie viel Kraftreserven soll er noch aufbrauchen? Hat er überhaupt welche? Madleine bittet Christopher herein.

Christopher
(trocken)

„Wieder?“

Madleine nickt und er hilft den beiden Frauen.

RF kann Marianne noch wenige Minuten klar erkennen, bevor er ohnmächtig wird.

RF
(matt)

„Wollte dir das nicht zumuten, verzeih mir, dass ich..“

Marianne
(tieftraurig)

„Da gibt es nichts zu verzeihen, werde nur schnell gesund.“

In den Ohren von RF, Christopher und Madleine hört sich das zwar gut an, aber die letzte Zeit sind sie nur in Bereitschaft gewesen und ein Kranker, der sich seine Krankheit nur einbildet, ist er eben nicht.

Christopher bleibt bei RF, dem das immer unangenehmer wird. Aber Christopher macht ihm klar, dass er jetzt nur nach vorne sehen dürfe und wenn nun auch die Schwester helfen könne, würde es ja vorwärts gehen für ihn.

Madleine wendet sich derweil an seine Schwester.

Madleine
(vorsichtig)

„Lassen Sie das bitte auf sich wirken, was ich meine. Er geht ohne seine Arbeit vor die Hunde, also wäre es gut, wenn wir alle morgen am Tage Pläne machen. Egal, ob wir in irgendwelchen Studios arbeiten können , draußen, drinnen, Kulisse oder was sonst. Wenn er beschäftigt ist, ist er gezwungen, sich vernünftig zu verhalten und Medikamente werden wir mitnehmen. Klingt vielleicht verrückt, aber seine Verzweiflung rührt auch aus seiner Untätigkeit heraus. Haben Sie Materialien, mit denen Christopher RF`s Gesicht altern lassen kann? Christopher ist Maskenbildner und Pfleger, letzteres aber nur nebenbei..“

Marianne
(erstaunt)

„Klingt wirklich verrückt, geht aber nur, wenn er morgen besser drauf ist.“

Madleine
(fröhlicher)

„Dann sehe ich für RF nicht mehr so schwarz..“

ERZÄHLER
„Abend und Nacht verlaufen so, wie der Tag verging: RF kommt noch nicht wieder
zu sich und Christopher bemüht sich allein um ihn, er selbst kann auch mal mehrere Tage ohne Schlaf auskommen..

Madleine nimmt sich immer vor, wenn sie neben RF zu Bett geht, den anwesenden Krankenpfleger zu übersehen. Geht natürlich nicht, ja, sie fühlt sich sicher und denn
auch wieder peinlich berührt. Aber zunächst gilt es nur, diese Sicherheit für den neben ihr liegenden Mann zu haben, der kaum eine Nacht nicht fiebert. Nervig ist es sehr , denn Gefühle hat sie natürlich auch und normale Bedürfnisse. Selbst wenn die Haut des Partners heiß zu spüren ist, vor Schweiß glänzt und er sich leise seufzend hin und her bewegt..Sie hört Christopher fluchen..“

Szene 41                                                            INNEN - SCHLAFZIMMER von Marianne - Nacht

MADLEINE
(erstaunt)

„Seit wann hört man dich denn mal fluchen, Christopher? Bist doch meistens die Ruhe in Person.“

Christopher
(verbissen)

„Versuche du mal, Infusionen zu legen, wenn die Haut so fest ist wie bei einem Elefanten, jeder normale Mensch hat irgendwo Fett, er aber nicht: festes Fleisch, Muskeln, na eben das, was Frau so mag: bis aufs Äußerste durchtrainiert.“

Madleine
(belustigt)

„Wenn man es so sieht, magst du recht haben. Warum nun unbedingt auch noch Infusionen?“

Christopher

„Ich muß mich daran machen, sein Immunsystem zum Laufen zu bekommen, versteh. Er ist wie ein toller Wagen ohne viel Öl und fast ohne Benzin, aber wird dir wenig sagen..“

Madleine
(gespielt beleidigt)

„Blöd bin ich nun auch nicht, weiß mehr über Autos, als das die 4 Räder, Auspuff und Lenkrad haben. Kann man nicht bis morgen früh warten, dann kann er alles so zu sich nehmen ohne dass du ihn „misshandeln“ mußt?“

