Andreas Schäffer

Ein ganz normaler Tag

Es sollte für unsre kleine Country Lady ein ganz normaler Tag werden.

Aber was bedeutet das schon - ein ganz normaler Tag - wenn man im Dörfchen Großquader lebt und Country Musik mag.

Hier, wo an jeder Straßenecke Plakate für den ortsansässigen Gesangsverein "Edelweiß" hängen, die zur nächsten musikalischen Kaffeerunde am kommenden Samstag im „Goldenen Hirsch“ einladen und eine Überraschung versprechen, jedenfalls für jeden, der die 7,50 € Ausgabe nicht scheut und sich zu besagtem Event einfindet.

Natürlich wird dahin gegangen, das gebietet schon die Tradition und neugierig ist man ja auch.

Das mit der Überraschung ist so ne Sache.

Es gibt eine undichte Stelle im Verein. Einen Verräter, Verräterin.

Der Müller Georg (Schorsch) jedenfalls weiß es vom Gärtner. Typisch, und der wiederum gibt seine Quelle nicht preis. Dass seine Gudrun die zweite Altbesetzung ist, hat rein gar nichts damit zu tun. Sagt jedenfalls der Gärtner. Und Schorsch hat jeden, den er traf, ganz im Vertrauen....., jedenfalls wissen es nun alle - ganz im Vertrauen eben. Aber dazu später.

Da zwei Drittel des Dorfes Edelweiß-Mitglieder sind, ist der kommende Samstag in aller Munde.

Kein Bäcker- oder Konsumbesuch vergeht, ohne diesen Satz zu hören :" Na, ich seh' Dich dann am Samstag im Hirsch und zieh bitte was passendes an".

Selbst hier im Zeitungsladen bleibt man davor nicht verschont. Wie eben.

Die Bürstenelli – man nennt Frau Kleinschmidt so, weil sie im Geschäft ihres Mannes arbeitet, der wiederum hat sich mal auf den Entwurf und den Vertrieb origineller Zahnbürsten spezialisiert, allerdings mit mäßigem Erfolg. Das läge wohl am Produkt, sagt man. Na wie auch immer, die Bürstenelli kaufte wie jeden Donnerstag ihre „Bunte“ in dem Zeitungsladen, wo unsere kleine Country Lady sich hin und wieder das Geld für ihre Miete verdient. Wie auch an diesem Donnerstag.

Das macht dann wie immer zwei zwanzig Frau Kleinschmidt.“

Hier sind zwei fünfzig – stimmt so.“

Oh danke, Frau Kleinschmidt“

Nicht der Rede wert, ich hab doch was übrig für Menschen, denen Musik was bedeutet. Ach ja, du spielst ja dieses Cowboy Zeug?!“.

Country Musik, Frau Kleinschmidt.“

Das hat's zu meiner Zeit nicht gegeben, da haben wir noch in unseren hübschen Trachten...“

Fast wäre unserer Country Lady herausgerutscht „… vor dem Führer gesungen“, aber sie weiß halt, was sich gehört und so bleibt ihr nichts weiter übrig, als ein Aufmerksamkeit heuchelndes Gesicht zu machen und der Bürstenelli weiter zuzuhören.

... zum ersten Mai auf dem Dorfplatz gesungen. Das waren noch Zeiten. Wir hatten noch Ideale und Sinn für Tradition. So, ich muss jetzt aber. Ich seh' Dich dann am Samstag, aber bitte nicht in diesen Schuhen ..... Stiefeln und überhaupt ... nicht so“

Treffer, das hat gesessen! Genau ein Mal zu viel, dieser Satz. Und da war sie auch schon zur Tür hinaus.

Gut für Bürstenelli, denn es war bereits ein Sony – Werbekugelschreiber auf eine Flugbahn gebracht und in Richtung Kleinschmidt unterwegs.

Sein Ziel, den linken kleinschmidtschen Augapfel verfehlend, besser – nicht vorfindend, schlug er links neben der Tür wie ein Dartpfeil auf dem Schriftzug „Edelweiß“ ein und verblieb da.

