Petra Virbinskis

Der Weihnachtsmann kommt nicht mit Schlitten...

Der Weihnachtsmann kommt nicht mit Schlitten...

Alle Jahre wieder drängt sich die Überlegeung auf, - “Was schenke ich den Kindern dieses Jahr?“
Waren sie auch noch vor 60 Jahren mit Zuckerkringel (die es kaum gab) und Nüssen zufrieden. Damals gab es schon leuchtende Kinderaugen, wenn sie außer Steckrüben und Brot zu Weihnachten etwas Anderes zu Essen bekamen. Oh ja... da war es noch schön, Weihnachtsmann zu sein!

Ich erinnere mich noch an die kleine Heidi. Sie war damals gerade mal 2 Jahre alt und lebte mit ihren drei älteren Brüdern beim Vater. Es war eine arme Familie, wie es sie zu der Zeit tausendfach gab. Die Menschen gezeichnet von Hunger und Kriegswirren, ausgemerkelt und nicht selten von einer Hoffnungslosigkeit gezeichnet, wie sie kaum zu beschreiben ist. Ich sage euch, es war eine bedrückende Zeit.

Ich dachte mir, da das Kind keinerlei Spielzeug besaß, ich schenke ihr eine kleine Puppe. Nichts besonderes, einfach eine kleine Puppe ohne jeglichen Schnickschnack, den gab es damals ohnehin nicht.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie diese Kinderaugen leuchteten. Es hat so viel Spaß gemacht dem Kind diese einfache, kleine Puppe zu schenken, wie es mir lange danach keinen Spaß mehr machen wollte. Sie war so glücklich und ließ diese Puppe nicht mehr aus ihren Armen und mir wurde ganz warm ums Herz.
Übrigens wußte die kleine Heidi dieses Geschenk wirklich zu schätzen im Gegensatz zu manchen, oder sagen wir, den meisten Kindern von heute.

Ja, --- das waren noch Zeiten...

Später, als Heidi längst erwachsen war, beschenkte ich natürlich auch ihre kleine Tochter. Aber es war schon einen Tick anders. Man sollte es nicht für Möglich halten, wie die Zeiten sich wandeln.
Nur 25 Jahre später - in der Zeit des sogenannten “Wirtschaftswunders“, gab es zwar immer noch arme Menschen zu Genüge, aber doch hatte sich Vieles verändert. Die Läden waren voll mit Waren jeglicher Art und Spielsachen gab es...

Kaum zu glauben!

Natürlich mußten die Kinder von damals viele Dinge besitzen, denn die Eltern hatten ja doch überwiegend genug Kapital zur Verfügung, um es in Spielzeug umwandeln zu können...

Was das jetzt mit dem Weihnachtsmann zu tun hat?
Ach, ihr seid auch der fälschlichen Auffassung, daß ich alles aus eigener Tasche bezahle?
Nein...!!! Sonderwünsche müßen die Eltern mitbezahlen.

Ohne Geld, keine Extras!

Wo kämen wir denn da hin? Dann wäre ich ja ein armer Mann. Ihr müßt schon einsehen, auch ich habe meine Unkosten!
Was das wäre? Na, überlegt doch mal.

Zum einen kostet die Wartung meines Schlittens auch Geld, obwohl.... früher war es nicht so teuer, wenn ich es recht bedenke. Und das bischen Stroh und Futter für meine Rentiere konnte ich mir auch weitestgehend von den Feldern holen, aber heute....?

Zumindest kam ich damals aber noch mit meinem einfachen Schlitten aus. Es wurde zwar von Jahr zu Jahr immer schwieriger alles auf ihm zu verstauen, aber irgendwie klappte es, dank meiner guten Stapeltechnik immer noch ganz gut.

Als ich die kleine Lisa beschenkte, war es schon ganz schön gewagt, mit so einem überfüllten Schlitten, samt Anhänger, durch die Lüfte zu sausen. Ich hatte schon Angst, einen Strafzettel zu bekommen, aber zum Glück achteten die Verkehrspolizisten an Weihnachten nicht so genau auf die Zuladungsbegrenzung!

Ich war auch heilfroh, als Lisa ihre Geschenke alle hatte, denn nach dem entladen der Geschenke, was wirklich nicht wenig war, glitt mein Schlitten wieder viel leichter und schneller durch die Luft. Auch die Tiere mußten sich nicht so anstrengen, um ihn ziehen zu können.

Natürlich verrate ich euch gerne, was die kleine Lisa bekam. Also...
Da gab es einen Kaufmannsladen mit reichlich Zubehör und einen dunkelblauen Puppenwagen mit dazugehöriger Puppe. Natürlich nicht eine so einfache Puppe, wie sie ihre Mutter 25 Jahre zuvor bekam, nein - immerhin war es schon eine Sprechpuppe.