Christopher
(mitfühlend)

„Könnte verstehen, wenn du Mitleid mit einem Schwächling hättest, dass ist er ganz und gar nicht, ich werde ihm die Umschläge öfters wechseln müssen, mit Spritzen gegen das Fieber hätte er es leichter gehabt, hier bekommst du keine einzige Nadel durch, schon ein Wunderwerk, was du da erschaffen hast.“

Madleine
(abwehrend)

„Ich kann nur hypnotisieren und habe da anscheinend sehr versagt, aber ich habe dies Wunder von Mann nicht kreeiert.“

Sie erhebt sich, wirft sich einen Morgenmantel um und hilft dem Pfleger, die feuchten Umschläge zu erneuern und sie sind sehr lange damit beschäftigt. Gegen 4 Uhr ist der Schauspieler endlich fieberfrei und sie todmüde eingeschlafen.

Szene 42                                                     INNEN - WOHNZIMMER von Marianne - TAG

ERZÄHLER

„Marianne sieht sich das Drehbuch an, welches ihr RF einst dagelassen hat. Sie findet jene Situationen fast schon biografisch, als sie liest, der, um den es geht, habe abgelehnt, dass man sein privates Leben verfilmen wolle. Ausrede: sei wenig aufregend. Die phantasievolle Märchen und Seelenwelt könnte man durchaus im Atelier nachstellen, teilweise. Und RF als Heinrich VIII? Ja, wenn er sich durch Maske älter machen ließ, dann aber auch mit falschem dicken Bauch oder es würde wieder ein fast schlanker alternder Herrscher, der mit dem Original keinerlei Ähnlichkeit aufwies. Aber jene skurrile Filmstadt, die nur mit deutscher Sprache auskäme? Ein natürlich nicht realer Ralph Fiennes, der möglicherweise durch einen anderen ihm ähnlich sehenden Schauspieler dargestellt werden müsste... Denn würde der Brite sich quasi selbst parodieren oder würde er es anders nennen? Marianne will ungern Ralph Fiennes persönlich damit konfrontieren, denn der würde auf die Idee kommen: “Wenn ich schauspielere in einem Phantasiefilm, dann würde ich mir sicherlich das gesamte Drehbuch ansehen und nicht nur den Teil, wo ich mal wie zufällig drin vorkomme.“ Marianne ahnt, dass der Mann gar nicht zufällig hineingeschrieben worden ist, eben so wie eben gewisse Andeutungen nun auch direkt personenbezogen sind. Darf man einen lebenden Schauspieler in einem Phantasiefilm einfach so benennen oder ist da nicht eine direkte Absprache mit Fiennes nötig?

Überrascht setzt sich Marianne in den bequemsten Sessel, der da in der Stube steht. Der Name taucht ihr zu oft auf und es ist möglicherweise sicherer, den Namen gleich abzuändern, denn zukünftige Zuschauer würden sich ihre Helden doch von Fall zu Fall mit einem anderen Gesicht vorstellen. Der „englische Patient“ als nicht gerade unkomplizierter Vinc, der mit Drogen Probleme bekommt?

RF hat sich wie zufällig zu seiner Schwester gesellt und sieht ihr bedrücktes Gesicht.

RF
(sanftmütig)

„Habe das Gefühl, du bist sehr mit irgendwelchen Fragen Drehbuch betreffs beschäftigt?“

Sie nickt

Marianne
(unschlüssig)

„Habe das sichere Empfinden, mich im Kreise zu drehen. Hier taucht der Name Ralph Fiennes auf, bist du nicht der Meinung, dass das ein wenig zu weit geht? Und: es kann nicht von dir geschrieben worden sein, du hast wenig am Hut mit allerlei Märchenwesen und an ein Weiterleben nach dem Tode glaubst du auch nicht..“

RF
(angespannt)

„Nein, es waren einst nur Skizzen, die mir Madleine zukommen ließ, ich fand es nebenbei ganz spaßig, mir Ralph Fiennes in einem skurrilen deutschen Phantasie-Filmstädtchen vor zu stellen und ja: ich sah ihn irgendwie vor mir, wie er als etwa 34 Jähriger ziemlich erstaunt gewesen sein dürfte. Aber das ist nur so dahin geschrieben und du weißt ja, wie eine andere Filmfigur es gesagt hat: „Ich bin nicht für das verantwortlich, was die Personen in meinem Buch von sich geben.“ Habe das nicht wortwörtlich, nur so als Idee mitgenommen. Und woher Madleine diese Skizzen hat aus dem Jahre 2o.. :keine Ahnung..“

Marianne
(verwirrt)

„Das mit „keine Ahnung“: glaube dir kein Wort. So viel ich noch weiß, nahm sich angeblich deinetwegen ein junges Ding das Leben, stammen diese Zeilen von ihr, weil es sich ja so schön macht, sich vor zu stellen: RF könnte rein theoretisch auch nur Ralph Fiennes bedeuten? Was hat nur der Mann aus den Frauen machen können.. Wette, es existieren sogar Schreine in magischen Zirkeln, vor denen sie ihn anbeten wie damals im alten Ägypten die Götter angebetet wurden. Er würde dir heute mitteilen: „Reiner Zufall, dass ich so ein Gesicht hatte und kein Grund für Heldenverehrung, war nie ein Held und wollte privat nie einer sein.“

RF
(amüsiert)

„Du machst dich lächerlich. Und du redest, als wäre dir Fiennes persönlich begegnet. Mir ist es doch völlig egal, warum man RF aus meinem realen Namen machte. Mag sein, dass du dich im Kreise drehst, weil wir nicht wirklich wissen, wie und wann man mit den Dreharbeiten beginnen könnte. Madleine wird sich sicher freuen, wenn sie uns so streiten hörte. Die ersten Notizen seien auch aus einem Streit oder Ärger heraus entstanden. Witzige Bemerkung übrigens das mit RF gleichbedeutend mit Ralph Fiennes, fühle mich gleich größer und bedeutender..“

ERZÄHLER

„Und Marianne weiß bei diesen Worten nicht einmal, ob er so daher redet oder ob er sich tatsächlich geschmeichelt fühlt.“

Szene 43                                                           INNEN - WOHNUNG VON MARIANNE - TAG

ZWEITER ERZÄHLER

"Mein Vorgänger wurde nicht entlassen, zu gegebener Zeit wird er Gelegenheit bekommen, wieder in die Geschichte ein zu steigen. ER ist so ein Wort, als ob es keine weibliche Erzählerin geben darf.. Dafür wird es irgendwann die weibliche Stimme aus dem Jenseits geben, kein Grund zur Panik, denn wie schon der grandiose Edgar Allan Poe sagte:

Ist nicht alles, was wir sehen und scheinen, nur ein Traum innerhalb eines Traumes?

Man kann es auch mit den Worten eines anderen Mannes ausdrücken:

„Irgendeine Szene erinnert einen immer an etwas und war schon einmal da.“

Vielleicht kommt ja die Stimme auch nicht wirklich aus dem Jenseits, jedenfalls wäre sie in einem Film zu hören: unheimlich, traurig, verwegen aber auch frech und dreist, unverschämt, die ganze Palette der menschlichen Emotionen. Zu wenig Handlung? Für Menschen, die auch in einem Buch auf jeder 4.Seite Tote benötigen, sind diese Scenen nichts, Dialoge wird es geben, über die man nachdenken kann, aber nicht muß. Emotionen darf man aber annehmen. Der gestohlene Satz könnte von jedem anderen Menschen gesagt worden sein, tatsächlich stammt er aus einem Gespräch mit einem Schauspieler, der sich ja seine Drehbuchszenen nicht selbst schreiben muß, oder tut er das zwischendurch doch?

Aber zurück zu Poe...

Diese Drehbuchgeschichte - das Drehbuch besteht ja aus Szenen, die immer wieder verändert werden können, aber dann nur vom Autor selbst. Und jeder Mensch ist sein eigener Regisseur, Kameramann/frau und Drehbuchautor, man schreibt also die Geschichte seines eigenen Leben selbst. Es bleibt dahin gestellt, ob es den Film geben könnte, den die handelnden Personen sich geistig langsam vorstellen wollen und wenn es zunächst nur ist, um RF zu helfen..

