Patrick Schön

Im Studium - 1. Sitzung

  1. Sitzung, Montag, 9:00 Uhr

Sascha war nervös, als er das Zimmer von Eric betrat.

Die Idee der Mittelpunkt einer psychologischen Studie zur sein gefiel im plötzlich nicht mehr, was wohl daran lag, dass er nun im Behandlunszimmer platz nahm und nicht mehr nur darüber sprach.

Er kannte dieses Zimmer. Er war schon unzählige Male dort gewesen, doch früher waren es aufheiternde Besuche, die er seinem guten Freund Eric abstattete.

»Es liegt am Geld.«, sprach er, als Eric eintrat.

»Was?«, fragte dieser verwirrt und wieß Sascha auf den Sessel.

»Wenn deine Universität mich nicht so großzügig bezahlt hätte, wäre ich heute nicht hier und du hättest ein anderes Objekt für deine Studie.«

Eric grinste verschämt.

»Es ist dir wohl etwas unangenehm«, sagte er, »aber mir geht es nicht anders. Du musst aber wissen, dass meine Endprüfung ist. Es ist also von immenser Bedeutung, dass dies hier seine Richtigkeit hat.«

Nun grinste Sascha. »Keine Sorge, Eric, ich versau dir nicht deinen Abschluss. Demnächst wirst du kein Student mehr sein, sondern ein junger, anstrebender Therapeut.«

Eric ergriff seinen Notizblock. »Wollen wir's hoffen.«, sprach er leise.

Sie schwiegen einen Moment.

»Nun, worüber möchtest du reden?«, fragte er seinen Gast.

»Naja, das musst du wissen. Du bist doch der Therapeut, Eric.«

»Sascha, du sollst nicht einfach hier sitzen. Dies soll eine ernsthafte Therapie sein. Wir werden hier über bedeutsame Dinge reden und ich werde versuchen, dir mit meinen Kentnissen zu helfen.«

Sascha lachte auf.

»Mit meinen Kentnissen zu helfen?«, wiederholte er den jungen Studenten, »mein Gott, du klingst wie ein alter Therapeut.«

Eric klappte seinen Block auf und sah Sascha an. »Worüber willst du reden?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Sascha, »es gibt so vieles.«

»Womit möchtest du anfangen? Vielleicht mit deinem Vater.«

»Nein«, fuhr ihm das Objekt dazwischen, »ich will hier nicht über meinen Vater sprechen.«

»Früher oder später müssen wir es.«

»Dann machen wir es später, Eric.«

»Worüber möchtest du dann reden?«

Der anstrebende Therapeut sah auf die Uhr und fragte sich, ob er Sascha noch an diesem Tag zum reden brignen würde.

»Ich weiß nicht. Die Auswahl ist einfach zu groß.«

»Dann wähle ich für dich«, beschloss Eric, »wieso ist das Geld so wichtig für dich. Klar, es dient als Entschädigung für deine Bemühungen, doch weshalb war es so immens wichtig für deine Entscheidung?«

»Eric, das ist doch wohl klar.«

»In wie fern ist das klar?«

»Eric, das Geld konnte ich gut gebrauchen. Es kam gerade zum richtigen Zeitpunkt.«

»Zu welchem Zeitpunkt kam es denn?«

»Das will ich nicht sagen, Eric.«

Der Student seufzte. »Gibt es eigentlich überhaupt etwas, was du sagen möchtest?«

»Wenn du mich so fragst klingt das schon fast so, wie als wärst du mit deinem Studienobjekt unzufrieden. Bist du es?«

»Sascha, ich finde es nur etwas enttäuschend, dass es anscheind nichts gibt, worüber du reden willst. Du solltest diese Chance nutzen, immerhin wirst du dafür bezahlt, dass du das hier machst. Diese Therapie könnte dir unter Umständen wirklich helfen.«

Sascha verdrehte die Augen. »Diese '' Therapie '' kann mir also helfen?«

»Auch wenn es nur eine Studie ist. Du musst einsehen, gewöhnlich wird der Therapeut bezahlt und nicht derjenige, dem geholfen wird.«

»In diesem Falle helfe ich aber dir. Ich mach doch das für dich.«

Eric zückte seinen Stift. »Ich dachte, du machst es wegen dem Geld?«

»Das auch. Aber tue ich dir hiermit etwa keinen Gefallen?«

»Das kommt darauf an, wie du Gefallen deffinierst.«

Sascha lachte laut auf. »Wirklich wie ein Therapeut, Eric.«

»Sascha, du musst das hier ernst nehmen. Mein ganzes Studium hängt hiervon ab.«

Sascha stand auf und streckte sich. Anschließend wanderte er etwas durch das Zimmer, ehe er vor der Glasvitirne stehen blieb und die Bücher darin betrachtete.

