Fritz Lenders

...ein rasanter Flug ( vom Rad )...

...ich würd mal sagen, es wird  1969 gewesen sein. Hochsommer jedenfalls. Ich war 13...

Und ganz bestimmt war es einer dieser Tage, die sich zäh wie ein Kaugummi dahinziehen...

Denn ... warum wären wir wohl sonst auf diese schräge Idee gekommen?

Ich hab mir ein sogenanntes "Bonanza-Rad" gebaut. Langer Bananensattel, elegant mit zwei Rallystreifen, ein Lenker, hochgezogen wie von einer gefährlichen Harley Davidson. Das Rad in  Metallic Giftgrün.

Puhhh. Ich war ganz schön stolz drauf. Hatte mir Alles selber montiert und die Teile auch selber erarbeitet und gekauft.

Wir waren damals schon sehr umtriebig und ich würde schätzen, daß wir unsere ersten geschäftlichen Unternehmungen schon in frühem Kindesalter hatten.Wir hatten unsere Geschäftsaktivitäten, den jeweiligen Jahreszeiten angepasst. Im Winter war das Neujahrwünschen und Dreikönigssingen eine gute, aber auch äußerst anstrengende Einnahmequelle. Im Frühjahr waren das Palmkätzchen verkaufen und das Nachbarschaftsrasenmähen sehr geldeinbringend. Im Sommer stand Mooskolben Verkauf zur Debatte, was allerdings wegen der vielen Schlangen im Schilf und Moor, ziemlich gefährlich war. Naja und zwischendurch immer das Alteisensammeln. Das war allerdings von allen unserer Aktionen, die Schwerste und wir wurden von Hinten bis Vorne von unserem Alteisenhändler betrogen. ( So kam es uns jedenfalls vor )... Wir haßten Ihn.

Aber immerhin. Wir sorgten für unser eigenes Taschengeld, denn dies war damals durchaus nicht so ohne weiteres von den Eltern zu ergattern. Und wir hatten unsere Anlaufstellen, wo wir unser Geld wieder möglichst schnell loswurden. Eine unserer Destinationen war ein wundervolles Kaffehaus in Bad Aibling. Die hatten die wundervollsten Windbeutel, die man sich nur vorstellen konnte. So riesengroß und mit unsagbar viel Schlagsahne gefüllt, war es uns auf alle Fälle die 7 Kilometer wert, die wir mit dem Rad zurücklegen mußten, um an die tollen Leckereien zu kommen. Und natürlich auch wieder 7 Kilometer zurück.

Aber heute, an diesem Tag, hatten wir ganz einfach.. NICHTS VOR .

Wir sind so, bei uns im Moorgarten, rumgehängt. Naja, es war eben so ein  Tag. Wer kennt es nicht. Die Straßen flimmerten vor Hitze, und kein Mensch verließ die Wohnung oder das Haus, wenn es nicht sein mußte. Also war es auch total ruhig.

Ich hatte gestern erst mein Rad fertig ausgestattet. Sah aus wie ein Bonanza Rad. Na gut, nicht wirklich. Aber zumindest so ähnlich!!

Ich hab zu Peter , meinem Freund, gesagt, er solle sich in die Lenkergabel setzen, dann könnten wir eine Runde fahren.  Er hatte selber ein schönes Rad, aber so sah es nun mal spektakulärer aus.

O.K. Es ging eigentlich ganz gut. Am Anfang etwas zittrig, wurden wir von Minute zu Minute mutiger und übermütig.

Ich war gerade unterwegs zur Moorkultur, die damals unser Lieblingsspielplatz war. Ein großer Zuchtbetrieb für Schweine und Rinder und außerdem eine zusätzlich Einnahmequelle, weil sie Kartoffeln anbauten, und wir im Herbst wie so kleine Ratten über die Felder hergefallen sind, da günstige Kartoffeln gerne gekauft wurden.

Wir befanden uns also in Bereich der Moorkultur, auf der Höhe des Waisenhauses. Dort auf der nur sehr selten befahrenen Straße, war eine kleine Senke, wo es also ein wenig bergab ging.

Peter wollte auch mal fahren. Also setzte ich mich in die Lenkergabel. Voller Vertrauen. Peter fuhr los. Anfangs etwas unsicher, wurde sein Fahrstil von Minute zu Minute besser. Fast könnte man sagen, ein bischen halsbrecherisch.

Ich saß so in der Gabel und spielte mit dem Fuß auf dem Vorderreifen rum. Peter fuhr gerade die Senke hinab. Der Gummi der Vorderreifen kitzelte meinen Fuß durch den Turnschuh hindurch. Ich mußte ein bischen lachen... Peter fragte noch, was denn so lustig sei.

Meine Antwort blieb mir allerdings im Hals stecken.

Ich hatte wieder mal zu übermütig ausprobiert, wie weit sich das Schicksal herausfordern ließ.

Nachdem der Gummi des Reifens so lustig kitzelte, hatte ich begonnen meinen Fuß an den Speichen des Rades zu massieren zu lassen. Und dann ist es passiert.

Mein Fuß wutzelte sich in die Speichen des Vorderrades. Ich hatte echt Glück und konnte Ihn sofort wieder raußziehen. Aber das Rad ist sofort, auf der Stelle, stehen geblieben. Ich bin in hohem Bogen aus der Lenkergabel katapultiert worden. Bestimmt in einem Halbbogen in einer Höhe von 1,50 - 2,00 Meter sauste ich durch die Luft wie ein Kobold. Begleitet von einem panischen Schrei von Peter. Ein schönes Stückchen weiter vorne, bin ich auf der Teerstraße mit allen Vieren von mir gestreckt, aufgeplatscht.                      

 Glück gehabt, scheinbar nichts Gröberes passiert. Schnell auf den Rücken gerollt, sah ich in einer Höhe von bestimmt 2 Metern, Peter über mir in der Luft  schweben. 

Ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben, einen Menschen gesehen, der seine Augen so weit aufgerissen hatte, zugleich  den Mund weit geöffnet, gleichzeitig Spucke sabbernd und hysterisch schreiend durch die Luft raste. Seine langen blonden Haare standen wie ein Flammenhelm zu Berge. 

Und das Schlimmste.. er wurde verfolgt. Über Ihm, noch etwas höher, sauste das Fahrrad durch die Luft, wie ein grünes Ungeheuer.

Ich hatte eigentlich nur so um die zwei Sekunden Zeit , meine Eindrücke zu sammeln. Aber das reichte voll und ganz.

Peter knallte volle Sahne auf mich drauf. Mit ebenfalls allen Vieren von sich gestreckt, wie eine Katze, war der Aufprall für mich wie eine mittlere Atomexplosion.

Und dann der hysterische Schrei. Er dauerte endlos lange. Oder waren es nur zwei Sekunden ?

Denn plötzlich war da etwas ganz anderes. 

Das Rad. Das grüne Monster ist auf uns Beiden gelandet. Nein. Nicht gelandet, sondern eingeschlagen.

Und der ohnehin schon schrille Schrei von Peter hat sich nochmal um eine volle Oktave gesteigert. Maria Callas wäre vor Neid erblaßt.

Erst waren wir zu Tode erschrocken doch plötzlich, uns im weichen Teer der Straße wälzend, mußten wir lachen.. Naja und heulen auch ein bischen. Eine Mischung von Allem.

So lagen wir da... in trauter Dreisamkeit . Ein Knäuel aus Menschen und Metall. Ein bischen an den Knien blutend ein bischen schreiend und dreckig, mit zerrissenen Klamotten mitten auf der Straße liegend.

Es war ein unglaublich heißer Sommertag, die Straße flimmerte vor Hitze und es war ganz ruhig.. Ein typisch langweiliger Sommertag eben ....                                      

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.03.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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