Michael Müller

Das brennende Hemd

Geschichten vom Feuer

Das Hemd

Wo gehobelt wird da fallen Späne, so sagt ein altes Sprichwort.
Man könnte auch sagen wo geschweißt wird brennt die Hose.
Oder das Hemd.
Was heißt dass?
Ganz einfach.
Die meisten Unfälle, die mit einem Feuer enden, passieren eigentlich immer beim schweißen, da man bei dieser Tätigkeit mit einer offenen Flamme umgehen muss.
Aber nicht nur beim Autogen Schweißen, sondern auch beim Schutzgas schweißen kann es zu Bränden oder Verpuffungen kommen.
Ursache ist auf jeden Fall immer der Umgang mit der heißen Flamme.
Die Raucher, die beim Vergaser reinigen, die Kippe nicht aus dem Mund nehmen, schließe ich jetzt hier mal einfach aus.
Den Schweißapparat benutzt man zum schweißen, erwärmen von Gegenständen, oder zum abbrennen von alten Lacken oder Unterbodenschutz.
Es ist stets darauf zu achten das auf keinen Fall brennbare Gegenstände in der Nähe sind, die sich entzünden könnten, denn sonst kann es heiß werden und man ist auf die Hilfe von Feuerlöschern oder sogar der Feuerwehr angewiesen.
Also Schweißen neben einer Papiertonne oder Terpentinbüchse wäre nicht gerade sehr clever, aber passiert doch recht häufig, wie man unlängst auch in der Fernsehserie Notruf sehen konnte.
Aber es gibt tatsächlich Momente, wo man auch indirekt, ohne Zuhilfenahme des Schweißbrenners, etwas zum brennen bringen kann und das ging bei unserem folgenden Falle dann so:
Draußen im Hof unserer Werkstatt, stand ein alter klappriger Wagen, ein Modell wie man ihn heute kaum mehr finden würde und die Motorhaube stand weit offen.
Das Wetter war sehr schön und die Sonne scheinte vom strahlend blauen Himmel herunter, deshalb konnte man auch heute lustig draußen arbeiten und die Sonne genießen.
Mein Vater hatte dies auch erkannt und stand, mit seinem langen blauen Arbeitskittel, vor dem Wagen, oder besser gesagt lag halb in dem Motorraum, da er an dem Vergaser arbeitete.
Es sah aus als ob ihn die gierige Karre fressen wollte, denn mehr als die Beine sah man eigentlich nicht mehr von ihm.
Der verdammte Wagen wollte partout nicht mehr anspringen und so war mein Vater (nicht der Motor) schon heftig am fluchen.
„Heiland Zack was isch au mit dem Scheißvegaser los? Erwartungsgemäß antwortete der Wagen aber nichts.
„Des Scheißdeng goht halt net!“
Mit dem Griff seines Schraubenziehers schlug er energisch gegen die Schwimmerkammer, aber auch das half nicht wirklich.
Er rief dann wütend aus dem Motorraum heraus nach unserem damaligen Auszubildenden und gab im folgende Order:
„Du holl amol a wenga Sprit zom en da Vegaser leera!“
Der Azubi eilte sogleich davon und suchte nervös einen geeigneten Behälter während mein Vater weiter an dem Vergaser klopfte.
Wenn der Chef wütend war beeilte man sich besser, sonst wurde es in der Regel laut.
Das erklärte auch seine Nervosität als der Junge verzweifelt nach dem Behälter suchte.
Leider wurde der Azubi, der bei der Verteilung der Intelligenz nicht laut „Hier“ geschrieen hatte, nicht gleich fündig und war noch immer am suchen als mein Vater fast die Geduld verlor.
Er schrie laut:
„Wia wa isch musch den Sprit erscht no raffinerieren?“
„I komm glei !“ rief der arme Azubi schnell zurück
„Mach noore!“
Der Azubi wurde nur noch nervöser, weil er ja die Wutausbrüche meines Vaters nur zu gut kannte und auch fürchtete.
Nervös kramte er schnell im Mülleimer und fischte endlich eine alte Zweitakt Gemisch Dose heraus.
Mit dieser in der Hand rannte er flugs zu meinem Vater der schon die ersten Zorneswolken ausstieß.
