In einer kalten Winternacht
hat sie mich heimlich umgebracht.
Gebrochen hat sie mir mein Herz.
Stechend und reißend stummer Schmerz.
Das Jahr neigte sich seinem Ende. Er saß allein in seiner Wohnung, hatte all die Tage vergeblich auf eine Nachricht von ihr gewartet. Er konnte sie nicht vergessen, auch wenn ihm seine Freunde dies immer wieder rieten. Er liebte sie und hoffte immer noch, dass sie sich bei ihm melden würde.
Sie hatten sich erst vor kurzem kennen gelernt und er hatte sich sehr schnell in sie verliebt. Auch sie hatte ihre Liebe zu ihm bekundet, doch wenn er sich mit ihr treffen wollte, hatte sie immer wieder etwas dazwischen geschoben und unzählige Ausreden hervorgebracht, die er, ohne sie groß zu hinterfragen, akzeptiert hatte. Er liebte sie und er vertraute ihr.
Doch jetzt?! Über die Weihnachtstage hatte er allein zu Hause gesessen, hatte sich vor der Welt verkrochen, hatte langsam zugesehen, wie die Hoffnung ihn Stück für Stück verließ.
In einer kalten Winternacht
hat sie mich heimlich umgebracht.
Vergessen längst die Hoffnung all,
ein Traum nur, dann ein lauter Knall.
Er sah nach draußen. Der Schnee hatte eine beachtliche Höhe erreicht. Er mochte diese Zeit ganz und gar nicht. Seit jeher hatte sie ihn betrübt. Noch vor Wochen hatte er gehofft, dass sich das in diesem Jahr ändern würde, doch jetzt war es schlimmer als je zuvor.
Was sollte er machen? Er wusste es nicht. Er öffnete das Fenster und atmete die kühle Winterluft tief ein. Jetzt fing es wieder an zu schneien. Er streckte seine Hand aus, fing die ersten Flocken auf und beobachtete dann, wie sie langsam in seiner Hand schmolzen.
War das alles nur ein Traum? Nein! Dazu war der Schmerz zu real, saß zu tief. Vielleicht hatte sie es nicht beabsichtigt, aber sie hatte sein Herz gebrochen und das nicht nur einmal. Jeden Tag, an dem sie sich nicht meldete, obwohl sie es versprochen hatte, durchbohrte sie sein Herz. Jedes Mal, wenn er sich mit ihr treffen wollte und sie ihn auf ein anderes Mal, irgendwann in der Zukunft vertröstete, schnitt sie tief in seine Seele.
Er hatte schon früher oft darüber nachgedacht, seinem Leben ein Ende zu setzen. Dann würde er diese Einsamkeit nicht mehr spüren, würde überhaupt nichts mehr spüren, wäre endlich befreit.
In einer kalten Winternacht
hat sie mich heimlich umgebracht.
Doch lieg ich erst im weißen Schnee,
verschwunden ist all Ach und Weh.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch. Musste er einen Abschiedsbrief schreiben? Für wen eigentlich? Es gab doch sowieso niemanden, der ihn vermissen würde. Aber irgendetwas wollte er hinterlassen, wollte er ihr zurücklassen. Vielleicht würde sie es das nächste Mal anders angehen?! Vielleicht war ihr das alles aber auch egal?!
Er holte Stift und Papier hervor und schrieb. Es waren schlichte Zeilen, einfach und doch alles erklärend und es passte zudem noch in diese triste und trostlose Zeit. Ein Gedicht, drei Strophen, je vier Zeilen.
Er legte den Stift auf dem Zettel nieder. Dann zog er sich seinen Wintermantel über und ging hinaus in die Nacht. Er zog hinaus durch die weite und stille Winterlandschaft, vorbei an den letzten Häusern der Stadt, durch den verschneiten Wald bis auf eine Lichtung. Am Rand dieser Lichtung ließ er sich auf einer Bank nieder, nachdem er sie vom frischen Schnee befreit hatte.
Dort ritzte er mit seinem Taschenmesser die letzte Strophe in die Bank. Danach legte er sich in den tiefen Schnee und schlief ein.
In einer kalten Winternacht
hat sie mich heimlich umgebracht.
Verschwunden ist all Ach und Weh,
vergraben tief im weißen Schnee.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.12.2009.
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In Schattennächten: Prosa und Reime
von Rainer Tiemann
Was wäre ein Tag ohne die folgende Nacht? Die tiefschwarz, aber auch vielfarbig sein kann. In der so manches geschieht. Gutes und Schönes, aber auch Böses und Hässliches. Heiße Liebe und tiefes Leid. Dieser stets wiederkehrende Kreislauf mit all seinen täglichen Problemen wird auch in diesem Buch thematisiert. Schön, wenn bei diesem Licht- und Schattenspiel des Lebens vor allem Liebe und Menschlichkeit dominieren. In Prosa und Reimen bereitet der Autor ernsthaft, aber auch mit einem Augenzwinkern, diverse Sichtweisen auf. Auch ein Kurzkrimi ist in diesem Buch enthalten. Begleiten Sie Rainer Tiemann auf seinen Wegen „In Schattennächten“.
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