Rüdiger Nazar

Mama Lupus... II....autobiographisch

Nach einiger Zeit...es dauerte immerhin einige Monate...sprach es sich natürlich herum...daß ein jugendlicher  bei der alten Frau in der Hütte lebte. Ich stand gerade auf der Leiter um eine provosorische Dachrinne anzubringen....als ich sie sah....Carabinierie...keine Ahnung ob das so richtig geschrieben ist...OK...Polizei ist einfacher. Der blaue Alfa  kam im Schritttempo den Feldweg hoch gefahren. Ich hoffte...daß sie mich noch nicht erblickt hatten...rutschte die Leiter herunter...unsanft riss ich mir einen Holzsplitter in meinen Finger...als ich unten am Boden ankam. Ich lief zu Mama Lupus...und stotterte los...Cara...Carabi.......

Ja ich weiß sagte sie....versteck dich im  Stall...ich spurtete los. Die Hühner fanden es nicht gerade lustig als ich mich voll in das Stroh warf und mich mühsam damit zu verstecken versuchte. Ein  Gegacker...so ohrenbetäubend ließ mein Trommelfell beben.Hoffentlich würden sie mich nicht finden. Sogar mein eigenes Atmen kam mir auf eimal so unsagbar laut vor...unwillkürlich hielt ich  den Atem an. Draußen hörte ich die Autotüre zuschlagen. Ich konnte nur einige Wortfetzen vernehmen...viel verstand ich nicht . Dann gingen sie in die Hütte und ich hörte Mama Lupus lachen...so auch die Polizisten. Die blöden Hühner trampelten auf  meinem  Rücken herum...und pickten nach meinen Fingern. Dann hörte ich wie die Polizisten...gefolgt von Mama Lupus...wieder die Hütte verließen. Einer der beiden Staatsdiener versuchte krampfhaft eine Flasche unter seiner Uniformjacke zu verstecken...es gelang ihm nicht ganz...und er sah sich verstohlen um. 

Ich sah wie der Wagen wieder langsam den Feldweg ins Tal hinunter fuhr.  Oh mein Gott...war mir schlecht vor Aufregung. Auf wackligen Beinen  ging ich auf Mama Lupus zu...die da so ihre Arbeit weiter verrichtete...so als wäre nichts geschehen. Und sagte ich...was war ? Sie antwortete mir nicht...extra...sah und kostete es aus...daß ich im eigenen Saft schmorte. Nichts sagte sie...sie suchen dich nur ! Was jetzt fragte ich...? Weiß nicht sagte sie...wenn du nach hause willst...stelle dich...wenn nicht...bleibe einfach. Heiland...was für eine Philosophie sie hatte...stelle dich oder bleibe...Ich ließ vom Thema ab und begann wieder an meiner fluchtartig liegengebliebenen Arbeit . Abends saßen wir am Kaminfeuer und redeten einfach so belanglos dahin...aber es lag etwas in der Luft...das wußte sie...und das wußte ich. Wie lange wirst du bleiben...fragte sie ? Meine Gedanken überschlugen sich...ja wie lange. Hatte mir eigentlich noch nie richtig Gedanken gemacht...in all`den Monaten die ich hier bei ihr war. Weiß nicht...sagte ich...ich weiß es nicht. Zu mir selber hörte ich mich sagen... ja wie lang`...und überhaupt wohin ? Ich rechnete nach...an meinen Fingern...wie lange war ich hier ? Juni...July...August...September...October...!Sie sah auf und lächelte. Ja sagte sie...acht Monate.Du kamst im Juni 69...jetzt haben wir....Ende Januar 70. 

Ich wußte genau das irgendwann der Tag kommen würde...wo ich mich wohl verabschieden mußte...war der Tag nahe ? Der Streifenwagen war schon ein kleiner Vorbote...um an einen Aufbruch zu denken. 

Es war der 7.Feruar 1970 als ich meine Sachen packte....es war nicht viel...aber was ich dazu gelernt hatte an Wissen von Mama Lupus... war mehr wert als alle irdischen Güter. Und ich hatte jemanden kennengelernt...der mir sehr viel bedeutete...ich hatte sie so tief in meinem Herzen. Dementsprechend war der Abschied. Ich glaube ich habe sie tausende male umarmt und gedrückt...zögerte das Weggehen hinaus...bis es nicht mehr ging. Ich mußte jetzt gehen....würde ich sie je im Leben wiedersehen ? Ich schreibe dir sagte ich...ich schreibe dir. Jeder im Dorf kannte sie...und der Brief würde immer ankommen.Ich bekam Talismane...geheimnisvolle...die ich heute noch habe...und in meiner größten Not gebrauche ich sie...und Mama Lupus ist bei mir.

