Kurt Herchenbach

Spuckende Säuger

Kurt Herchenbach

 

Spuckende Säuger

 

 

Das Lama ist ein Bewohner der westlichen Hochgebirge des südamerikanischen Kontinents und gehört zur Gattung der Kamele. Es ist ein Herdentier, rottet sich aber zuweilen auch zu Rudeln zusammen.

Während andere Vierbeiner im Geschlechterkampf Gebiß, Hufe oder Gehörn einsetzen, tragen Lamas mangels zweier solcher Waffen ihre Auseinandersetzungen durch gegenseitiges Anspucken aus. Wittert das männliche Tier also Konkurrenz sowohl in der eigenen Herde, im Rudel wie auch von außerhalb, oder wird es aus anderen Gründen erzürnt, so wird dessen Speichelproduktion umgehend um das Dreifache gesteigert und dem Gegner als Waffe gezielt ins angriffslustige Auge plaziert.

 

Der normal strukturierte Mensch - also solche wie Sie und ich - produziert täglich ein bis eineinhalb Liter Speichel. Das Regulativ hierfür ist das Großhirn, das sowohl auf innere wie auch auf äußere Reize reagiert und die Produktion quantitativ steuert.

Beim Menschen wird der Speichel nur in emotionalen Aus-nahmesituationen als Waffe verwendet. Ansonsten dient er primär als Verdauungssekret. Erblickt der Mensch schmackhafte Speisen oder alkoholische Getränke, so erhöht sich sein Speichelfluß. Dem Vernehmen nach soll das jedoch auch beim männlichen Menschen der Fall sein, wenn er durch den Anblick eines attraktiven Weibes zur Paarungsbereitschaft animiert wird.

 

 

Es existiert allerdings bei der Gattung Mensch eine Unterart, bei der allein beim Betreten eines grünen Rasens umgehend eine enorme Produktionssteigerung des Speichelflusses einsetzt. Hier - in diesem zu beschreibenden Sonderfall - ist das Großhirn wohl anders gepolt.

Den Beweis für diese Behauptung liefert allsamstaglich das Fernsehen. Schalten Sie doch einmal solche Fernsehsendungen wie Sportschau, Sportstudio oder Hattrick ein. Dort können Sie erleben, wie dieser ursprünglich allein die Verdauung fördern sollende Saft von 22 zumindest hart am Fußball arbeitenden Männern in der Summe der Spielzeit literweise über das satte Grün verteilt wird.

 

Sicher hat sich schon manch einer über dieses Phänomen gewundert. Doch trotz intensiven Quellenstudiums ist es mir nicht gelungen, hierfür eine stichhaltige Erklärung zu finden.

Mag es wohl sein, daß die Grünfärbung des Rasens einen Dün-gungsreflex im Großhirn des Fußballers auslöst?

Sollte dem tatsächlich so sein, ergibt sich sogleich eine neue Frage. Warum urinieren diese offenbar besonders empfindsamen Sportler nicht zusätzlich auf den Rasen? Und: warum koten sie nicht nach dem Abpfiff des Unparteiischen auf das ihnen so viel Gewinn bringende Spielfeld?

 

Oder aber liegt die Erklärung für das seltsame Verhalten der Fußballer auf einem ganz anderen Sektor? Etwa in der Tiefen-psychologie?

Drückt der Spieler durch den Auswurf seiner Speichelsekrete unbewußt emotionsgeladenes Mißfallen aus? Gegen

a)   den Gegner, um diesen zu brüskieren?

b)   den Schiedsrichter, um dessen Entscheidung negativ zu   werten?

c)    einen Mitspieler, um so dessen Spielweise zu kritisieren?

d)   die Zuschauer, um diesen seine grundlegende Verachtung zu zeigen? Oder aber

e)    als Ventil gegen sein urtümliches Verlangen, seinen Gegen-spieler krankenhausreif zu treten?

 

Andererseits jedoch kann des Fußballers Handlungsweise so unbewußt wiederum auch nicht erfolgen. Fühlt sich doch der Fußballstar dem Normalsterblichen intellektuell deutlich überlegen. Das beweisen schon deren Interviews in den zuvor genannten Sendungen. Denn auch Sie werden beobachten, wie die Fragen der Reporter an den Spieler oftmals deutlich unter dem Niveau der Antworten der Befragten liegen.

