Carrie Winter

Eine typische Drogengeschichte

„Warum endet eigentlich jede Party von uns immer so?“
Ich sah über einen Berg von Bierflaschen zu ihm und sagte: „Keine Ahnung. Wahrscheinlich liegt es an uns. Wir planen eine nette, kleine Feier mit Kuchen und Kaffee und daraus wird dann eine Riesenparty mit Alkohol und Drogen.“
„Nein. Ich glaube, es liegt an unseren Freunden. Fred zum Beispiel kann Kuchen nicht ausstehen. Er denkt, davon kriegt man einen Hirnschaden. Da isst er lieber Burger.“
„Du meinst also, wir haben die falschen Freunde?“ fragte ich zweifelnd und stand auf.
Er zuckte die Schultern und kämpfte sich auch nach oben. Mit schwankenden Schritten stolperten wir ins Wohnzimmer und blickten uns dort um.
Der Boden war voller leerer Flaschen, Essensresten, Kotze und Glasssplitter. Die Stereoanlage lag verkehrt herum auf dem Tisch und sämtliche CDs waren über das Sofa verteilt. Einige auch zerbrochen oder zerritzt.
„Mein Gott. So schlimm hat es noch nie ausgesehen.“ Meinte er tonlos.
„Was haben die hier gemacht?“ schrie ich entsetzt und fassungslos.
„Gefeiert. Genauso wie wir es ihnen gesagt haben.“ Antwortete er seufzend.
„Aber...Aber...Doch nicht so...“ stöhnte ich. Unfähig mich noch länger auf den Beinen zu halten sackte ich auf den Boden und vergrub meinen Kopf zwischen meinen Armen.
„Hey! Nimm es doch nicht so ernst. Wir müssen hier nur ein bisschen aufräumen und es sieht aus wie vorher. Das geht ganz schnell. Schau, ich muss nur...“ Er hielt inne.
Langsam hob ich meinen Kopf und folgte seinem Blick, der auf eine Gestalt, die am Boden lag, gerichtet war. Bei genauerem Hinsehen konnte ich ein junges Mädchen mit langen blonden Haaren erkennen, das ich nicht im geringsten kannte.
„Wer ist das?“ fragte ich unwillig. Er trat zu ihr und schüttelte sie an der Schulter.
Sie reagierte nicht. Er versuchte es noch einmal aber sie wollte immer noch nicht aufwachen.
„Die Party ist zu Ende!“ rief er laut. Keine Reaktion.
„Verdammt noch mal!“ Ich kroch zu ihr rüber und riss so fest an ihrem Arm, das ich sie auf den Rücken drehte und sie jetzt mit dem Gesicht nach oben lag.
Sprachlos starrten wir sie an. Keiner von uns beiden war in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen. Ich konnte fühlen, wie mir das gestrige Essen wieder hoch kam. Sein Gesicht hatte sich merkwürdig grün verfärbt und er schwankte.
Aus ihrer Brust ragte ein langes dunkles Messer, das normalerweise in der Küche war.
„Ist sie...Ist sie...“ stotterte er. Gegen meinen Willen kroch ich näher zu ihr heran und tastete nach ihrem Handgelenk. Die Zeit schien sich endlos hinzu ziehen. Minuten wurden zu Stunden bis ich endlich den Kopf schüttelte. Sie hatte keinen Puls mehr.
„Tot?“ fragte er zitternd. Ich nickte langsam, ohne meinen Blick von dem Messer abwenden zu können. Es glänzte in dem matten Sonnenlicht, das durch das Fenster hineinfiel.
Das Stück von der Schneide, das herausschaute, war völlig rot. Genauso wie das Oberteil.
`Sie ist tot.` Wie ein großes Neonschild schienen die drei Worte vor meinen Augen zu blinken. So unverständlich und absolut klar.
„Wer...Wer ist das überhaupt?“ presste er hinaus, in dem verzweifelten Versuch, die Fassung wieder zu gewinnen.
„Ich hab keine Ahnung.“ Sagte ich. „Wahrscheinlich...Wahrscheinlich eine Freundin von einem Freund von uns. Er hat sie mitgebracht und vergessen, sie uns vorzustellen.“
„Er hat sie uns vorgestellt. Sie heißt Natalie. Er hat sie vor zwei Wochen in einem Club kennen gelernt.“ Sagte er plötzlich und sank auf das Sofa.
„Wirklich? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“ Murmelte ich nachdenklich.
„Du warst ja auch total besoffen!“ schrie er wütend.
Überrascht sah ich ihn an. Was war denn jetzt auf einmal los? Was sollte das?
„Weißt du überhaupt noch irgendetwas von dem, was gestern nacht hier passiert ist?“
Einen Moment dachte ich nach, dann schüttelte ich den Kopf.
„Du hast also alles vergessen, was wir gemacht haben?“ hakte er nach.
„Warum? Was haben wir denn gemacht?“ fragte ich ungeduldig.
„Wir haben...“ Er brach ab. „Nein. Ich kann dir das nicht sagen. Du würdest es mir sowieso nicht glauben. Es ist viel zu verdreht und merkwürdig und...“
„Jetzt sag endlich! Verdammt! In unserem Wohnzimmer liegt eine Leiche! Erzähl mir sofort, was hier passiert ist!“ verlangte ich sauer und baute mich drohend vor ihm auf.
„Auf deine eigene Verantwortung.“ Er schüttelte den Kopf, sah mich noch mal an und begann zu erzählen. „Max kam gestern etwas später weil er länger arbeiten musste. Natalie war schon vorher da gewesen und hatte anscheinend mit jemandem geflirtet. Die beiden haben gestritten und wollten nicht mehr miteinander reden. Also wollte ich mit Max reden und du mit Natalie.
Ich bin also zu Max und habe das übliche erzählt, dass das auf einer Party ganz normal ist, das er sich nicht so aufregen soll und so weiter. Er hat sich dann auch wieder beruhigt und wollte sich wieder mit ihr vertragen. Wir sind also los gegangen, um euch zu suchen.
Ich weiß nicht, was du zu Natalie gesagt hast aber als wir zu euch kamen, schrie sie rum wie eine Verrückte und stürzte sich auf Max. Sie zerkratzte ihm das Gesicht und wollte schließlich noch mit einem Messer auf ihn los gehen. Zum Glück konnte ich sie von ihm wegbringen.“
„Und er war so sauer auf sie, das er sie erstochen hat.“ Beendete ich die Geschichte.
„Nein. Eben nicht. Er war so fertig, das er nach hause gegangen ist. Ich wollte Natalie auch nach hause schicken aber irgendwie... Wir waren beide betrunken und geil und... Dann ist es eben passiert. Danach bin ich eingeschlafen und als ich wieder aufgewacht bin, war Natalie weg. Ich habe sie im ganzen Haus gesucht, aber nirgends gefunden, also habe ich gedacht, das sie gegangen ist und mich wieder hingelegt.“
„Und dann?“ fragte ich schließlich, als er nicht weiterredete.
„Nichts und dann. Das war alles.“
„Und was ist daran so schlimm? Und wie erklärt das, warum sie tot ist?“
„Sabrina, ich will ehrlich sein. Ich hab dir nicht alles erzählt. Natalie war gar nicht weg. Nachdem ich wieder aufgewacht war, fand ich sie im Wohnzimmer, wie sie versuchte, sich Heroin zu spritzen. Das LETZTE das noch im Haus war.“ Fügte er hinzu.
„Ach so!“ rief ich erleichtert. „Dann hast du also versucht, ihr das Heroin wegzunehmen und sie dabei aus Versehen erstochen! Na, wenn es so war... Dann zersägen wir jetzt am besten die Leiche und betonieren sie in die Einfahrt mit ein. Oder?“
„Meinetwegen aber lass mich erst mal das Heroin spritzen. Schließlich habe ich nicht umsonst dafür gemordet. Wo ist es?“ Er sah sich suchend im Raum um.
Unbehaglich starrte ich auf den Boden und spürte, wie sein Blick auf mir ruhen blieb.
„Sabrina. Kann ich mal deinen Arm sehen?“ fragte er lauernd.
„Ich halte das für keine besonders gute Idee...“ sagte ich langsam und wich zurück.
In seinen Augen blitzte es. Mit einer schnellen Bewegung riss er das Messer aus ihrem Körper und kam auf mich zu.
„Du willst doch nicht etwa...“ stammelte ich fassungslos.
„Ich werde dir deine gottverdammten Adern aufschneiden und mir mein Heroin zurückholen!“





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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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