Der Autor Poe mag in seinem realen Leben derart gelitten haben, dass er sich auch nur gruselige Storys vorstellen mochte und würde er den Filmschaffenden heute über die Schulter sehen können, würde er vielleicht sagen: “Muß man alles Leid, welches in Büchern vorkommt, auch vorgezeigt bekommen?“

Warum ungefähr das Jahr 2022.. Weit genug von der Realität entfernt und auch genügend Abstand zu jenem Mann, über den Marianne gerade nachgrübelt, voller Bedenken, etwas Angst aber eher auch Verwunderung. Und eben: 20 Jahre nach dem ursprünglichen Film „Spinne“ (Spider). Marianne und RF scherzen zwar, aber natürlich nicht in abwertender Art und Weise herum. RF war ja eigentlich auch 60 Jahre, hat sich aber äußerlich verändern können, reale Menschen bekommen höchstens die Chance, durch ihre Kunst unsterblich zu werden. Und Ralph Fiennes ist 2022 auch noch real, wenn er auch nicht einfach so daher kommen wird wie fiktiv beschrieben..“

2 Tage nach der Unterhaltung zwischen Marianne und RF schellt die Türklingel. Marianne hat zwar die Absicht selbst zu gehen, RF ist schneller, öffnet und traut seinen Augen kaum: er steht sich selbst gegenüber..Natürlich Unsinn, aber als er vor wenigen Tagen in den Spiegel sah, war das fast exakt sein Gesicht, bis auf die Augen eben genau. Sprachlos bittet er den Besucher herein, einen Ralph Fiennes kann man nicht draußen stehen lassen, außerdem hat es begonnen zu regnen. Früh am Morgen..9 Uhr ist die passende Zeit um zu frühstücken und RF deckt automatisch für den Gast auf, der das irgendwie lustig findet: er sagt nichts, äußert keinen Wunsch aber wird willkommen geheißen.

Die Begrüßung fällt etwas sparsam aus, wegen der Überraschung. Als sich die Anwesenden etwas beruhigt haben, bittet RF Marianne auf den Flur.

Szene 44                                                        INNEN - FLUR in Mariannes Wohnung - TAG

RF
(außer sich)

„Ich habe ja schon immer gewußt, dass du genau so drauf bist wie Madleine: spirituell angehaucht, hast ihn also gestern angerufen und mal so nebenbei um seinen Besuch gebeten?“

Marianne
(lachend)

„Würde ich nie wagen, er muß Wind bekommen haben von unseren Plänen, keine Ahnung, wie er das gemacht hat, aber wir wollen ihm nicht das Gefühl geben, wir würden hinter seinem Rücken reden, hat er lange genug bei anderen Gelegenheiten erlebt.“

Szene 45                                                          INNEN - WOHNZIMMER von Marianne - TAG

Ralph Fiennes spürt natürlich die leichte Anspannung, die über der kleinen Gesellschaft liegt, er lädt sich auch nicht so oft irgendwo ein, aber Marianne hatte er diesen Besuch schon seit einiger Zeit versprochen, wurde Zeit, dass er dieses Versprechen einlöst.

RF spürt auch den Blick des gerade Eingetroffenen..

RF`s Stimme aus dem Off

„Möchte gar zu gerne deine Gedanken erraten können, mein Aussehen muß mir nicht unangenehm sein, aber so wohl fühle ich mich nun auch nicht.“

RF schaut etwas irritiert zu Madleine, die ihre gewohnte Heiterkeit wiedergewonnen hat und den Hinzugekommenen neugierig anschaut, sie fixiert ihn nicht, sie erwidert seinen offenen Blick, der ihr vertraut und daher angenehm erscheint.

Madleine`s Stimme aus dem Off

„Möglicherweise war es das, was sie wenigstens geahnt hat: tauchte er irgendwo auf, war es schwer, sich seiner zunächst offenen freundlichen Art zu verschließen, das Verschlossene kam viel später und hat irgendwelche Gründe.“

Fiennes` Stimme aus dem Off

„Ist vielleicht nicht mein Tag heute, hätte sie fragen sollen, ob es ihr recht ist, dass ich komme. Das ich mir quasi am Tisch selbst begegnen würde - nur das der andere jünger ist -, das ist mal was ganz Neues und wohl Einzigartiges. Mariannes Freund möglicherweise, denn ihr Bruder dürfte etwa in meinem Alter sein..“

MARIANNE
(unsicher)

„Wenn ich die nicht gestellte Frage jetzt schon mal beantworten darf: nein, RF ist mein Bruder, ich habe ihn selbst nicht gleich erkennen können. Und bevor Sie denken, ich scherze, das ist leider kein Scherz, kann mir auch keiner erklären, wie das geschah..“

RALPH
(verblüfft)

„Muß ihn doch zufrieden machen, oder?“

Das betretene Schweigen ist nicht unbedingt das, was der Schauspieler erwartet hat.