                                                                             

Wie wir bereits festgestellt haben, gehört das Lama zur Gattung der Kamele. Es spuckte nachgewiesenermaßen schon weit vor dem ersten Fußballer. Sollte also Darwin mit seiner Vererbungslehre in diesem speziellen Fall daneben liegen? Darwin, der nachwies, Affe und Mensch hätten einen gemeinsamen Stammbaum? Ist also zumindest der Profifußballer dem Kamel genetisch noch näher als dem Affen? Zumal wie beim Lama, sich auch bei Fußballern gele-gentlich aus einer mindestens 22 Exemplare starken Herde häufig Rudel bilden.

Läßt sich danach – vorausgesetzt diese Kamel-Abstamm-Theorie ist stichhaltig -  schlußfolgern, der Fußballer wolle einem Millionen-publikum beiderlei Geschlechts - dem Lama gleich - signalisieren, er sei gleichermaßen geschlechtsreif und -willig?

 

Sie sehen – Fragen über Fragen. Es ist mir daher völlig unverständlich, warum die Sportwissenschaft, die doch sonst jedem fakultativen Phänomen auf den Grund geht, sich dieser Problematik bislang noch nicht angenommen hat.

 

Erlauben Sie mir am Rande einen Schlenker zu diesem Thema. Während der Fußball-Weltmeisterschaft in Italien - man schrieb das Jahr 1990 – spuckte der Niederländer Ruud Gullit dem Deutschen Rudi Völler ins Gesicht. Buhlten die beiden etwa um die selbe Dame? Darüber wurde nie so recht Klarheit geschaffen.

Wie dem auch sei. Jedenfalls mißfiel der FIFA diese Art öffentlicher Reviermarkierung. Sie setzte sie unter Strafe und erlaubte fortan nur noch das Bespucken des Rasens.

 

Der Deutsche Fußballbund - kurz DFB - verhält sich in vielen Fragen gesellschaftlicher Relevanz vorbildlich. Ich erinnere hier nur an dessen Aktion gegen Gewalt außerhalb des Spielfeldes. Obwohl solche Gewalt  – ganz streng genommen – außerhalb des Kompe-tenzbereiches des DFB liegt. Oder denken Sie an das obligatorische freundschaftliche Händeschütteln zwischen Unparteiischen und Spielführern vor Spielbeginn. Oder auch an das Verbot für den Torschützen, durch jubelndes Lüften seines Trikots dem Publikum obszön seinen Oberkörper darzubieten.

Somit ist dem DFB ein durchaus die Jugend bildendes erzieherisches Vorbildverhalten zuzuschreiben.

Da bisher von dessen Führungselite nichts Gegenteiliges verlautete, gehe ich davon aus, daß der DFB das Bespucken des Rasens zumindest wohlwollend billigt. Also ein Zeichen setzend, daß derartiges normaler gesellschaftlicher Norm entspricht.

 

Mit der folgenden Anregung hätte ich seinerzeit Herrn Meyer-Vorfelder ansprechen sollen, den ehemaligen Präsidenten des DFB, den ich allein seines uneigennützigen und intellektuell beschei-denen Auftretens wegen sehr schätzte. Doch nun hat ihm ein nüchterner Technokrat das geliebte Amt aus den Händen gewunden, der mir zu nüchtern denkt und handelt, als daß ich diesem folgenden Vorschlag nahe legen könnte:

Lassen Sie doch zumindest die Nationalmannschaft nach deren ergreifendem mehrstimmig vorgetragenen Chorgesang der Nati-onalhymne, vor Spielbeginn unisono dreimal auf den Rasen rotzen! Das stärkt zusätzlich zum gemeinsamen Gesang das Zusammen-gehörigkeitsgefühl. Ferner wird somit dem Kondition verschlei-ßenden häufigen Spucken während des Spieles vorgebeugt.

Aber wer zu spät meckert, den bestraft der Fußball!