Doffe Kuh, doofes Plakat. Ich geh hin am Samstag, aber nur wegen der Leute von der Plattenfirma, Kontakte knüpfen eben. UND ICH ZIEH AN, WAS ICH WILL!“

Hier sind wir nun wieder bei der zu erwartenden Überraschung. Eine Plattenfirma wird am Samstag da sein um die kürzlich vom Pfarrer geschriebene und von Edelweiß vorgetragene Dorfhymne - „Kein Gehader mit Großquader“ - aufzunehmen. Mit Lifeatmo natürlich. Die Aufnahme ist sozusagen das Sahnehäubchen des Gewinnes „Unser Dorf muss schöner werden“, den unsre entschlossene Dorfgemeinschaft konkurrenzlos nach hause gebracht hatte.

An eben diesem Samstag, so sah sie es bereits in ihren Träumen, wird sich die Tür des Saales öffnen, in dem die gesamte Dorfgemeinschaft bereits versammelt ist, staunende Blicke werden auf sie fallen, doch sie geht weiter festen Schrittes in Richtung Produzent. Mit einer gekonnt ein geübten Bewegung, die an ihrer Entschlossenheit nicht zweifeln lässt, schiebt sie die Sonnenbrille auf Ihre Nasenspitze, senkt laszive den Kopf und übergibt mit den gehauchten Worten „ Wenn Du mal richtige Musik hören willst, dann musst Du nur meine Lieder hören“ ihr Demo. Dies wird der Beginn ihrer Karriere, soviel steht fest!

Doch bis dahin sind es noch zwei Tage und seit Bürstenellis Finalsatz sind erst drei Minuten vergangen.

Da steht sie nun hinter dem Verkaufstisch umgeben von all den Stars, die sie von den Titelbildern der Illustrierten ansehen, ja fast hämisch angrinsen.

Wenn man emotional etwas angeschlagen ist, dann will man in so einem Moment schon mal Feuer im Zeitungsladen legen. Aber das Resultat würde die Konsequenzen nicht rechtfertigen und so bleibt es nur beim Stinkefinger in Richtung Bravo - Lady Gaga.

 

 

Sie will doch nur Musik machen. Ihre Musik. Warum versteht das Keiner?

Eine Melodie, ein Text geistert durch ihren Kopf....., schnell was zum schreiben.

 

Doch eines Tages werd' ich mich rächen.
Ich werd' die Herzen aller Männer brechen.
Dann bin ich ein Star, der in der Zeitung steht,
und dann tut es Dir leid, doch dann ist es zu spät!

 

Klasse, das hat Substanz.“ Sie schließt ihr Notizbuch, hält kurz inne, öffnet es, mit dem Entschluss den Satz

Ich werd' die Herzen aller Männer brechen „ zu streichen, lässt ihn aber doch.

Ist halt provokant, dann haben die Leute im Dorf wenigstens mal wieder was zu tratschen“

Mit einem Seufzer der Erleichterung verschwindet das Notizbuch wieder.

Musik sollte eben Musik aus sich selbst heraus sein, ohne Absicht und Doktrin. Eben nur Musik ihrer selbst Willen.

Es weiß ja auch jeder, der unsere kleine Coutry Lady kennt, wirklich kennt, dass sie ihr Herz bereits an den schönen Trainer vom Kegelverein „Gut Holz“ verloren hat. Was für ein Mann!

In diesem Verein ist übrigens das restliche Drittel, die Nichtedelweiße, des Dorfes Mitglied.

Sie sieht zur Uhr – oh, schon kurz nach 6. Schließen, dicht machen, nur weg hier. Um Acht ist Probe.

Die Tageseinnahmen und das Wechselgeld werden dem guten alten Franz Jäger anvertraut, der Anrufbeantworter wird eingeschaltet, Licht aus und Schlüssel rum.

Da sehen wir sie auf ihrem rostigem Rad davon fahren und es neigt sich ein scheinbar „gewöhnlicher“ Tag eines ungewöhnlichen Mädchens seinem Ende entgegen und die Nacht wird voller Musik sein – ihrer Musik.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.01.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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