Thomas Kreuter
Der Steinzeitjäger
Tief
erhob sich die Schlucht im Herzen der Berge. Kühl und modrig hing
der Nebel in den Lüften der feuchten Klamm. Ein Waldbach schlängelte
sich über uriges mit Moos und Farnen bewachsenes Gestein, um über
einen Kaskaden-artigen Lauf in einem kleinen donnernden Wasserfall
unter dem Glitzern der abendlichen Sonnenstrahlen zu enden. Am Rande
dieses imaginären Schauspieles, da stand er, breitbeinig, den Speer
schräg vor der Brust haltend und seinen Blick zum anderen Ufer
gewandt. Langsam kniete er sich nieder, sein Interesse an den
frischen Spuren des Ufers zu bekunden. Seit Tagen war er nun schon
auf der Jagd, jedoch kein Wild lies sich blicken. Ein Hauch der
Verzweiflung lastet auf dem gefurchten und mit dichtem Bart
überwuchertem Gesicht. Sein Magen, der etliche Tage das Nachsehen
hatte, rumorte vor Hunger. Er wusste, dass es keine andere Wahl zum
Überleben für ihn und seine Familie gab, als den Erfolg der Jagd
am heutigen Tag. Eine leichte Schwäche machte sich in seinem
ansonsten muskulösen Körper breit, eine Schwäche die tief aus
seinem innersten kam und vom Hunger herrührte. Die Spuren vor ihm
waren noch frisch. Sie konnten nicht älter als ein paar Stunden sein
und so keimte der Hoffnungsschimmer in ihm langsam wieder auf.
Wildschwein Spuren einer ganzen Rotte hatten sich in das feuchte
Erdreich des Bachufers gegraben. Langsam schritt er wider voran. Eine
Stunde lang ging er am Ufer des Baches aufs äußerte konzentriert
weiter. Jeder Muskel in ihm verriet die tiefe Anspannung. Endlich
hörte er ein Grunzen in der Nähe. Langsam bewegte er sich weiter,
den Speer krampfhaft in den Händen haltend und jedes Gebüsch und
jeden Felsen als Deckung nutzend. An der Biegung des Bachlaufes, dort
wo das Wasser flacher wurde, sah er sie plötzlich. Ein tiefer
Atemzug, der den Geruch des Waldes und des Baches in seine Lungen
strömen ließ, brachte ihn aus seiner Lethargie zurück. Langsam
schlich er sich gegen den Wind an die Rotte der Schweine heran.
Suhlend und nichts ahnend standen die Tiere an einem Schlammloch.
Bedächtig und mit äußerster Vorsicht richtete er sich aus der
sicheren Deckung eines Felsbrockens auf und maß über die Felskante
mit sicherem Auge die Entfernung ab. Fiebrig umklammerte er den Speer
mit der rechten Hand um im geeigneten Moment zum Wurf anzusetzen. Ein
starker Keiler richtete sich auf um die gefahrvolle Witterung die in
der Luft lag zu prüfen. Das war der große Moment der Entscheidung
für den Jäger. Er wusste, daß von dieser Jagd das Überleben
seiner Familie abhing. Kraftvoll schoss er den Speer ab. Die schwere
Waffe erhob sich in die Luft und flog mit leicht zischendem Laut
ihrem Ziel entgegen. Ein dumpfes Geräusch erschallte als das
Wurfgeschoss sein Ziel fand. Sofort ging das Tier zu Boden und ein
letztes Zittern lief durch den massigen Körper, während der Schaft
des Speers in der Seite des Tieres noch leicht vibrierte. Nach einem
Augenblick des Schreckens, stob die Rotte der Wildschweine quiekend
auseinander um in dem schützenden Wald das Heil in der Flucht zu
suchen. Der Jäger trat hinter dem Felsen mit einem Lächeln hervor.
Er wusste, dass er für viele Tage Fleisch hatte und die Familie
wieder einmal am Leben bleiben würde.
© Thomas Kreuter
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.04.2010.
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