»Wann hast du eigentlich Zeit diese ganzen Bücher zu lesen, Eric?«

»Nunja, wenn ich Zeit habe.«

»Und wann hast du Zeit?« Sascha klang etwas genervt, denn er mochte es nicht, wenn man auf seine Fragen nicht so antwortete, wie er es wollte.

»Abends. Manchmal auch nachts.«, fügte Eric hinzu.

»Abends«, flüsterte Sascha vor sich hin, »und wann triffst du dich mit Beryl?«

Eric beobachtete seinen alten Freund, während dieser die Titel der einzelnen Bücher in der Vitrine laß.

»Ich meine, wenn du abends und nachts die Bücher ließt, wann triffst du dich dann mit ihr?«

Sascha lachte verschämt. Er wusste, dass Eric nicht gerne über sein Privatleben mit Beryl sprach und er wollte das Ruder ansich reißen.

»Wieso fragst du das, Sascha?«

»Nur mal so. Ich habe sie in letzter Zeit häufig gesehen, aber du warst nie bei ihr.«

»Wir finden selten Zeit zusammen zu sein.«, sprach Eric.

»Selten Zeit«, wiederholte Sascha, »wollt ihr schluss machen? Es beenden?«

Eric blickte auf die Uhr. Die erste Sitzung verlief nicht so, wie er es sich gewünscht hatte, doch er war sich sicher, dass er Sascha noch kriegen würde.

»Wieso interessiert dich das?«

Sascha drehte sich um. »Ich bin dein Freund, Eric. Würdest du mir nicht sagen wollen, ob du mit Beryl schluss machst? Ich meine, darf ich das nicht wissen? Darf ich nicht wissen, dass du auch nur ein Kerl mit Fehlern und Schwächen bist?«

Sascha setzte sich wieder auf seinen Platz.

»Sascha, siehst du mich gerne als schwach?«

»Wie meinst du das?«

»Denkst du, ich bin schwach, weil ich mich auf Beryl eingelassen habe?«

Sascha lachte wieder.

»Du klingt wirklich wie ein Therapeut, Eric.«

»Antworte bitte auf meine Frage.« Der Student klang nun direkter und energischer, denn er wollte endlich das Steuer ansich reißen.

»Ich weiß nicht, was du hören willst«, sagte der Patient, »du kennst doch Beryls Vorgeschichte, oder? Du weißt wo sie herkommt. Hast du keine Angst, dass wieder in ihre alten Gewohnheiten fällt?«

Eric legte den Stift beiseite, obwohl er der Meinung war, dass es bald etwas gab, was er notieren könnte.

»Denkst du so über Beryl?«, fragte Eric ihn und faltete dabei die Hände.

»Eric, Beryl ist dein Mädchen. Was ich über sie denke, ist doch wohl egal.«

»Wolltest du, dass sie dein Mädchen ist, Sascha?«

Diese Frage rüttelte Sascha etwas wach.

Er bemerkte nun, dass die Fragen ernst waren.

»Eric, du fragst mich, ob der Kerl deiner Freundinn sein will?«

»Nicht bedingt Freundinn. Ich frage dich mehr, ob du sie wolltest.«

»Also, das ist noch blöder von dir. Du fragst mich im ennst, ob ich mit deinem Mädchen ….«

Er brach ab.

»Ist das ein weiteres Thema, worüber du nicht reden willst?«, fragte Eric zynisch.

Er fragte sich kurz, ob Sascha wusste, dass alles unter die Schweigepflicht fiel, doch er war sich sicher, dass dieser das wusste.

»Hast du Beryl je über ihre Vergangenheit reden hören?«, fragte Eric den Patienten.

Sascha nickte. »Sie klang dabei, wie als habe es ihr Spaß gemacht«, sagte er, »dabei hat sie sich laut eigenen Worten nach jedem Male übergehen.«

Eric ergiff wieder den Stift.

»Hattest du Mitleid mit ihr, als sie dir das gesagt hat?«

»Ja, Eric, das hatte ich. Wer mit 19 Jahren so mittelos und verzweifelt ist, dass man so etwas machen muss, hat durchaus Mitleid verdient.«

»Klar, Sascha, ohne...«

Sasche fiel dem Studenten ins Wort.

»Hast du sie damals so kennen gelernt, Eric? Warst du einer ihrer Kunden?«

»Sascha, du warst dabei, als ich Beryl das erste Mal sah. Du kennst die Wahrheit.«

»Ich kenne das, was ich gesehen habe. Vielleicht gab es eine Vorgeschichte. Eine Vorgeschichte in einem dunklen Motel, mit vielen kleinen Scheinen.«

»Sascha!«, fauchte Eric.

»Jetzt habe ich also etwas gefunden, worüber du nicht reden willst.«, lachte Sascha.

»Stellst du dir so die Beziehung von Beryl und mir vor? Aufgebaut auf Geld und Dienstleistungen?«, fragte Eric konternd, wobei er das Ruder wieder ansich riss.

»Weißt du«, antwortete Sascha, »welchen Handel ihr unter einander geschlossen habt ist mir völlig egal. Ich denke du weißt selbst, wer sie ist und wer sie war. Das mit Beryl wird nicht halten.«

Eric blickte auf die Uhr.

Sie schwiegen einen Moment, wobei dem jungen Studenten klar wurde, dass das ganze nicht so verlief, wie es eigentlich sollte. Sascha stellte mehr Fragen als ihm zustanden. Vermutlich wollte er nicht unterlegen sein und weniger Macht haben als sein Gegenüber.

»Wolltest du sie, Sascha? Willst du Beryl für dich haben.«

»Wie kommst du darauf, verflucht?«

»Du redest von ihr. Über nichts willst du reden, aber ihre Vergangenheit und all das, darüber willst du reden. Du stellst mir viele Fragen über sie. Jetzt stell ich dir eine, willst du sie?«

Sascha sah weg. Es gab keinen Ausweg. Er musste antworten, sonst hätte Eric gewonnen.

»Ja. Aber nicht wie du. Ich wollte sie nicht bezahlen wollen. Ich wollte, dass sie mich liebt.«

»Du denkst also, dass ich nur einer ihrer Kunden bin, Sascha?«

»Eigentlich glaube ich das nicht. Aber ich wünsche es mir.«

Eric schrieb mit.

»Wieso wünscht du dir das?«

»Wenn du nur ihr Freier bist, Eric, dann hasst sie dich. Keine Hure kann ihren Freier lieben, da kann er noch so bezahlen. Sie hasst dich dafür, dass du immer wieder ihre Ehre, ihren Geist und alles was dazu gehört auf einen Preis festsetzst.«

Eric sah erneut auf die Uhr. Endlich hatte das Gespräch die Form angenommen, die es haben sollte, doch das ganze hatte viel zu viel Zeit gekostet und die Sitzung war bald vorbei.

»Wieso willst du, dass mich Beryl hasst?«

»Wenn sie dich hasst, dann liebt sie dich nicht.«

»Wieso darf mich Beryl nicht lieben?«

Sascha sah Eric an. »Bist du ihr Kunde? Ist das wahr?«

Eric beabsichtigte nicht auf die Frage zu antworten. Er stellte die Fragen und nicht Sascha.

»Liebst du Beryl?«, fragte er Sascha.

»Liebst du sie?«, rief ihm der Patient entgegen. »Liebst du sie, Eric?«

Der junge Student notierte sich etwas auf dem Block.

»Ja, ich liebe Beryl.«

»Liebst sie auch dich?«, fragte Sascha, doch sein Gegenüber antwortete nicht.

»Sag mir, Eric, liebt sie dich?«

»Ich denke schon.«, erwiderte Eric, wissend, dass sich Sascha eine andere Antwort erhofft hatte,

»Bist du ihr Kunde?«

Eric gab erneut keine Antwort. »Sascha«, sprach er sanft, »liebst du Beryl? Willst du ihr Liebhaber sein?«

»Ich glaube, unsere Zeit ist um.«

Sascha stand auf. »Ich denke, dass wir das noch zu Ende bringen sollten. Liebst du Beryl?«

»Weißt du, ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das machen will, Eric.«

»Sascha, du hast bereits unterschrieben, meine Frist läuft. Ein Rückzug geht jetzt nicht mehr. Liebst du Beryl?«, hackte Eric nach, doch Sascha gab ihm keine Antwort.

»Am Mittwoch um neun?«, fragte er lediglich.

»Ja, am Mittwoch um neun. Liebst du Beryl?«

»Anders als du, muss ich sie nicht bezahlen.«, sagte Sascha und verließ den Raum.

Eric notierte sich ein letztes Mal etwas auf dem Block, ehe er auf die Uhr blickte.

Wortlos ergriff er das Telefon und wählte Beryls Nummer.

Als sie abhob legte er wieder auf.

Er war sich seines Verdachts nicht völlig sicher, außerdem durfte er Wissen, welches er im Rahmen der Sitzungen erhielt nicht preisgeben.

»Verdammt nochmal.«, rief er aus und trat gegen den Schrank.

Er musste wissen, ob es stimmte.

 

FORTSETZUNG FOLGT


Dies ist die erste Folge einer mehrteiligen Reihe. Patrick Schön, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.03.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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