Madleine
(leise)

„Sie werden es nicht für möglich halten, verehrter Meister, aber er beneidet Sie, weil er die Nachteile innerlich viel zu oft spürt.“

Ralph Fiennes hat das Meister geflissentlich so stehen lassen, legt eine Miene auf, die man doppeldeutig nennen kann.

Ralph
(betroffen)

„Es tut mir leid, RF, wollte Ihnen nicht zu nahe kommen, was geschehen ist, würde man als außerordentlich bezeichnen, eher nicht als tragisch.“

Seine sehr ruhige melodische Stimme, die er bewußt verhalten und nicht so kräftig wie auf der Bühne gestaltet hat, bewirkt, dass Marianne sich entspannt nach hinten lehnt und bemerkt, dass es den anderen auch wesentlich besser geht. Merkwürdig, wie er es wieder versteht, Zuhörer in seinen Bann zu ziehen und in Madleine hallen die Worte von IHR nach, dass sie ihn für einen Magier der Worte und Stimmungen hält, der jede Situation scheinbar zu meistern versteht.

Ralph versteht sich in diesem Moment eher nicht als Magier oder Meister. Wenn ein Mann so unzufrieden mit seiner neuen Verfassung daher kommt, bedarf es sicher mehr als einer Erklärung, aber es liegt ihm nicht, irgendeinen Menschen direkt auszufragen. Antworten würden sich finden lassen, früher oder später, ob durch Zufall oder das Bedürfnis, ihm etwas mit zu teilen.

ERZÄHLER

„Marianne hört noch eines heraus: ein unmerkliches Zittern in seiner Stimme, das von den anderen nicht bemerkt wird, weil es nur ihr bekannt ist. Er lässt sich nicht in sein Herz blicken, wenn er es nicht für angebracht hält. Den anderen spielt er den sehr sicheren Menschen vor, sehr gut, aber eben diesmal nicht perfekt, also ist er müde, zu müde dazu.. Marianne hat ihn schon erschöpft und müde wahrgenommen, als er sie allein aufsuchte, keinen Rat mehr wußte. Je mehr er sich ihr geöffnet hatte, desto mehr sah sie hinter seine Fassade aus Gelassenheit, absichtlicher Grobheit, wenn man ihn nervt. Er muß in ihrer Gegenwart keine frechen Sprüche mehr zum Besten geben.. Sie räuspert sich, dieses „tut mir leid“, ja, es ist echt, aber ihr unangenehm und sie weiß nicht einmal weshalb. Ralph Fiennes ist zwar ein außergewöhnlich guter Schauspieler, aber den verletzbaren Menschen in ihm hat sie ein einziges Mal sehr deutlich sehen können: auf einem Foto des Jahres 2008 und bei den wenigen persönlichen Begegnungen.“

Marianne
(heiser)

„Ich ahne, warum du heute vorbei gekommen bist, Ralph. Deswegen..“

Und sie reicht ihm das Drehbuch, welches er zwar gar nicht in den Händen halten will, aber er sieht sie nur etwas verkniffen an, nimmt es mit der einen Hand mit der anderen streicht er ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht.

Ralph`s Stimme aus dem Off

„Sie dürfte so ziemlich die einzige Frau sein, die mir ins Gewissen geredet hatte mit dem Satz, wenn ich mein Leben ausgeglichener haben wolle, müsse ich schon über meinen Schatten springen und mal die Arbeit links liegen lassen. Angst? Die habe ich in ihren Augen noch nie gesehen, wenn ich ihr begegnete und sprach. Sie lächelte mich merkwürdig an, als ich sagte, ich müßte noch dringend was zu Ende bringen, fast immer nahm ich das nächste Ding an. Ich hatte nur ihr versprochen mich zu schonen und habe das bis jetzt nicht geschafft.

