Jürgen Berndt-Lüders

Die Gartenlaube 1. Eine Romanze bahnt sich an...

 

Als Robert gestern früh erwachte, musste er ein paarmal heftig niesen.

 

Spontan beschloss Robert, der Sache auf den Grund zu gehen und schickte seinem Boss eine SMS.

 

Beim Arzt glaubte er, im falschen Film zu sein. Das Wartezimmer war rappelvoll.

 

„Heute wird es etwas dauern“, sagte die Sprechstundenhilfe und kassierte die Praxisgebühr.

 

„Das wäre ja schon wieder eine neue Gelegenheit, sich anzustecken“, flüsterte Robert und beugte sich vor.

 

Die Frau nickte. „Sie können sich auch in die Sonne setzen. Hinterm Haus ist ein schöner Garten. Ich rufe sie,  wenn sie dran sind.“

 

Der Garten war das reinste Paradies. Die Bäume standen in voller Blüte, Rabatten mit Frühblühern wirkten bezaubernd, Bodendecker tauchten alles in ein sattes Grün, und über allem ruhte der schwere Geruch von Pollen, die nach dem Bienchen riefen.

 

Sein Blick fiel auf die Gartenlaube aus Weiden, und mitten drin stand eine schmiedeeiserne Parkbank, grün gestrichen, und auf dieser Bank saß eine reizende junge Frau.

 

Viel zu jung für mich, dachte Robert sofort und beschloss, sich nicht zu mucksen.

 

Wenn ich mich neben sie setze, sitzen wir zu dicht beieinander. Das ist eine Bank für Vertraute, die sich gut kennen, und nicht für zwei Fremde, die auf den Arzt warten, fiel ihm ein.

 

Eine gute Gelegenheit, zu testen, ob ich auf Pollen reagiere, dachte Robert und roch an einer Blüte. Der Niesreiz stieg in ihm auf, und weil ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, was ein Experte im Fernsehen geraten hatte, beugte er sich vor und nieste freihändig zwischen die blühenden Stiefmütterchen.

 

Die Frau unterdrückte ein Prusten. Robert drehte sich zu ihr.

 

„Nett von ihnen, dass sie gießen, es hat ja auch lange nicht geregnet“, spottete sie.

 

Robert grinste. „Es reicht aber nicht für alle.“ Er wandte sich wieder den Blüten zu. Nur nicht zu ihr hinsehen, dachte er. Das kann nur mit einer Enttäuschung enden.

 

„Wenn sie irgendetwas mit den Beinen haben und sitzen wollen...“ sagte sie nach einer Weile.

 

Robert lachte. „Nein, lassen sie mal, danke, ich habe es mit der Nase.“

Er mochte es, wenn Frauen mit dem Smalltalk begannen. „Und womit haben sie’s?“

 

„Mit nichts“, sagte sie. „Ich hole nur ein Rezept ab.“

 

„Ich wahrscheinlich auch nicht. Die Schweinegrippe ist ja wohl kein Thema mehr.“

 

Sie will reden, dachte Robert. Er drehte sich auf dem Absatz um und lehnte sich gegen einen Baum. Wie er da stand, musste er ihr bestimmt gefallen. Jetzt noch etwas mit den Fingern zerpflücken und dabei zu Boden sehen und sanft lächeln...

 

Wenn er eine Chance bei ihr hatte, dann auf diese Art.

 

„Sind sie öfter hier?“

 

Robert lachte. „Nein, im Grunde bin ich gesund. Wahrscheinlich habe ich mich nur zu dünn angezogen.“

 

So wie die Frau aussah, war sie bestimmt in festen Händen.

 

Die Hintertür zur Praxis öffnete sich für einen weiteren Patienten.

 

Robert blickte der Frau mitten ins Gesicht, und zu seiner Freude bemerkte er ein Bedauern in ihren Augen. Was der Patient auch gemerkt zu haben schien.

 

„Hier liegt mir zuviel in der Luft“, sagte er und lächelte vieldeutig. „Drinnen ist jetzt bestimmt was frei. Schönen Tag noch.“

 

Robert pflückte eine Blüte vom Baum und ging zu ihr. „Riechen sie mal“, sagte er und gab sich alle Mühe, einen Hauch von Gefühl in die Stimme zu legen.

 

Sie roch, und Robert zeigte ihr seinen Ringfinger, der in keiner Weise verziert war.

 

Sie grinste. „Bin ich hier schwarz?“, fragte sie und legte die Fingerspitzen der rechten Hand gegen die Wange.

 

Robert prustete. Auch sie trug keinen Ring. „Aber vielleicht sind sie ja verlobt?“

 

„Wer verlobt sich denn heute noch?“, fragte sie und hob die linke Hand an die Wange.

 

Das wäre also geklärt, dachte Robert erleichtert. Aber wie nun weiter?

 

Sie rückte ein Stück in die äußerste Ecke der Bank und klopfte neben sich. „Setzen sie sich doch.“

 

„Vorsicht, ich könnte sie berühren“, wandte Robert ein.

 

„Wenn’s mir nicht gefällt, klebe ich ihnen eine“, rief sie und lachte.

 

Robert setzte sich und tippte auf ihren Handrücken. Er wartete ab.

 

„Wenn’s weiter nichts ist...“

 

Die Sprechstundenhilfe öffnete die Hintertür. Sie sah reichlich gestresst aus. „Hier, ihr Rezept“, rief sie.

 

Robert eilte, nahm das Rezept entgegen und brachte es der Frau, nicht ohne einen Blick in das Adressfeld zu werfen. „Sieglinde Wagner“, las er laut.

 

„Das ist nur meine Mutter. Sie wollen sicher wissen, wie ich heiße.“

 

„Und ob. Wollen sie mir das bei einer Tasse Kaffee erzählen?“

 

Als die beiden an der Sprechstundenhilfe vorbei kamen, hielt Robert die Hand seitlich an den Mund und flüsterte:

 

„Mir gehts wieder ganz gut. Vielleicht komme ich später noch mal.“

 

Beide Frauen lachten, und Sieglinde Wagners Tochter wurde rot.

 

„Jetzt haben sie vergessen, sich die Praxisgebühr zurück geben zu lassen“, rief sie und hakte sich unter, als beide wie die Teenager die Straße hinunter hüpften.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.04.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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