„Do Chef!“ sagte er keuchend und ganz stolz als er meinem Vater die leere Dose entgegen hielt. (wie gesagt er war nicht der hellste!)
„Ja un da Sprit wa isch mit deam?“
„Den muaß e erschd no hola!“
“Ja glaub es denn, auf gohts mach noore!” rief er, mit nun so erhobener Stimme, das dem Azubi davon beinahe die Haare zu Berge standen.
Langsam wurde es ernst.
Schnell rannte der Bua mit flatternder Hose und der Dose in der Hand zu der Tanksäule und füllte sie eiligst auf, mit dem damals noch erschwinglichen Kraftstoff.
Mit der bis zum Rand gefüllten Dose, vorsichtig balancierend, lief er, so schnell es damit eben ging, zu meinem Vater der schon wieder „Auf goads!“ gerufen hatte.
Hans, der Azubi, zog dabei eine ordentliche Spur des, lustig in Pfützen schillernden, Benzins hinter sich her.
Zitternd reichte er dann die Dose meinem Vater, der gleich etwas von dem Sprit in den offenen Vergaser kippte und an dem Gestänge zog wo man Gas gab.
Hans sollte den Anlasser drehen und versuchen ob der verdammte Karren damit nun endlich anspringen würde.
„Wouuuuu aauu auuuuu auuuuuu“ machte der Motor schwerfällig und dann ein zartes „Fump“
Das „Fump“ war jenes Geräusch, das entstand als der Motor zurück schlug und damit den Kraftstoff entzündete, nur nicht da wo er sollte, anstatt im Brennraum, brannte er nun im Vergaser, aus dem zeitgleich eine mächtig große Stichflamme schoß.
Diese wiederum entzündete die Augenbrauen meines Vaters, sowie den Inhalt der 0,5 ltr. Gemisch Zweitaktdose.
Diese Dose, mit einem ordentlichen Rest des Kraftstoffes, die mein Vater noch gewissenhaft in der Hand hielt und die nun feste brannte.
„Ha wia wa isch jetz?“ So an Scheiß!“ rief mein Vater entsetzt, als er erstaunt die brennende Dose in seiner Hand registrierte.
Mit einem folgenden „OH Heiland Zack!“ (Ich weiß man darf nicht fluchen aber es war halt eben so) riß der die Hand samt lustig brennender Büchse aus dem Motorraum.
In der Zwischenzeit war unser Freund Tragin auf den Hof geschlichen und schlich umher.
Freund kann man eigentlich nicht sagen, denn Tragin war eigentlich ein eher ungemütlicher Zeitgenosse, der uns immer die Zeit stahl mit dummen Fragen oder Unnützen Wünschen.
Ein sogenannter Timewaster oder Zeitstehler.
Er hatte ein lange hakenartige Nase, die eher aussah wie ein gekrümmter Schnabel, mit dem er sicher und bequem Würmer, oder Nacktschnecken hätte aufpicken können.
Er war immer äußerst neugierig und versuchte alles mit zu bekommen was in unserem Hause lief.
Es könnte ihm ja selber ein Geschäft durch die Lappen gehen.
Da war wieder etwas im Gange, dachte er als er die lauten Schreie hörte und so hob er auch schnell und interessiert den Kopf mit dem langen Zinken und sah mit listigen Augen, fast lauernd, in die Richtung meines fluchenden Vaters.
Wie ein Geier vor der toten Gazelle.
Er schien förmlich das Unheil zu riechen, so sah er jedenfalls aus, als er prüfend die Nase erhoben hatte.
Mein Vater war mittlerweile in Sekunden Bruchteilen zu der Erkenntnis gekommen das diese Dose da, in seiner Hand, keine gute Sache darstellte und er sie deshalb dringend loshaben wollte.
Mit gehörigem Schwung schmiß er einfach rücklings über die Schulter, das Döschen weit von sich weg.
„Oh Heiland Zack des Scheißbixle brennt wia d´Sau!“ rief er ihr hinterher und fuchtelte wild mit den verbrannten Fingern.
Der Azubi im Auto sah fragend zwischen dem Lenkrad heraus und überlegte ob dieser Vorgang jetzt wohl auch zu der Ausbildung gehöre.
Es sah sehr lustig aus als die brennende Dose, einen ordentlichen Feuerschweif hinter sich herziehend, einem Kometen gleich, weit über den halb geteerten Hof segelte.
Gebannt folgten mein Vater und Stift Hans, mit den Augen, dem fliegenden Döschen.
Die war genau in die Richtung von Tragin unterwegs.
„Heh gang weg !“ schrie mein Vater noch schnell dem erstarrten Tragin zu, der die Situation noch nicht verarbeitet hatte und auch gespannt mit seinem erhobenen Zinken der Flugbahn der fliegenden Dose folgte.
Wie gesagt genau in seine Richtung.
Es brauchte also dadurch etwas länger bis er reagierte und gleichzeitig aber einsah, das er diesem fliegenden Etwas jetzt wohl nicht mehr ausweichen könne.
Aber man kann sagen dann reagierte er blitzschnell, mit einem lauten Fluch auf jugoslawisch.
Das wiederhole ich hier lieber nicht, denn das war nicht jugendfrei.
Er griff blitzschnell mit beiden Händen an seine Jackenaufschläge und riß die weit offen stehende Jacke schnell zu.
Wow das war schnell!
Nur das Büchslein war etwas schneller.
Es war schon nämlich schon drin!
So stand Tragin dann da, jetzt mit der Nase nach unten, Jacke zu und beide Hände an dem Reißverschluß fest verkrampft.
Man sah ihm förmlich an wie froh er war, es noch rechtzeitig geschafft zu haben, die Jacke zu schließen.
Aber da er die Dose nicht mehr sah, oder sein Gehirn mittlerweile den Impuls des Schmerzes endlich weitergeleitet hatte, musste er einsehen, das er hier wohl tierisch Mist gebaut hatte.
Schnell riss er, nach einer kurzen Denkpause, die Jacke wieder auf und heraus fiel eine wüst dampfende Dose.
Brennen tat sie nicht mehr, denn das Feuer war, durch den plötzlichen Sauerstoffentzug, schnell erloschen und daher dampfte das Döschen, wie gesagt, nur noch.
Ebenso Tragins Innenseite seiner Lederjacke und die Reste seines schönen weißen Nylonhemdes das auf seiner Brust geschmolzen war.
Ein urgroßes schwach rauchendes Loch, schwarz und mitten auf der Brust.
Der Schnabel wackelte erregt und es sah zum schreien aus.
Hätte er nicht noch ein Unterhemd getragen wäre wohl auch seine Brustbehaarung verbrannt, so aber war sie aufgrund der großen Hitze nur angesengt und stank lästerlich.
Es dauerte eine ganze Weile bis er Worte fassen konnte.
„Du Chef jetzd mein Hemd ganz kaputt!“ waren seine ersten Worte als er sich wieder fassen konnte.
„Wa musch au so domm do rumstau!“ sagte mein Vater wütend, da er ja gerade Sprit im Werte von ca. 20 Pfennig verschwendet hatte.
Tragin konnte es nicht fassen und stand nun auch noch da wie ein Geier der die Flügel weit auseinander spreizt.
Mein Vater hatte sich inzwischen wieder seinem Motor zugewandt und fluchte dort hinein.
Den armen Tragin ließ er einfach stehen.
Dummerweise hatte auch noch meine Mutter das Schauspiel angesehen, denn das kostete sie schier das Leben, da sie vor Lachen kaum mehr Luft bekam und so rot anlief das wir ernsthaft um ihr Leben fürchteten.
Sie japste nur noch und die Tränen liefen ihr die Backen herunter.
Ab und zu hörte man noch Quietschgeräusche als ob man an einem Luftballon den Anschluß zuhält.
Tragin wurde es langsam peinlich und er schloß verschämt seine dampfende Jacke und trollte sich kopfschüttelnd und murmelnd schnell von dieser Stätte der Schande.
Ich sehe ihn noch heute als ob es gerade passiert wie er sich davon trollte und mein Vater ungerührt weiterschraubte.
Tragin ignorierend.
Der Arme



Unsere alte Werkstatt
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.12.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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