Die war lustig.
Wenn man an dem Ring an ihrem Rücken zog, dann krächzte sie “MAMA“ und “HALLO“.

Natürlich habe ich das ausprobiert. Ich mußte doch wissen, ob das funktioniert...

Ja, ...und dann bekam Lisa noch einen Grundbaukasten von Lego... ein riesiges Paket Filzmalstifte, Blöcke im Dreierpack, Knetmasse... ach ja - und ein Fahrrad!
Von den vielen Süßigkeiten rede ich an dieser Stelle lieber nicht, obwohl es bei der Menge gar nicht auffiel, daß ich mir heimlich einen Schokoladenweihnachtsmann davon genommen hatte. Wer so viel schleppt, hat großen Hunger!

Lisa war an diesem Abend zwar etwas aufgeregt, aber ich vermißte das Leuchten in den Kinderaugen. Erst dachte ich ja, ihr würden die Geschenke nicht gefallen, was durchaus schon üblich war bei den Kindern, aber dann bemerkte ich, daß die Kleine fiebrige Augen hatte und das die Wangen nicht vor Aufregung gerötet waren, sondern von dem hohen Fieber.
Mir tat es schon richtig leid, daß ich ihr Unzufriedenheit unterstellte, denn sie konnte ja nichts dafür. Schade war es schon, dass sie gar nicht richtig mit den Spielsachen spielen konnte, weil sie kurz darauf erst mal ins Krankenhaus kam. Blinddarmdurchbruch!

Ja, das stimmte mich schon traurig, aber ich mußte ja weiter zur nächsten Familie. Die kleine Lisa hat es natürlich gut überstanden und so durfte ich 20 Jahre später ihre kleine Tochter beschenken.

Nun wurde es schon extrem schwierig mit dem Schlitten und ich überlegte mir, ob ich mich nicht motorisiert fortbewegen sollte. Einen großen LKW hätte ich schon gut brauchen können... Aber da waren ja auch noch die Rentiere, die dann keine Aufgabe mehr hätten und unnötig Kosten verursachen würden. Und die gute alte Tradition....

Es war schon schwierig, denn teilweise mußte ich zu ein und derselben Familie zweimal fahren, um alles mitzubekommen. Das hat natürlich erheblich viel Zeit gekostet und ich mußte Aushilfsweihnachtsmänner beschäftigen. Da kamen ungeahnte Kosten auf mich zu, aber ich wollte noch an der guten alten Tradition festhalten.

Was die kleine Emily bekam...? Das würde jetzt wirklich zu lange dauern, um das alles aufzuzählen.

Na gut, aber nur einen kleinen Teil davon... Also, da waren: Ein kleiner tragbarer Fernseher... Videorecorder mit Videos... ein Kasettenrecorder mit etwa 10 Märchenkasetten... einige Bücher... Barbieauto samt Zubehör und Vieles mehr...

Nach langem Hin und Her und der Berechnung der imensen Kosten, kam ich schweren Herzens doch zu dem Entschluß, daß etwas Größeres an Transportmittel her müsse. Also baute ich meinen Fuhrpark extrem aus und wurde Chef von bescheidenen tausend Angestellten. Es können auch ein paar hundert mehr gewesen sein, ich weiß es gar nicht so genau. Dazu müßte ich erst einmal in der Buchhaltung nachfragen.

Ihr könnt euch wohl Vorstellen, daß die Anschaffungskosten extrem hoch waren, aber die Eltern griffen für ihre Kinder gerne in die Kasse, denn mittlerweile gibt es ja fast ausschließlich nur noch Extras!

Wie spät ist es eigendlich?
WAS??? Schon fünf vor Heiligabend? Wie schnell doch die Zeit vergeht, beim Erzählen...

Entschuldigt mich bitte, ich muß noch das Beladen des Truck´s für Emily´s Kinder beaufsichtigen, denn wenn man nicht immer selber dabei ist, dann vergessen die Angestellten den weißen Coca-Cola Schriftzug am Truck zu überstreichen.
Ist übrigens ein gewinnbringendes Nebengeschäft für mich geworden. Von irgendetwas müssen die Unkosten doch gedeckt werden und leben will man ja schließlich auch noch.

Also. ich muß dann jetzt los. Machts gut und bis nächstes Jahr.

......

“ OTTO!!! SCHMEISS NICHT DAUERND DIE COMPUTER FÜR DIE KINDER SO WÜST AUF DEN WAGEN....!!!“






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