Klaus-Peter Behrens

Der Wanderer (ein Entwurf)

Liebe Leser,

Ihr seid meine besten Kritiker. Bisher habe ich fast ausschließlich Parallelweltgeschichten geschrieben. Nun wollte ich mich zur Abwechslung an eine "echte" Fantasygeschichte heranwagen. Eine Herausforderung! Dafür brauche ich Unterstützung, von Euch! Schreibt mir, was Ihr davon haltet, ob ich es fortsetzen oder lieber bleiben lassen soll. Wie auch immer, jede Meinung ist gefragt.

Euer

Klaus-Peter Behrens

 

Prolog

Eisige Winde fegten über die zerklüftete Ebene und peitschten Graupelschauer Richtung Süden. Eine Erinnerung daran, daß die Grenze des ewigen Eises nicht weit entfernt war.
Soweit das Auge reichte, erstreckte sich eine karge Landschaft, bar jeglichen Lebens, abgesehen von ein paar kümmerlichen Pflanzen, die dem eisigen Wetter trotzten. Nur selten wagte sich jemand in diese finstere Region, und noch seltener kehrte jemand von hier zurück.
Vielleicht lag es an der unerbittlichen Kälte, die selbst im Sommer noch zu spüren war oder an den immer wieder unverhofft hereinbrechenden Schneestürmen, die einen unvorbereiteten Mann leicht erfrieren lassen konnten.
Vielleicht lag es aber auch an etwas anderem....  
Hinter vorgehaltener Hand munkelte man von finsteren Wesen, die hier ihr Unwesen treiben sollten. Von Eisdämonen aus dem hohen Norden, die sich auf der Suche nach Beute mitunter bis in diese Region vorwagten.
Die Wenigen, die zurückkehrten, berichteten von seltsam geformten, mannsgroßen Felsbrocken, die sie für die Überreste versteinerter Lebewesen gehalten hatten. Für immer festgehalten in ihrer Qual.
Unsinn, widersprachen die Zweifler, denen bei diesen Berichten alles andere als wohl zumute war. Der eisige Wind habe den Stein über viele Winter hinweg geformt und so die seltsamen Gebilde erschaffen. Allerdings hatte keiner der Zweifler jemals den Mut aufgebracht, diese These vor Ort zu überprüfen.
Es war eben eine Gegend, die lebensfeindlicher nicht sein konnte.
Und doch bewegte sich dort etwas unter dem grau verhangenen Himmel.
Ein einzelner Reiter.
Tief über das Pferd gebeugt, die Kapuze zum Schutz vor den eisigen Winden ins Gesicht gezogen, trieb er sein Reittier zu Höchstleistungen an. Das Donnern der eisenbeschlagenen Hufe auf dem steinigen Boden bot einen unheimlichen Kontrapunkt zu dem schaurigen Heulen des Windes.
Allerdings nahm der Reiter dies kaum wahr, denn ein anderes Geräusch, gerade an der Grenze des Wahrnehmbaren,  beherrschte sein Denken und ließ ihn vor Angst schaudern.
Ein bösartiges Jaulen.
Nicht allzu weit entfernt.  
Als würde eine ganze Schar verdammter Seelen auf den Winden reiten, dachte der Reiter. Ein bitterer Zug bildete sich um seinen Mund unter dem eisverkrusteten Bart, als ihm gewahr wurde, daß der Vergleich gar nicht so abwegig war.
Allerdings war die Wahrheit noch eine Spur erschreckender.
Immer wieder warf er furchtsame Blicke zurück, aber mehr als ein paar Schemen in der Ferne konnte er nicht ausmachen. Aber das genügte ihm vollkommen. Er wußte auch so, wer ihm auf den Fersen war.
Valogs.
Die Wächter des Eisreiches. Drei mal so kräftig wie ein ausgewachsener Wolf und mit mörderischen Reißzähnen und Klauen ausgestattet.
Und sie hatten einen guten Grund, ihm zu folgen.
Die Furcht sickerte bei diesem Gedanken in seine Glieder. Mit zitternder Hand tätschelte er den Hals seines Pferdes, das im rasenden Galopp geradezu über die Ebene flog. Es weiter anzutreiben wäre sinnlos, da es instinktiv spürte, in welcher Gefahr sie schwebten und bereits sein bestes gab.
Aber würde das genügen?
Nervös glitt sein Blick über die kaum sichtbare Linie am südlichen Horizont, die sich dort endlos nach Westen und Osten zu erstrecken schien.
Eine Mauer, die die Welt begrenzte.
In gewisser Weise war dies sogar zutreffend, denn das dunkle Bollwerk war nichts anderes als das nördliche Ende eines gigantischen Waldes.
Der Tylas Gran, Heimat der Elfen und die einzige Rettung im Umkreis von hunderten von Meilen. Selbst die Valogs respektierten diese Grenze. Allerdings nur aus Furcht vor dem, was sich zwischen den dunklen hoch aufragenden Stämmen verbarg.
Auch dieses Gebiet barg viele Gefahren und hatte schon so manchen unvorsichtigen Reisenden verschluckt. Allerdings gab es dort keine reißenden Bestien wie die, die ihm auf den Fersen waren. Jedenfalls hoffte der Reiter dies, während sie Meile um Meile über die karge Ebene dahin jagten. Er hatte ohnehin keine Wahl.
Ein Blick zurück bestätigte ihm das Schlimmste.
Seine Verfolger hatten aufgeholt.
Noch konnte er keine Einzelheiten erkennen, aber er hatte keinen Zweifel, daß sich das schnell ändern würde.
Allmählich traten nun die ersten Konturen der Waldlinie aus dem Dunst hervor. Statt einer undeutlichen, dunklen Linie, konnte der Reiter nun knorrige, hoch aufragende Bäume erkennen, die bereits zu Zeiten des großen Krieges die Ebene begrenzt haben mußten.
Und noch etwas schälte sich aus dem Dunst heraus und ließ den Reiter aufatmen.
Der einzige, für ein Pferd zugängliche Eingang in dieses uralte Bollwerk aus dicht beieinander stehenden Fichten, Tannen und Kiefern.
Die Erinnerung daran, warum diese Straße einst durch den Wald geschlagen worden war, war lange verblaßt, und doch war sie noch immer vorhanden. Ein steinerner Pfad in der Breite eines Karrens, der sich schnurgerade durch den Wald zog. Obwohl der Pfad Generationen von Menschenleben alt war, hatte er auf nahezu magische Weise der Vegetation getrotzt. Kein Grün sproß zwischen den Steinen hervor, und kein Ast versperrte den Weg. Trotzdem sah der Pfad nur selten Reisende, denn der Norden jenseits des Waldes war öde und karg, und die wenigen Holzfäller, die aufgebrochen waren, um sich an den natürlichen Rohstoffen des Waldes zu bedienen, waren nie zurück gekehrt.
Es war ein unheimlicher Weg, um den sich furchteinflößende Geschichten rankten, und doch erschien er dem Reiter wie der Eingang zum Paradies. Im Stillen dankte er seinem treuen Pferd für seinen Orientierungssinn, denn genau auf diesem Weg war er vor vielen Monden in dieses unwirtliche Land gekommen. Er fragte sich nur, ob er auch auf diesem Weg wieder entkommen würde.
Erneut schaute er zurück und schluckte. Seine Verfolger waren ihm jetzt gefährlich nahe gekommen. Deutlich konnte er nun die weißen Reißzähne und gewaltigen Klauen erkennen, die in unvorstellbarer Geschwindigkeit über den felsigen Untergrund flogen. Triumphierendes Jaulen scholl zu ihm hinüber.
Angewidert wandte sich der Reiter ab. Eine Meile galt es noch zu überwinden, bevor sie im Wald untertauchen konnten, vorausgesetzt, sein Pferd würde durchhalten.
Schaumfetzen flogen dem Reiter jetzt immer häufiger ins Gesicht, und in seinen Schenkeln spürte er das Zittern des stolzen Reittiers. Es war am Ende seiner Kräfte. Nur die Angst vor dem unvorstellbarem Grauen, das ihnen im Nacken saß, hielt es davon ab, einfach zusammenzubrechen.
Erneut fixierte er die nahe Waldlinie.
Eine halbe Meile.
Der Reiter wandte sich nicht mehr um. Er spürte ohnehin, daß die Bestien nur noch wenige hundert Schritt hinter ihm waren. Statt dessen war sein Blick starr auf den steinernen Pfad gerichtet, dem sie sich in rasendem Tempo näherten.
Noch eine Viertelmeile.
Dann hatten die Verfolger sie eingeholt.
Es waren drei.
Zwei der furchteinflößenden Kreaturen nahmen den Reiter von beiden Seiten in die Zange, während die dritte Kreatur abwartete. Rote, vor Haß glühende Augen fixierten den Reiter, der seinerseits mit einer erstaunlich wendigen Bewegung einen hölzernen, gedrechselten Stab aus einer ledernen Sattelhalterung zog, dessen Enden in einem tiefen Rot zu leuchten begannen und sich auf den Angriff vorbereitete.
Der erfolgte ohne Zögern.
Mit einem gewaltigen Satz sprang die Kreatur zur Rechten den Reiter an. Das tiefe Knurren, das den Angriff begleitete, verwandelte sich jedoch in ein schrilles Winseln, das abrupt abbrach, als sich ein Ende des leuchtenden Stabes präzise in ihren Körper bohrte und den Angriff mitten in der Luft abblockte. Der Geruch nach verbranntem Fell und verschmortem Fleisch drang dem Reiter für einen Augenblick in die Nase, während er den Stab herauszog und sich dem zweiten Angreifer zuwandte.
Diesmal reagierte er jedoch einen Augenblick zu spät.
Zwar konnte er den Angriff blocken. Einem wütenden Hieb konnte er hingegen nicht mehr entgehen. Tief gruben sich die sichelförmigen Klauen des Valogs in sein linkes Bein. Ein brennender Schmerz, als hätte jemand sein Bein mit siedendem Öl übergossen, raste durch seinen Körper. Für einen winzigen Augenblick verwandelte sich die Welt um ihn herum in ein Kaleidoskop aus glühenden Farben, die ihn zu verzehren schienen. Dann sah er wieder klar und wußte, daß nun das Aus endgültig gekommen war.
Der dritte Valog hatte die Gunst der Stunde genutzt und sich vor sie gesetzt.
Nur wenige Schritt vor dem Pfad in den Tylas Gran.
Sprungbereit wartete er dort auf seine Beute, die sich in wahnwitzigem Tempo näherte. Aber er hatte nicht mit dem Mut und den Fähigkeiten des stolzen Reittiers gerechnet, das sein Reiter in vielen Jahren in allen Stilarten des Reitens unterrichtet hatte. Mit einer Anmut, die der Valog einem Pferd niemals zugetraut hatte, setzte es zu einem gewaltigen Sprung an, der es geradewegs über den verblüfften Jäger hinweg katapultierte. Beim Aufkommen strauchelte es lediglich einen Augenblick, um im nächsten Moment mit donnernden Hufen in den Wald hinein zu jagen, während hinter ihnen das enttäuschte Jaulen der Valogs in den Himmel stieg.
Sie hatten es geschafft.
Am ganzen Körper vor Erschöpfung zitternd blieb das Pferd ein paar Dutzend Schritt weiter stehen. Es war am Ende seiner Kräfte.
„Braves Mädchen“, ächzte der Reiter, der vor Schmerzen noch immer halb benommen war und dankbar den schweißnassen Hals seines Pferdes tätschelte. Dann wandte er sich um. Sein Blick begegnete drei glühenden Augenpaaren, die ihn haßerfüllt fixierten. Aber die Valogs wagten nicht, ihm zu folgen.
Ein unüberwindbares, unsichtbares Hindernis schien zwischen ihnen zu stehen.
Die Grenze des Tylas Gran.
Mit einem letzten wütenden Knurren drehten sie sich schließlich wie auf ein Kommando um und verschwanden dahin, woher sie gekommen waren. Mit Genugtuung registrierte der Reiter jedoch, daß einer von ihnen dabei merklich hinkte, was ihn wieder an seine eigene Verletzung erinnerte, die schmerzhaft brannte.
Valoggift.
Schleichend und tödlich.
Er brauchte dringend Heilpflanzen, oder er würde sterben. Und noch eine andere Gefahr drohte. Die Valogs waren nicht die einzigen, die ihn verfolgten. Weit aus schrecklichere Kreaturen, die sich nicht von diesem Wald abhalten lassen würden, würden schon bald nach ihm suchen, jetzt, da sie wußten, daß er am Leben war. Seine lang aufrechterhaltende Tarnung, die Legende um seinen Tod, war unwiderruflich dahin. Mit Schaudern erinnerte er sich daran, wie die mentalen Finger des Düsteren in seinem Innersten herum getastet hatten auf der Suche nach dem Ort, wo der letzte seiner Art verborgen war.
War dieses gut gehütete Geheimnis nun gelüftet?
Falls ja, befand sich ein junger, ahnungsloser Mann in höchster Lebensgefahr. Der Düstere würde alles tun, um ihn zu beseitigen oder noch schlimmer, versuchen ihn auf seine Seite zu ziehen, sollte es ihm nicht gelingen, den Jungen vorher in Sicherheit zu bringen.
Er seufzte tief.
Das Schicksal dieses Jungen und das des gesamten Mittelreichs lag nun in seinen Händen. Keine leichte Aufgabe für einen Mann seines Alters, der zudem noch schwer verletzt war.
Mit einem Stöhnen glitt er aus dem Sattel und besah sich die Wunde.
Sie sah schlimm aus.
So gut es ging behandelte er die Wunde mit ein paar Heilkräutern aus seiner Satteltasche und legte dann einen Pressverband an, der die Blutung eindämmen sollte. Schweißperlen traten ihm bei dieser Tätigkeit auf die Stirn. Nachdem dies erledigt war, zog er sich mühsam wieder in den Sattel und ließ sein Pferd langsam antraben. Er konnte es sich nicht leisten, noch mehr Zeit zu verlieren. Zuviel stand auf dem Spiel. Sein Blick streifte kurz die Sonne die tief im Westen stand und im Begriff war, außergewöhnlich blutrot unterzugehen, als würde sie den Krieg, ankünden, der den Boden dieser Welt bald in Blut tauchen würde.


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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