Sie studiert die Heiratsanzeigen in der Wochenendausgabe der Tageszeitung. Nicht, daß sie auf diesem Wege einen Mann suchen würde! Reines Interesse, was so auf dem Markt ist.
Sie war eine kleine Schuhverkäuferin, hatte nur noch ein paar Jahre bis zur Pensionierung. Zugegeben, sie war zufrieden, doch die Wohnung war erfüllt von Erinnerungen an bessere Zeiten. Aber trotzdem wäre es schön, sie mit jemandem zu teilen. Besonders die Abende waren einsam.
Es war sehr interessant, wie die Selbstdarstellungen der Menschen meist an der Wirklichkeit vorbeigehen.
Früher, ja früher, da hat sie sich einen Spaß, daraus gemacht, auf diese Anzeigen zu antworten und sich dann auch Treffpunkte ausgemacht. Man kann ja nicht wissen!
Von all diesen Treffen war außer Frust nichts geblieben.
Sie erinnerte sich noch an den gemütlichen Endvierziger, Beamter mit Haus und Grundstück, der eine liebe häusliche Frau suchte.
Das „gemütlich“ drückte sich in einem überdimensionalen Bierbauch und einem breiten Lachen aus. Sein Haus war eine kleine Hütte in einem Schrebergarten. Eigentlich suchte er eine Frau, die Freude an der Hausarbeit vormittag und an der Gartenarbeit nachmittag hatte. Damit sie dann abends alles gemütlich bei einem Doppelliter Wein genießen konnten.
Dann war da der „reiselustige“ charmante Akademiker. Er suchte eine emanzipierte Frau, die in ihrem eigenen Beruf glücklich war.
Eigentlich studierte er noch, trotz seiner 35 Jahre und wohnte bei Mama. Er suchte, um seiner „Reiselust“ frönen zu können, eine Frau mit Auto, die mit getrennter Rechnung einverstanden war.
Oder dieser Bauingenieur in bestem Alter, mit Motorrad, der sich Biker nannte. Mit ihm konnte man n u r über Motorräder sprechen. Außerdem war er eigentlich Maurer und suchte eine Frau, die ihm stundenlang zuhörte, wenn er über Mischverhältnisse von Beton oder anderen Baumaterialien sprach und die jedes Wochenende Proviant einpackte, das Ledergewand anzieht, mit einer Karte auf den Knien das Ziel im Auge hat.
Oh, und der Modeschöpfer! Er war was ganz besonderes. Er riß die Türe zum Kaffee auf, mit einem Strauß Blumen in der Hand und einer im Knopfloch, trug einen Umhang wie Simon Templar und die Haare zu einem Zopf zusammen gebunden. Er war eine Imitation von Lagerfeld.
Er küßte ihr elegant die Hand und roch nach ganz billigem Duftwasser.
Er stellte sich nach genauer Betrachtung als Änderungsschneider aus Favoriten heraus und suchte eigentlich nur eine Frau als Begleiterin, um seine homophilen Neigungen zu kaschieren.
Nach einiger Überlegung entschloß sie sich, auch eine Anzeige aufzugeben.
Sie schrieb folgenden Text auf:
Daran gewöhnt, mit Menschen die auf großem Fuß leben zu tun zu haben, sucht elegante reifere Frau einen Lebenspartner, der sie auf Händen trägt. Selbst mit Dispositionen von großen Schritten beschäftigt, wäre ein Mann aus der Wirtschaft willkommen.
Na, das klingt ja gut! Zufrieden legt sie die Zeitung zusammen und greift nach dem Telefon.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.12.2002.
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