Ich zog los...vollgepackt mit Proviant...die Feldflasche...eine Kalebrasse  gefüllt mit Wasser....auch diese habe ich noch...und hüte sie wie ein Juwel. Ich lief so ziemlich den gleichen Weg zurück wie ich ihn gekommen war.Schlief wieder im Gebirge...hörte die Wölfe jaulen...den Adler am Himmel sah ich kreisen...und ein wunderschönes Nachtkonzert von Zirkaden. Aber es war Februar...und es war lange nicht so schön wie im Juni oder August. Es war so furchtbar kalt nachts im Gebirge. Klopfte Tage später an eine fremde Haustüre und bot meine Arbeitskraft  an...für Kost und Logie. Wochen später war ich wieder in Genua... Hier wollte ich erst mal verschnaufen und die Nacht verbringen...trieb mich am Hafen herum...wußte nicht wohin. In einer Seitenstrasse verrichtete ich meine Notdurft an einer Hauswand. Neben mir ein überfüllter Blechmülleimer mit Kondomen. Oben im Fenster schrie jemand heraus...prego...! Ich sah eine junge Frau...keine Ahnung wie alt...vielleicht so zwanzig... dreiundzwanzig. Sie gab mir Zeichen zu bleiben. Ich blieb...wußte aber nicht warum. Die Türe öffnete sich knarrend und da stand sie...leichtbekleidet...wunderschön. Gott sei Dank sprach sie ein gebrochenes englisch...das ich nur bei genauem Hinhören verstand. Komm`rein sagte sie...komm. Ich trottelte hinterher...durch einen sehr kahlen und schmierigen Flur...nur spärlich beleuchtet. Am Ende des Ganges war eine Türe...die halb offen stand. Sie schob sie auf und zog mich hinein. You are hungry ?...Ja sagte ich...Essen...danke ja...ich habe Hunger. Sie tischte auf...und ich sah...das der Wohlstand wohl an diesem Hause vorbei gegangen war. Als ich die Wampe voll hatte...faltete sie ihre Hände und hielt sie an ihr Ohr...was wohl das Zeichen für schlafen sein sollte. Eigentlich wollte ich nicht...aber ich konnte vor Müdigkeit kaum noch stehen. Wir gingen nach oben. Dort saß in einer Ecke ein altes Mütterlein...mia Mama...sagte sie. Im gleichen Augenblick plärrte ein Kind nebenan in einem anderen Zimmer. My Child...Baby...sagte sie...Bambina ! Also ein kleines Mädchen mit Namen Lucia. Das Kind war bildhübsch. Und Papa sagte ich vorsichtig. Mit einer abfälligen Handbwegung fing sie auf italienisch an zu wettern. Sie zeigte mir eine Couch...auf der ich schlafen konnte...durfte...und ja...ich war dankbar. Nachts hörte ich dann Schritte am laufenden Band...treppauf...trepprunter...und wenn diese nicht zu hören waren...ein Gestöhne das mir schwindelig wurde. Hatte  schon den Verdacht gehabt...als ich an die Hauswand pinkelte...das dieses Haus ein Puff war...oh Entschuldigung...ein Bordell.Aber das sollte mir jetzt in meinem Zustand so etwas von egal sein. Am nächsten Tag...verabschiedete ich mich von ihr...und ihrer Mutter...und dem Kinde. Ich weiß bis heute nicht warum sie es tat...warum sie mich aufnahm und Essen und Trinken gab...und auch mein Schlaf war himmlisch. Ich zog weiter in Richtung Brescia...dann wieder Dezenzarno wo ich mich auf den Dampfer wagte...obwohl ich keine Lire  hatte. Der Kassierer kam herum und wollte von mir Münzen sehen. Gott sei Dank hatte das Schiff schon abgelegt...und ich hoffte ja nicht...das sie mich über Bord werfen würden. Ich erzählte ihm...das meine Eltern am anderen Ende des Gardasee`s auf dem Campingplatz waren...und ich sofort nach Ankunft das Geld holen würde. Natürlich sah mich der Mann nie wieder...schäm dich Rüdiger...aber was blieb mir denn anderes übrig  ?

In Portese lag ich am Strand...als ich von der Polizei aufgegriffen wurde . Ich sagte ihnen...das meine Eltern in Deutschland seien...und bald nachkämen. Unglaubwürdig war ich wohl...das merkte ich an deren Gesichter. Sie nahmen mich zu einem Hotel mit...Restaurante Oswaldo. Es wurden ein paar Worte mit der Besitzerin gewechselt. Ich durfte im Hotel wohnen und essen...aber natürlich nur wenn ich arbeitete. Das war kein Problem. Tagsüber stand ich in der Eisdiele des Hotels und bediente Touristen...aller europäischen Länder...es war echt lustig.Dann Mittagstische decken...Kaffeetime...Abendessen...dann wieder Eisdiele. Da hatten sie aber einen schönen Sklaven gefunden. Abends fiel ich totmüde in`s Bett. Wir lagen mit fünf Jungen auf einem Zimmer. Es waren alles Auszubildende...im ersten Lehrjahr. Die Laune war super auf dem Zimmer...Essen bekamen wir reichlich...die ganzen  Reste von Mittag und vom Abendessen. So viel Fleisch hatte ich noch nie auf einen Haufen gesehen. Hinterher war mir schlecht...und ich übergab mich. Nachts träumte ich von Mama Lupus und von der schönen Zeit bei ihr...ach hätte ich nicht immer da bleiben können ? Zwei Wochen blieb ich im Hotel Oswaldo. Signora Oswaldo war eine hochgewachsene sehr liebe und natürliche Dame...und ach...sie sah so  phantastisch gut aus. Naja...was wollte ich schon ? Ich wunderte mich...das die Polizei sich nicht mehr meldete. Nach diesen zwei Wochen wollte ich nach hause...oh Gott...ich wollte nach hause...war ich denn bekloppt oder lebensmüde ? Was mich da erwarten würde...wußte ich nur zu genüge. Ich verabschiedete mich bei Signora Oswaldo und den Jungens...und marschierte wieder in Richtung Brescia zurück. Hier stellte ich mich der Polizei. Die Vernehmung dauerte über zwei Stunden...Papierkram in rauen Mengen. 

