Andreas Gritsch

Erinnerung vom Grailinger Hof

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Martha war die älteste im Dorf, sie lebte mit ihrem verstoßenen Enkel zurückgezogen auf einem Bauernhof an der Grenze zum Wald. Sie ließ sich nur selten im Dorf blicken, weil ihr die Bewohner keinen Meter über den Weg trauten. Keiner wollte oder konnte etwas sagen, als sie plötzlich in mitten der Masse auftauchte, aber die Blicke ließen nichts gutes erahnen.

Sie hat auch niemals nur ein Wort gesprochen, aber ihre Erscheinung ließ uns als Kinder nicht mehr los. Wenn sie mal wieder durch die Gassen zog und wir zufällig an ihr vorbei zum Spielplatz gingen, hatten wir nichts anderes mehr im Sinn, als uns auzumalen, wie sie wohl auf diesem Hof mit Bodo lebte. Bodo war ihr Enkel, mit dem wir in den ersten drei Jahren zur Schule gingen. Ihm fehlte die linke Hand und er trug eine tiefe Narbe im Gesicht, welche zur kalten Jahreszeit immer zu eitern begann. Keiner von uns wußte wie er wirklich hieß, nur ein Lehrer, der ihn mit Vergnügen an die Tafel holte, nannte ihn Bodo. Er hatte eine Stimme deren Klang kaum zu ertragen war, keiner wollte mit ihm reden, aber die meißten Fragen der Lehrer hat er richtig beantwortet.

Nach Schulschluß fuhren wir alle gemeinsam mit dem Bus nach Hause, nur Bodo wurde stets von einem schwarzen Auto mit dunklen Scheiben abgeholt. Im Dorf erzählten die Erwachsenen von einer geheimen Klinik, und wenn wir nicht gehorsam sind, würden auch wir dort hin gebracht. Doch abends war Bodo immer wieder rechtzeitig zum Abendbrot an seinem Platz am Tisch in der Stube des abgelegten Bauernhofes. Für uns war es eine Art Mutprobe bei Dunkelheit auf dieses Anwesen zu schleichen um einen Blick auf etwas zu erhaschen, das womöglich zu einer neuen Geschichte im Dorf taugen könnte.

Leider kam es nie dazu, Martha kochte einfach nur in der Stube für ihren Enkel. Beide saßen dann gemeinsam an diesem reichlich gedeckten Tisch und genossen schweigend ihr wohl verdientes Abendessen. Doch uns wurde nicht langweilig, weil wir uns immer wieder neue Mutproben ausgedacht hatten. Noch spät nachts saßen wir am See und machten Feuer aus allem was uns in die Finger kam und überlegten, wie wir die beiden endlich einmal so entdecken könnten, wie wir sie uns vorstellten.

Eines Tages, wir hatten eine Freistunde, schlichen wir auf den Hof und wollten unseren kleinen Plan in die Tat umsetzen. Das große Eisentor zum Haus war nicht verschlossen, wir traten ein und gingen geradewegs zur Stube, in welcher beide immer unter dem Kreuz mit unserem Herrgott zu speisen pflegten. Einer stand Schmiere und die anderen traten dies Holzkreuz kaputt. Alles ging ganz schnell von statten, zur nächsten Stunde saßen wir alle wieder brav in unserer Klasse.

Abends, bevor Martha nach Hause kam und Bodo noch auf dem Weg war, trafen wir uns in unmittelbarer Nähe zu diesem Obejekt unserer seltsamen Begierde. Nun haben auch wir nichts mehr miteinander gesprochen und begannen durch die Kälte unsere Glieder nicht mehr zu spüren. Wir saßen im Wald zur Grenze am Hof, sahen uns gegenseitig an und konnten im anderen seltsame Dinge erkennen. Plötzlich wurde es dunkel, aus dem Wald dahinter waren keine Geräusche mehr zu vernhemen und zwei Gestalten betraten den Hof. Starr vor Angst glotzten wir auf jede Bewegung und fühlten uns schlecht, als beide ihren Gang aus dem Nichts kalt unterbrachen. Wie Schatten wandten sich uns diese beiden nun zu, das Herz rutschte uns in die Hose. Doch Martha hat in diesem Moment eine Kerze entzündet und reichte sie Bodo zum Arm. Er hob sie in unsere Richtung und mit nun klar vernehmlicher Stimme, riet uns Martha im zärtlichen Ton, doch nun besser auch nach Hause zu gehen, weil die Familie auf uns wartet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.12.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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