 

Nun werden Sie sich zu recht fragen, wie ist das denn mit der Spuckerei bei anderen Sportarten? So habe ich denn versucht, zu erforschen, wie es Sportler anderer Disziplinen damit halten.

Ausgenommen von meiner Umfrage habe ich Basketball- und Volleyballspieler, auch Handballer. Die sind, was ihr Spielfeld angeht, viel zu penibel. Die rufen bereits, wenn auch nur ein einziger Schweißtropfen ihr blank gewienertes Parkett netzt, umgehend langbeinige kurzberockte Mädchen herbei, die umgehend mit Feudeln das Feld trocken wischen.

 

Aber meine Recherchen bei anderen Sportarten, die brachten zum Teil höchst überraschende Ergebnisse:

„ ….. Was meinen Sie, wie oft ich nicht nur ins Wasser gerotzt habe?!“, gestand eine ebenso bekannte, wie hübsche Welt-rekordlerin des Schwimmsports.

„ ….. ehäm, hätte oft allzu gern um mich gespuckt.“, so ein bekannter Wimbledonsieger, „Doch die Benimmregeln des DTB lassen das nicht zu. Die – ehäm - spionieren mir doch schon bis in die Besenkammern hinterher“

„ ….. Bevor aus den seine Fresse wat rauskommt, hau ick dem doch lieber wat rein!“, klärte mich ein Berliner Siegertyp des Bantamgewichtes auf.

„ ….. Was mein Sportgerät bei Prüfungen zuweilen von sich gibt, scheint mir doch mehr als genug.“, meinte eine blonde deutsche Dressurreiterin der Weltklasse.

„ ….. Der Spielfreude wäre ein vermehrter Speichelfluß schon förderlich. Doch den Spielfluß betreffend eher kontraproduktiv.“, meinte ein Billardchampion, seine elegante Fliege richtend.

Ein Eishockeyspieler: „ ….. Die andern schmeißen mich oft genug um. Da spuck ich mir doch nicht selbst auch noch schnell wachsende Steine vor die Kufen!“

„ ….. habe ich schon mehr als genug Rotz und Wasser geheult!“,  gestand mir eine leicht pummelige wirkende Tennisspielerin der neuen deutschen Spitzenklasse, als sie zum wiederholten Mal in Filderstadt in der ersten Runde ausgeschieden war.

„ ….. braucht die nicht; meine Tochter ist ohnehin schon rotzfrech.“, beklagte sich eine Eislaufmutter.

„ ….. Was meinen Sie, wem ich schon alles in die Suppe gespuckt habe!“, gestand ein von mir bis dahin bevorzugter Sternekoch eines Sporthotels.

„ ….. oft und gern“, erzählte ein mir befreundeter Golfer, „doch nur im Rough und sonst nur, oder wenn mein Caddy den Spucknapf dabei hat.“

„ ….. bei jeder Fahrt“, bekannte ein Ballonfahrer aus der Nähe von Bielefeld, „doch zu meinem größten Bedauern ist meine Trefferquote völlig unkontrollierbar.“

„ ….. Ich pinkle grundsätzlich nur über die Reling“, berichtete ein mir sehr gut bekannter Segler und Motoryachtfahrer, „aber grundsätzlich nur in Lee!“

 

 

Sie sehen also – Spucken oder nicht Spucken – das ist hier die Frage. Ich habe bei meiner Umfrage den Eindruck gewonnen, daß die meisten der Sportler quer durch die Disziplinen  alle gelegentlich zumindest das Bedürfnis haben, ihre Emotionen feucht zu äußern.

Für die meisten jedoch sind eine gewisse Kinderstube und/oder ein angeborenes Gefühl zu große Hindernisse, sich in aller Öffentlichkeit wie ein Lama zu verhalten.

Sollte der DFB sich irgendwann einmal entschließen, die Spuckerei in ähnlicher Form wie das jubelnde Lüften des Trikots unter Strafe zu stellen, so kann ich ein probates Mittel zur Prävention empfehlen:

Athropin hemmt die Speichelproduktion deutlich!

 

 

 

02/06 + 09/07

  

 

                                                                     

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.12.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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