Hermann Bauer

Das lustige Streichen

Mimi und Hasan wohnten in einem sehr alten Haus. Von den schmutzigen Wänden
blätterte seit langer Zeit schon die Anstrichfarbe ab. Da beschlossen die beiden Tiere,
während der Adventszeit Wände und Decken zu streichen, denn sie wollten am Heiligen
Abend ein frisch gestrichenes Heim haben. Aber welchen Farbton sollten sie wählen?
Vielleicht blau und rot oder doch lieber grün und gelb? Hasan meinte: "Wir streichen alles
weiß, das ist am schönsten." Mimi war aber anderer Meinung: "Du meinst wohl, nur weil du
ein weißer Hase bist, muß alles weiß sein." "Ich könnte mir vorstellen, daß du lieber
schwarze Wände und Decken hättest, nur weil du zufällig eine schwarze Katze geworden
bist", entgegnete der Hase. "Schwarz würde mir tatsächlich besser gefallen als weiß. Aber
um nicht weiter zu streiten, schlage ich vor, wir gehen zu einem Farbengeschäft. Ein
Fachmann kann uns dort sicher gut beraten." Die Idee war gut und so gingen der Hase und
die Katze zu einem Farbengeschäft.
Der Verkäufer hörte sich das Problem der beiden aufmerksam an und sagte:
"Grundsätzlich kann jede Farbe genommen werden. Aber der Farbton sollte zu den Tieren,
die in den Räumen wohnen auch passen. Einem Papagei würde ich bunte Decken und
Wände empfehlen. Das passt zu ihm und er fühlt sich in den Zimmern dann auch sehr
wohl. Jeder Fuchs oder Dachs streicht seine Wohnung braun. Braun wie die Erde in seinen
unterirdischen Gängen. Ein Vogel würde seine Zimmerdecke sicherlich blau streichen. Blau
ist auch der Himmel. Die Wände könnten dann grün wie die Wiesen und Wälder sein."
Das verstanden Mimi und Hasan und die schlaue Katze fragte den Verkäufer: "Und wie
wäre es, wenn wir alles in schwarzen und weißen Streifen streichen würden, das passt
doch dann zu uns beiden?"
Da mußte der Verkäufer herzhaft lachen: "Ihr seid doch keine Zebras! An eurer Stelle
würde ich ein Zimmer weiß, das andere schwarz malen. Dann hat Mimi ihr schwarzes,
Hasan sein weißes Zimmer. Und wenn ein Tier eine andere Farbe sehen möchte, kann es
in das zweite Zimmer gehen und hat die gewünschte Abwechslung. Außerdem passen alle
bunten Wohnungseinrichtungen und Spielsachen gut zu diesen Farben. Stellt euch euren
geschmückten Weihnachtsbaum vor in einem weißen oder schwarzen Raum. Da kommen
die Farben herrlich zur Geltung."
Hasan und Mimi sahen sich begeistert an und sagten: "So machen wir es!" Der Verkäufer
gab den beiden Tieren, was sie zum malern brauchen würden: Je einen Kübel mit weißer
und mit schwarzer Farbe. Außerdem kleine und große Pinsel. Die Farbkübel waren sehr
schwer zu tragen und Mimi und Hasan waren erschöpft, als sie zuhause ankamen.
In den beiden Zimmern, die gestrichen werden sollten, standen Betten, Schränke, Tische,
Stühle, Teppiche und viele Spielsachen. Dies alles mußten Mimi und Hasan aus den
Zimmern tragen. Zuletzt hängten sie die Vorhänge ab, dann waren beide Räume völlig leer.
Durch diese anstrengende Arbeit bekamen beide großen Durst. Mimi trank eine Tasse
Milch und Hasan ein Glas Karot-tensaft. Dann konnte es losgehen. Hasan begann Mimis
Zimmer zu streichen. Er nahm den Deckel des Kübels ab, tauchte einen großen Pinsel in
die pechschwarze Farbe ein und strich zuerst die Decke, dann die vier Wände des
Katzenzimmers. Hasan gab sich große Mühe, deshalb dauerte es lange, bis Hasan alles
schwarz gestrichen hatte. Als er fertig war, wunderte er sich, warum die Katze laut lachte. Als
Hasan daraufhin in den Spiegel blickte, wusste er, warum Mimi sich über ihn lustig machte.
Der ganze Hase war jetzt nicht mehr weiß, sondern überall am ganzen Körper voll
schwarzer Farbe, die von der Decke auf ihn getropft war. Hasan erschrak sehr, beide Ohren
waren geknickt und er weinte jämmerlich und herzerweichend.
Mimi hatte aber schon das Wasser in die Badewanne einlaufen lassen. Hasan sprang in
die Wanne, so daß nur noch seine langen Ohren aus dem Wasser ragten. Mimi seifte den
Hasen ein und bürstete sein Fell. Die Farbe war aber so tief ins Fell eingedrungen, daß
Hasans Fell nicht mehr ganz weiß wurde. Jetzt war er ein grauer Hase.
Nun kam Mimi an die Reihe. Sie musste Hasans Zimmer weiß streichen. Innerlich lachte
jetzt Hasan schon schadenfroh und er freute sich, beobachten zu können, wie das schwarze
Katzenfell von Mimi durch die weiße Farbe weiß werden würde. Hasan hatte sich allerdings
getäuscht. Dazu war die Katze viel zu schlau, den gleichen Fehler wie der Hase zu machen.
Hasan traute deshalb seinen Augen kaum, als er sah, wie Mimi die Decke strich: Mimi band
den Pinsel an eine lange Stange und tauchte den Pinsel nicht so tief in die Farbe ein wie
Hasan es tat. Dadurch war weniger Farbe auf dem Pinsel und es tropfte fast gar nicht. Dann
legte sich Mimi mit dem Rücken auf den Boden und strich mit der langen Stange und dem
Pinsel auf der Spitze die Decke. Die wenigen Tropfen, die herunterfielen, fing Mimi mit ihrer
Pfote auf. Da aber ihre Pfote weiß war, verfärbte sich ihr Fell nicht in einen anderen Farbton.
Alle Tropfen konnte sie natürlich nicht fangen, manche fielen deshalb auf ihre Brust und die
war schon weiß. Als Mimi mit dem Streichen fertig war, sah Mimi genauso schwarz wie
vorher aus. Weiße Pfoten und eine weiße Brust hatte sie schon immer.
Hasan war sehr enttäuscht darüber. Zu gerne hätte er das Katzenfell mit Seife
abgebürstet. Er ärgerte sich sehr über seine Ungeschicklichkeit und Dummheit. Von nun an
mußte Hasan morgens und abends in die Badewanne hüpfen und sich von seinen langen
Ohren bis zu den Pfoten waschen. Und genau am Heiligen Abend war sein Fell wieder so
schön weiß und flauschig wie früher.
Beide Tiere hatten nun ein neu gestrichenes Heim. Sie fühlten sich darin sehr wohl und
sie waren sehr glücklich darüber.
Am 24.12. schmückten Mimi und Hasan gemeinsam den Weihnachtsbaum mit alten
Tier-Motiven aus Holz. Da baumelten bunte Giraffen, Löwen, Vögel, Elefanten und jede
Menge Phantasietiere auf den Zweigen der Tanne. Wie der Farbenverkäufer es schon
angedeutet hatte - der in allen Farben dieser Welt leuchtende und glitzernde Baum wirkte in
dem schwarz gestrichenen Raum sehr schön. Mimi zündete die Kerzen auf dem
Weihnachtsbaum an. Im Zimmer roch es nach Orangen und Zimt. Beide Tiere machten es
sich nun auf der Couch gemütlich, ihre Augen funkelten vor Freude, sie tranken einen
Tier-Punsch, aßen Lebkuchen und sangen gemeinsam die schönsten
Tier-Weihnachtslieder - Lieder, die die Menschen nicht kennen, die aber alle Tiere in der
ganzen Welt an diesem Heiligen Abend singen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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