Lieselore Warmeling

Lillis Erwartungen

Sie setzte ihre pechschwarzen, zierlichen Füßchen mit den zart geschwungenen
weißen Krallen auf die Fensterbank und spähte, die zappelnde Maus im Maul,
aufgeregt ins Innere des Zimmers.

AHA, da saß sie ja, die Futternapf-Füllerin, und guckte mal wieder in diesen
komischen schillernden Kasten, auf dem sich immerzu etwas bewegte.

Na, das würde sich aber jetzt etwas plötzlich ändern.

Daß Katzen nicht grinsen könnten, ist ohnehin eine Aussage, die von keinem
Katzenfreund je akzeptiert wird.
Hätten diese Nichtswisser jetzt Lilli im Blickfeld gehabt,
wäre diese Frage ein für allemal geklärt, denn sie verlor wegen dieses
erwartungsfreudigen Lächelns fast ihre Beute aus dem Maul.

Was ja nicht sein durfte, denn jetzt begann das große Spiel, und die
Erwartung schnürte ihr fast die kleine schwarze Kehle zu.
Mit einem Satz sprang sie ins Zimmer und gurrte leise.

Die Essensbeschafferin löste für einen Moment, freundlich lächelnd ob der
kurzen Störung, den Blick von den bewegten Bildern.

Die Katze - noch immer ihr selbst gefangenes Abendessen im Mäulchen - hatte ihre
grünen, unergründlichen Augen auf die Menschin gerichtet und sah aus,
als erwarte sie zumindest, daß ihre Beute reine Freude auslöse.

Nicht, daß sie bereit gewesen wäre zu teilen, wurde ihr doch ebenso verboten,
bei Tisch zu betteln, nein, aber so ein klitzekleines, bewunderndes
"Das hast DU aber fein gemacht", das müßte doch drin sein...oder?

Pech gehabt, wieder mal nicht den Geschmack der Menschin getroffen,
aber warum schrie die denn bloß so?
Na gut, die Maus war das Ergebnis einer langen Sitzung vor dem Mauseloch,
bei der Lilli fast die Füße eingeschlafen wären, aber daß ihr Erfolg
jetzt mit Freudenschreien kommentiert wurde, war das nicht etwas übertrieben?
Und jetzt stieg Menschin auch noch auf den Stuhl und schrie immer noch,
dabei wußte sie doch, daß man als Katze Lärm nun absolut nicht mag.

Tadelnd öffnete Lilli das Maul zum miauenden Protest, und schwups,
entkam ihr die lebende Beute und schoß wie von Furien gehetzt durchs Zimmer.
Jetzt mußte Menschin gleich der Schlag treffen, sie kreischte, als habe man
ihr für mindestens 10 Tage den Entzug von Vanilleeis mit Sahne
- das Lieblingsfutter von Lilli - angedroht, und das rief jetzt endlich "Mensch" auf den Plan.

Es wurde ernst.
Mensch, das war eine Sache für sich, mit dem liefen diese Lilli-Menschin-Spiele nicht,
der war Respektsperson, mit dem zu spielen war nur möglich,
wenn man sich als Katze gesegneten Alters doch noch herabließ,
hinter einer Kugel aus Staniolpapier herzurennen.
Mensch hatte etwas für sportliche Betätigung übrig, während Menschin
so bequem und träge sein konnte wie man selbst,
was den Umgang mit ihr auf Angenehmste gestaltete.

Mein Gott, sagte Mensch tadelnd, stell dich doch nicht so an,
das ist doch nur ein klitzekleines Feldmäuschen.

Ja, schrie Menschin laut, aber sie lebt noch, und willst du die jetzt endlich fangen?

Und, den wütenden Blick auf Lilli gerichtet, rief sie: Du verdammte Kannibalin,
das ist schon die dritte Maus diese Woche, kannst du die nicht draußen
hinter die Kiemen hauen? Und als abschließende Drohung: ...ich kann dich nicht leiden du Biest!

Na ja, das mußte man als Kätzin in diesem Haushalt nicht so eng sehen,
dergleichen hatte Menschin in regelmäßigen Abständen immer mal drauf
gehabt in den siebzehn Jahren, die Lilli jetzt persona grata in diesem Haus war.
Sie sagte es mit angewidert verzogenen Mundwinkeln, wenn sie später die
Reste der verspeisten Maus entsorgen mußte, oder wenn Lilli keine Lust hatte,
nach draußen zu gehen, um ihren Magen von den Grashalmen zu befreien,
die doch extra zur Rundumerneuerung des Wohlbefindens irgendwohin erbrochen werden mußten.

Besonders heikel war Menschin dann, wenn das auf dem dicken Flor des Teppichs geschah.
Na ja, immerhin mußte sie doch zugeben, daß Lilli schon seit einiger Zeit
bei dieser unerquicklichen Abweichung der gegenseitigen Ansichten
einen Kompromiß schloß und sich elegant, aber regelmäßig,
auf den blanken Parkettdielen erbrach.

Aber diesmal schien sie durchaus gesonnen, längere Zeit
Vergeltungs-Liebes-Entzug zu verhängen, obwohl Mensch doch inzwischen
mit einem großen Arbeitshandschuh die Maus gefangen und wieder im Garten ausgesetzt hatte.

Schade eigentlich, das knackte immer so schön, wenn das Abendessen noch lebte.
Vorsichtig umkreiste Lilli Menschin, aber da war nichts zu machen,
keine Aufforderung, auf den Schoß zu springen und Nasenküssen zu üben.

Sie wurde keines Blickes gewürdigt.

Ihre Erwartungen, daß Menschin doch endlich verstehen lernen würde,
daß sie nichts anderes im Sinne gehabt habe, als ihre Jagdqualitäten
bewundern zu lassen, sogar - wenns denn hätte sein müssen -
auch noch mit Menschin geteilt hätte, damit die den hinreißenden Genuß
zarten Fleisches endlich wahrnehme, all das ging unter in Katzenjammer.

Und der ertönte jetzt buchstäblich, laut und fordernd.

Jammernd und beleidigt. Lilli probte den kätzischen Widerstand.

Nichts fruchtete.
Menschin schien taub, blind und stumm.
Ohh...was jetzt?

Hätte Lilli seufzen können, wäre jetzt der Zeitpunkt gewesen, dergleichen zu versuchen.

Doch HALT, man war ja schließlich wer, einfallsreich zumindest.
Vorsichtig sprang Lilli neben Menschin auf die Couch,
setzte sich mit dem Gehabe einer filigranen Porzellankatze
in Positur und spielte "Ägyptische Königin".

Das hieß, man hatte bewegungslos, die grünen Augen auf Menschin
gerichtet, stummen Vorwurf im Blick, um Verzeihung zu bitten,
aber natürlich mit genau der Würde einer ägyptischen Königin.

Erwartung pur.

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