Nur wegen ihr vermag ich es an zu vielen Tagen nicht, locker in den Spiegel zu sehen, wie viele Menschen habe ich denn sonst noch so unabsichtlich enttäuscht?“

Marianne sieht ihn auch diesmal besorgt an, bittet ihn um ein Gespräch unter 4 Augen, er nickt.

Sie treten auf den Balkon, die Sonne scheint wieder und so kalt ist es auch nicht.

Szene 46                                                 AUSSEN -BALKON von Mariannes Wohnung - TAG

Marianne
(eindringlich)

„Wollte es dir vor den anderen nicht sagen, du siehst mir zu müde aus, als ob du kaum geschlafen hast..“

Ralph
(lächelnd)

„Wäre ein Wunder, wenn dir das entgangen wäre, laß mich einige Momente im Drehbuch lesen, ja?“

Marianne
(fröhlich)

„Du weißt, das du von keinem Menschen eine Erlaubnis einholen mußt, sie geben sie dir vorher..“

Ralph
(verstimmt)

„Fang bitte nicht mit so einem Unsinn an. Ein Mensch, dem man es abnimmt zu bitten, in dem man ihm vorher gibt, was er benötigt, was ist der in deinen Augen wert?“

Marianne
(verdutzt)

„Du weißt genau, was du wert bist..“

Ralph
(verärgert)

„Das habe ich nicht gemeint und du weißt es auch.“

Marianne bemüht sich seinem Blick stand zu halten, was ihr nicht leicht fällt. Sie gibt schnell vor, dass ihr kalt ist, dabei schwitzt sie zusehends mehr. Kalter Schweiß läuft ihr den Rücken hinunter, also das 2 Zustände auf einmal, ein Zustand zuviel.

Sie unterhalten sich weiter im Wohnzimmer, aus dem sich die anderen Personen entfernt haben, als ahnen diese, dass Marianne mit ihm allein reden will.

Szene 47                                                                    INNEN - Wohnzimmer von Marianne - Tag

RALPH
(behutsam)

„Ich wollte dich nicht anfahren, du siehst etwas verschreckt aus..Wenn du frierst, dem kann man abhelfen....“

Ralph `s Stimme aus dem Off

„Wäre privat das erste Mal, dass ich dich erschrecken konnte, hättest dich etwas wärmer anziehen sollen, meine fürsorgliche Katze. Sagst zwar nicht, dass ich mich etwas hinlegen sollte, weil du weißt, ich treffe alle Entscheidungen selbst, aber übelgenommen hätte ich es dir auch nicht..“

Marianne erspart sich eine Antwort, sie lässt zu, dass er nach einer Decke greift und sie warm reibt.

Marianne`s Stimme aus dem Off

„ Und wie komme ich jetzt aus dieser Nummer raus? Er reibt mir noch die Haut runter..“

Natürlich hat sie Bedenken, gerade nun das Falsche zu tun, als sie ihm die Decke doch noch aus der Hand nimmt und ihn vorsichtig küßt, dabei nun doch vor Angst die Augen schließt.

ERZÄHLER

„Auf ihren Lippen schien das betörende Aroma des gesamten Orients vereint zu sein. Überrascht zieht er sie zwar an sich, kann aber den Kuß nicht sogleich erwidern. Sie ist ungefähr 20 Jahre jünger als er. WEN hat sie vor sich, den „englischen Patienten“, den Herzog aus „Die Herzogin“, den bemitleidenswerten „Spider“, alle zusammen und noch einige mehr von den Gestalten, denen er Leben einhauchte oder nur ihn, der privat möglicherweise so ist, wie sie ihn sich nicht vorstellt: eben nicht mehr ganz jung, aber auch nicht gewalttätig und eher so, wie er sich gern im „ewigen Gärtner„ in Erinnerung hat: durchaus fürsorglich um die Frau bemüht, die er zu lieben versucht..“

 

 

 

Natürlich gibt es für ein richtiges Drehbuch Richtlinien, wenn ich sie fast außer Acht lasse, dann: erstens heißt der Titel ja so, zweitens könnte ich mir nicht wirklich vorstellen, daß diese Texte mal Bestandteil Theaterstück oder Film sein könnten. Ungefährer Text also, wie ich ihn mir vorstelle. Und man kann den Titel ruhig zweideutig nehmen.Meike Schrut, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.11.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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