Dann fuhr man mich nach Milano (Mailand). Hier kam ich in ein Übergangsgefängnis...Fingerabdrücke...Gürtel und Schuhriemen abgeben. Wurde dann zu einer Zelle geführt...wo mir der Atem stockte. Anstatt einer Frontwand mit Türe...nur ein Eisengitter wie im wilden Westen. Ich wurde da sehr unsanft hineingestoßen. Da...du dich Decke...sagte der Beamte. In einer Ecke der Zelle lag eine graue Filzdecke. In der anderen Ecke schnarchte jemand vor sich hin. Die Beamten machten sich einen Spaß daraus mir Angst einzujagen.Aufpassen...sagten sie...Mann sehr gefährliche...und du bessere deine Hintern immer an Wande drücke...sie lachten lauten Halses los. Ich wußte genau was sie damit meinten...und scheiße...ich schlief wirklich die ganze Nacht nicht...dafür aber mein Zellengenosse. Er rührte sich nicht...die ganze Nacht nicht...so betrunken war er. Am anderen Morgen bekam ich ein trockenes Brötchen...ohne was drauf...und einen schwarzen Kaffee...damit hätte man die Strasse teeren können. Dennoch...ich bedankte mich...und der Blödel von Wächter grinste schief. Bekam dann Gürtel und Schuhriemen wieder und durfte warten bis nach Stunden ein Streifenwagen kam.Dieser brachte mich dann mit zwei Mann Besatzung zum mailänder Konsulat...wo ich neue Papiere...das heißt...einen Ersatzausweis...und Fahrtgeld  bekam. Super dachte ich...Geld und schüss. Nichts da...der Zug kam...und beide Beamte stiegen mit ein...ich an Handschellen. Wir bekamen ein Dienstabteil...die Türe wurde zugezogen. Irgendwann mußte ich pinkeln...Ok sagte der Beamte und ging mit. Ich stand in der Toilette...er draußen vor der Türe...den Arm nach hinten verrenkt...verbunden durch schöne Armbänder...Handschellen. Oh lieber Gott sagte ich...all`das hast du mitgemacht...um jetzt so zu enden...ich kam mir wie ein Schwerverbrecher vor.

Der Zug hielt dann in Kiefersfelden...Grenze Kufstein. Hier kam ich dann wieder in ein Jugendgefängnis...Villa Paradiso...einen Tag...dann wieder in ein anderes.

Die Nacht war lang und unruhig. Am nächsten Tag kam der freundliche Beamte und nahm mich mit nach vorne in sein Dienstzimmer...und dann...dann...dann...stand da mein S..t...i...e...f...v...a...t...e...r ......und was tat er ?

Er schlug mich windelweich...und der Beamter sah zu ohne einzugreifen.

Scheiße...ich war wieder zuhause....Amen....!

 

Auszug aus "Homo incognita"rudevicus106

rudevicus@gmx.de

23.April 2010  

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Rüdiger Nazar).
Der Beitrag wurde von Rüdiger Nazar auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.04.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Rüdiger Nazar als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Dämonen im Labyrinth der Lüste - Dämonenlady Band 3 von Doris E. M. Bulenda



Beelzebub hatte diesen riesigen Titan verloren. Irgendwo im Weltenlabyrinth hatte er ihn ausgesetzt, und der Titan war auf und davon.
Und dann bat Beelzebub ausgerechnet mich, die Menschenfrau, den Verlorenen zu finden.
Natürlich würde ich nicht allein gehen, dafür wäre das berühmte Labyrinth viel zu gefährlich. Mein dämonischer Geliebter Aziz würde mich begleiten. Neben der Gefahr würde allerdings auch manche Verlockung auf mich warten, in den Gängen des faszinierenden, gewaltigen Labyrinths hausten viele seltsame Kreaturen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (11)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Autobiografisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Rüdiger Nazar

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

autobiographisch...mein Freund Peter von Rüdiger Nazar (Sonstige)
Das Treffen ohne Verabredung von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)
Meine Zahnarzt Besuche von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen