Selma I. v. D.

Schwanensang

Schwanengesang

Wenn ich die Vorhänge öffne, sehe ich dass die Sonne schon wach ist. Die Wettervorhersagen für heute sind gut. Es soll ein schöner Tag werden. Das würde auch langsam Zeit, der Winter hat lange genug gedauert. Heute zieh ich mal ausnahmsweise ein Kleid an. Während ich die Tür schließe und mein Fahrrad aus der Garage hol, sehe ich das meine Beine noch sehr weiß sind. Na ja, wird schon wieder werden, braune Beine. Der Morgen im Büro ist schnell vorüber. Um 12.00 Uhr nehme ich meine Tasche aus der Schublade raus, und geh spazieren. Im Stadtpark. Die Parkanlage ist sehr schön, es gibt verschiedene Teiche, viele Parkbänke zum Ausruhen und romantische Brücken. Die Narzissen und Krokussen blühen schon traumhaft. Jeder freut sich, das er wieder rausgehen kann. Die Kinder rennen rum. Ich begegne ein älteres Ehepaar. Er sitzt im Rollstuhl und sie schiebt Ihn. Aber sie genießen das Zusammensein. Und das schöne Wetter. Einen Jogger rackert sich schwitzen den Hügel hoch. Ich setze mich auf einer Bank, und zieh meine Schuhe aus. Nimm meine Tüte Brot aus meiner Tasche und versuch ungeduldig den Knoten zu entwirren. Dann hör ich neben mir eine Stimme, Sie fragt: “Dürfte ich mich hier hinsetzen?“ Ich schau hinauf und sehe eine Frau neben mir stehen. Sie ist ungefähr Mitte 50, muss früher hübsch gewesen sein. Sie hat kurze blonde Haare und ist schick gekleidet. An Ihren Teint zu urteilen, muss sie im Urlaub gewesen sein. In irgendeinem sonnigen und warmen Land. Ein wenig eifersüchtig denke ich an meine weißen Beine. Bevor ich Ihr Antworten kann, hat Sie sich schon hingesetzt. „Freut mich das ich mich hier hinsetzten darf. Ab und zu verhalten die Menschen sich so ablehnend“ sagt Sie. „Nein, ist überhaupt kein Thema“ sag ich. Sie stellt Ihre Tasche neben sich und faltet Ihre Hände zusammen. Ihr Blick folgt den beiden Schwänen. „Wüssten Sie das ein Schwäne Pärchen sein ganzes Leben zusammen bleibt?“ sagt Sie leise. „Ja dass wüsste ich“ antworte ich. Einen Moment scheint es als ob Sie erschreckt von meiner Antwort. „Sie suchen und finden einander, und bleiben ein ganzes Leben zusammen. Wenn der eine Stirbt, bleibt den anderen den Rest seines Lebens alleine. Das nenne ich die große Liebe“ Ich nicke zustimmend und schau wie die Schwäne neben einander wegschwimmen. „Meine große Liebe ist nicht mehr da“ sagt Sie. Sie hat zwar einen schönen braunen Teint, aber wenn ich Sie aufmerksamer betrachte, sehe ich das Sie geweint hat. Ihre Augen sind Zeugen von grenzenlosen Weinkrämpfen und schlaflose Nächte. Ich weiß nicht was ich jetzt sagen soll. „Es tut mir leid“ stammele ich ein wenig blöd. Wir schweigen. „Soll ich Sie fragen was passiert ist? Soll ich versuchen mit Ihr darüber zu reden? Aber vielleicht denkt Sie dann ich frage das nur weil ich neugierig bin“. Noch bevor ich mich entscheiden kann, öffnet Sie Ihre Tasche und zeigt mir ein Foto. Es ist ein Bild von zwei Menschen, Sie und einen Mann. Sie sieht glücklich aus. Ein strahlendes Lächeln kommt mir entgegen. Und der Mann? Er schaut nicht zum Fotografen, er schaut Sie an. Sie sitzen zusammen auf den Vordersteven von einem Segelboot. Das Wasser ist so hellblau, man konnte denken jemand hat es eingefärbt. Im Hintergrund sehe ich ein Strand mit Palmen, und in der Ferne Gebirge. „Jedes Jahr sind wir zwei Wochen dorthin gefahren. Haben uns ausgeruht, uns am Strand hingelegt, gesegelt. Einfach nur ausruhen. Nur die Ruhe genießen, einander genießen. Dieses Jahr bin ich zurückgegangen, zum ersten Mal. Nicht nur um seine Asche zu verstreuen, aber auch um fest zu stellen das mein ganzes Leben mit Ihm kein Traum war. Wie glücklich wir dort waren. Die Sonne war warm, und das Wasser hellblau. Die hohen Berge, schneeweiße Strände. Genauso wie damals, als ich mit Ihm da war. Das Restaurant wo wir immer gegessen haben. Der Kellner hat mich sogar erkannt, obwohl ich schon 2 Jahre nicht mehr da war. Aber es war nicht wie früher. Weil er nicht da war. Ohne Ihn war es anders. Ohne Ihn ist alles anders“. Sie streckt Ihre Hand aus, und ich gebe Ihr das Bild zurück. „Danke Dir“ sagt Sie. „Das Du mir zugehört hast. Meine Freunde und Familie behaupten das es mittlerweile reicht. Ich sollte nicht mehr jeden Tag um Ihn trauern. Ich sollte weitermachen mit meinem Leben“. Plötzlich steht Sie auf, grüßt mich, und verfolgt Ihren Weg. Sie lässt mich alleine, als ob Sie nie da war, diese letzte paar Minuten. Fassungslos steh ich auf und schleppe mich zurück zu meiner Arbeitsstelle. Ich war nicht mal in der Lage Sie zu fragen was passiert ist. Ist er krank geworden? Hatte er einen Unfall? Eigentlich ist es egal. Den ganzen Nachmittag muss ich an Sie denken. An Ihre Worte:“Meine große Liebe ist nicht mehr da“.

Wenn ich fertig bin mit der Arbeit, radele ich nach Hause. Unterwegs halte ich mal an beim Supermarkt. Heute Abend habe ich nicht viel vor. Ich schaue ein bissel Fern und gehe früh ins Bett. Der nächste Tag fängt regnerisch an. Graue Wolken ziehen vorbei. Routinemäßig mache ich was ich jeden Morgen mache: duschen, frühstücken, ich hol die Zeitung aus meinen Briefkasten raus, und schminke mich. Augenschatten, Mascara und das war er. Schnell nehme ich den letzten Schluck Kaffee, aber dann sehe ich folgende Meldung: „Gestern Abend ist eine unbekannte Frau tot im Stadtpark aufgefunden. Sie muss ungefähr 60 Jahre oder jünger gewesen sein. Wahrscheinlicher Todesursache: ertrunken. Wer denkt diese Frau zu kennen wir aufgefordert sich unmittelbar mit der Polizei in Verbindung zu stellen.

Meine Tasse rutsche aus meinen Händen, und zerbricht am harten Kuchenboden….

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.03.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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