Wolfgang Scholmanns

Wenn ich Rentner bin

Endstation! „Endlich Urlaub, mach`s gut Du alte Straßenbahn. Wir sehen uns in drei Wochen wieder.“  Fiete hatte Urlaub. Die Fabrik musste nun eine Zeit lang ohne ihn auskommen, aber das würde sie irgendwann sowieso müssen. Fiete ist fast sechzig und freute sich schon auf den Ruhestand. „Sechs Jahre noch“, hatte er zu seinem Kollegen Heinz gesagt, „sechs Jahre, dann habe ich Zeit für meine Hobbys.“ Fiete war mit Leib und Seele Angler und hatte auch schon manch kapitalen Fisch an Land befördert. Auch sammelte er leidenschaftlich gerne Pilze. Im Alter von zwanzig Jahren hatte er damit begonnen Mykologie, so nennt man die Lehre von den Pilzen, zu studieren und auch die Prüfung zum Pilzsachverständigen hatte er abgelegt. Oft sah man ihn durch die Wälder streifen. Was manchem Nachbarn oder Bekannten  seltsam vorkam war, dass Fiete, zu fast jeder Jahreszeit, zum Verzehr geeignete Pilze mit nach Hause brachte. „Pilze wachsen nicht nur im Herbst, meine Lieben“, hatte er oft gesagt. „Der versierte Pilzsammler kennt nun mal eine Menge mehr dieser leckeren Hütchen als diese Sonntagssammler.“

Auf dem Heimweg kam er an einer Trinkhalle vorbei. Drei junge Männer, jeder von ihnen hatte eine Flasche Bier in der Hand, grölten „altes, deutsches Liedgut“ in den nahenden Abend. „Na Opa, die Lieder kennste doch auch noch, oder?“, sprach ihn ein Glatzkopf an. Fiete ging weiter. „Hey Alter, hörste nicht? Ich hab gesagt Du sollst mitsingen.“ Der Typ riss an Fietes Mantel und gab ihm, mit der flachen Hand, einen Schlag vor die Stirn. Fiete stieß ihn zurück. „Verschwindet Ihr Rotznasen und lasst mich nach Hause gehen. Ich habe den ganzen Tag schwer malocht.“

„Fass unseren Kumpel nicht an, Du Missgeburt“, hörte er noch, dann sank er zu Boden. Einer der Jugendlichen hatte ihm eine Flasche Bier auf den Kopf gehauen. Sie traten noch einige Male auf den armen Kerl ein, trafen Gesicht, Brust und Rücken, verschwanden aber ganz schnell, als sie den Trinkhallenbesitzer mit einem Handy am Ohr an der Türe stehen sahen.

 

Vierzehn Tage lag Fiete im Koma. Mehrere Rippenbrüche, Prellungen und Platzwunden sind verheilt, aber durch die Gehirnprellung kam es zu einem bleibenden Ausfall von Gehirnnerven. Riechen und hören kann Fiete nicht mehr, Geruchsnerv und  Hörnerv sind betroffen. Die schweren motorischen Störungen werden vielleicht durch Rehabilitationsmaßnahmen etwas besser werden, glauben die Ärzte.

Fiete ist jetzt Rentner, er vermisst seinen Job und seine Kollegen. In gewissen Abständen  sieht er sich Filme an, die über Angelerlebnisse berichten. Manchmal blättert er in seinem Pilzfotoalbum …………… und manchmal, sieht man ein Tränchen über seine Wangen rollen.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.02.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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