Jürgen Berndt-Lüders

TESS POLY IM EINSATZ (4). Küchenprobleme

Bei Tess klingelt das Handy. Melodie: OH DU SCHÖNER WESTERWALD. Tess klickt sich rein und meldet sich. „ Tess Poly am Apparat. Bitte melden.“

 

„Streber hier. Frau Poly. Sie waren wohl gestern nicht im Dienst? Es liegen gar keine Knöllchen vor. Es kann doch nicht sein, dass niemand falsch geparkt hat. Sie hätten sich zumindest krank melden müssen, wenn sie schon keine Lust zum Arbeiten hatten. Das macht doch jeder so, der im Öffentlichen Dienst ist.“

 

„Ich war ja gar nicht krank, und Lust hatte ich auch. Aber wieso meinen sie, dass es nicht mal einen Tag geben könnte, wo niemand falsch parkt?“

 

„Ehrlich gesagt, wir haben einen Testfalschparker in ihrem Gebiet eingesetzt. Um ihre Arbeit überprüfen zu können. Sie haben ihn nicht erwischt.“

 

„Das finde ich nicht fair. Und wenn ich ihn erwischt hätte? Wer hätte dann das Geld für das ausgefüllte Erfassungs- und Verfolgungsformulare für sich verkehrsordnungswidrig verhaltende Verkehrsteilnehmer im Ruhenden Verkehr bezahlt?“

 

„Der Testfalschparker natürlich. Es zahlt immer der Halter. Aber wir haben ihn mit einem Dienstwagen falsch parken lassen. Und wenn der falsch parkt, müssen wir ja nichts berappen. Sonst würde das Geld ja nur von der linken in die rechte Hand wechseln.“

 

„Sonst würde  der Testfalschparker aber auch ein schlechtes Geschäft machen. Erst setzen sie ihn ein, um mir eine Falle zu stellen, und dann muss er den Einsatz auch noch selber bezahlen.“

 

„Das ist doch immer so. Denken sie mal an ihre ehemaligen Bundeswehrkollegen im Auslandseinsatz. Erst nimmt man sie ihren Familien weg, weil unsere Freiheit Tausende von Kilometern entfernt verteidigt werden muss, und dann kommen sie dort zu Schaden.“

 

Tess überlegt. „Stimmt. Gute Idee, das Risiko zu verlagern. Ich werde meinen Kameraden raten, ihre Oma in den Auslandseinsatz zu schicken. Die muss sowieso bald sterben und sie selbst zahlen dann nicht die Zeche.“

 

„Etwas zynisch, aber nicht ganz falsch. Was war denn nun gestern mit ihnen?“

 

„Ich habe gestern auf meine neue Küche gewartet. Aber weil die von der Lieferfirma alle nicht beim Bund waren, kam die erst gestern Abend.“

 

„Wenn der Bund die Küche im Auftrag gehabt hätte, bräuchten sie jetzt zwei Wochen Urlaub. Eine Woche fürs Warten und eine für den Aufbau.“

 

„Der Dienstweg muss eben eingehalten werden, Dienstgrad für Dienstgrad abwärts. Urlaub könnte ich aber schon gebrauchen, Herr Chef Streber.“

 

„Zum Einräumen?“

 

„Nein, zur Kontrolle. Immer, wenn ich die Küchenschublade schließe, klirrt es, und hinterher stimmt die Ausrichtung nicht mehr. Alles verschiebt sich.“

 

Streber lacht. „Sie kontrollieren also auch? Haben sie denn noch einen Rest von dem Kleber, mit dem sie ihr Schiffchen am Kopf...“

 

„...sie meinen das Cappy.“

 

„Meinetwegen. Der mit dem sie das Cappy festgeklebt haben also. Damit könnten sie das Besteck ankleben.“

 

„Gute Idee, oder ich mache mir nur noch Suppen. Löffel liegen stabiler. Aber mit dem Kühlschrank habe ich auch Probleme. Wer sagt  mir, dass auch wirklich das Licht ausgeht, wenn ich die Tür schließe?“

 

„Schauen sie doch auf den Zähler. Wenn er aufgehört hat zu laufen, ist das Licht im Kühlschrank aus. Ob er läuft oder nicht, erkennen sie daran, ob sich der Strich bewegt oder nicht.“

 

„Der Strich ist nicht mein Einsatzgebiet, Herr Chef Streber. Wenn ich da was zu sagen hätte...“

 

„...würden sie die armen Mädels alle im Absoluten Halteverbot arbeiten lassen. Nur, damit sie die Freier aufschreiben können. Stimmt’s?“

 

„Jetzt ist da nur Halteverbot. Ihre persönlichen Teilzeitgeliebten werden sie wohl doch innerhalb von 3 Minuten ein- und aussteigen lassen können, Herr Chef Streber. Vielleicht dauert der ganze Akt aber auch nicht länger.“

 

Streber lacht. „Ich bin glücklich verheiratet. Ich muss dort nicht hin. Aber vielleicht machen wir da doch Absolutes Halteverbot.“

 

„Schön, dann kriege ich mein Soll wenigstens immer zusammen. Aber dann wandert auch das Geld von einer Hand in die andere. Beim Bürgermeister jedenfalls.“

 

Streber gluckst von Lachen und versucht dies zu verbergen. „Nicht nur deshalb.“

 

„Weshalb denn noch?“

 

„Dann haben sie wenigstens Grund, die Freier anzuquatschen, liebe Frau Poly. Manchmal wirken sie auf mich so feurig wie eine lebende Granate. Meine Frau tut mir zur Vorsicht schon Soda ins Essen, wenn sie weiß, dass wir beide eine möglicherweise intime Dienstbesprechung haben.“

 

Tess seufzt tief und (in)brünstig. „Sie bringen mich da auf was. Ich könnte auch Uffz Wackernagel anfordern.. Der ist nun auch auf Reserve, und der könnte auch auf meine Küchenschubladen aufpassen, wenn ich mal im Dienst bin. Und sie könnten am Strich alles beim alten lassen.“

 

„Sehen sie, hinter jeder erfolgreichen Frau steht immer ein Mann, Frau Poly. Früher war das umgekehrt.“

 

„Gute Idee, der steht dann hinter mir und gibt mir Feuerschutz, wenn ich angreife, Herr Chef Streber. Übrigens: wie sieht es mit dem Du aus? Meine Probezeit ist vorbei.“

 

„Meinetwegen. Bei der nächsten Dienstbesprechung stoßen wir darauf an. Und sagen sie mir Bescheid, wenn ihr Liebhaber da ist. Das Soda schmeckt mir einfach nicht.“

 

„Roger, Herr Chef Streber, over and out. Da kommt gerade ein potentieller Falschparker. Ach nee, das ist der Herr Bürgermeister, und den darf ich ja nicht...“

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Jürgen Berndt-Lüders).
Der Beitrag wurde von Jürgen Berndt-Lüders auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.02.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Jürgen Berndt-Lüders als Lieblingsautor markieren

Buch von Jürgen Berndt-Lüders:

cover

Hass am Camino Frances von Jürgen Berndt-Lüders



Der Jakobsweg ist Sinnbild für Frieden und Ausgleich, und trotzdem gibt es auch hier Subjektivität und Vorurteile.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (3)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Skurriles" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Jürgen Berndt-Lüders

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Anlässe, ICH LIEBE DICH zu sagen von Jürgen Berndt-Lüders (Zwischenmenschliches)
Er war BEIRUT von Dieter Christian Ochs (Skurriles)
Versteh' einer die Frauen... von Robert Kuehl (Satire)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen