Sigrid war eine Schönheit, gesegnet mit
den Genen der Gesundheit und Langlebigkeit,
mit einer Haut wie ein frisch rasierter
Pfirsich
und einer Figur wie Brigit Bardotin ihrer Glanzzeit.
Wenn sie einen Saal betrat, wurden die
Männer
zu balzenden Hormonschleudern
und Sigrid pflückte sich den Galan des
Abends regelmäßig aus einem Überangebot
williger Kerlchen, die ihr Erstgeburtsrecht
dafür hergegeben hätten,
die schöne Sigrid aufs Lotterbett zu
kriegen.
Zunächst, denn das änderte sich
gelegentlich
im Verlauf des Abends und mit
Sigrids zunehmender Alkoholisierung.
Die schöne Sigrid hatte nämlich eine
Schwachstelle.
Sie soff zuweilen wie eine ausgetrocknete
Senke, verlor peu a peu die Kontrolle
über Stimme und Habitus und neigte in
diesem Zustand zum Ritt auf dem Tiger.
Sie bestritt zwar am nächsten Tag das
Ausmaß ihrer alkoholisierten verbalen Seiltänze,
aber wenn man ihr in diesen Nächten einen
Docht in den Mund gesteckt hätte,
würde sie zwei Wochen am Stück gebrannt
haben.
Ihre respektlosen Sprüche bei diesen
Anlässen
waren danach für mindestens
vier Wochen Tagesthema im Betrieb und unser
Boss, der ansonsten durchaus
ebenfalls eine Schwäche für Sigrid
hatte, bemühte sich unablässig, die Tatsache
vergessen zu machen, dass Sigrid sich in
Anwesenheit
seiner zur Salzsäule erstarrten
Gattin auf seinen Schoß gesetzt und
darauf bestanden hatte, schmutzige Lieder mit ihm zu singen.
Irgendwann wars dann mal wieder so weit.
Sigrid trotz ihrer Bombenabschlüsse in
unserem Außendienst vorübergehend
in Ungnade gefallen und die lieben
Kolleginnen
zerrissen sich das Maul darüber,
dass sie gegen 24 Uhr auf einem der Tische
getanzt und lauthals gegröhlt hatte,
dass ihr das Überangebot an Tetesteron
in diesem verdammten Stall die Wahl unnötig erschwere.
Stattdessen griff sie sich unseren
wichtigsten
Kunden und riet dessen schockierter Begleitung,
sich nicht den ganzen Abend an ihrem
Kokosmilch-Drink
festzuklammern,
denn dass die gegen Zellulitis wirke, sei
auch nur ein Gerücht.
Wie auch immer, Sigrid hatte mal wieder
den
Mixbecher aller möglichen
Respektlosigkeiten bis zum Rande gefüllt
und ihn höchselbst ausgeschenkt,
großzügig bis zum Exzeß.
Im Zustand der Besäufnis fast ein
Ritual,
so unaufhaltsam wie die Sintflut.
Sigrid als moral- und respektfreie Zone.
Dann aber kam der Tag, an dem Sigrids
Vorliebe
für Hochprozentiges ihr die
Niederlage ihres Lebens einbrachte, nebst
einem Eklat, bei dem sie dann beinahe
auch noch ihre Existenz verloren hätte.
Sigrid verliebte sich Hals über Kopf und, man fasst es nicht, einseitig.
Jemand schien ihr zu widerstehen und mir
war
nie völlig klar, ob es gerade diese,
für sie völlig neue Reaktion eines
Mannes war, die sie brennen ließ wie eine
Scheune in die der Blitz eingeschlagen
hatte.
Der Gegenstand ihrer Begierde tauchte
anlässlich
eines Jubiläums in Begleitung
der Firmenleitung auf und war einer dieser
Männer, die einen Raum zu beherrschen
scheinen und den Rest der anwesenden
Geschlechtsgenossen
zu Vasallen degradieren.
Er verkörperte Macht, und eine
Gelassenheit,
wie sie nur Menschen zu eigen ist,
die vollkommen in sich ruhen.
Sigrid hatte ihm zu diesem Zeitpunkt
allerdings
zwei Stunden und mindestens
sechs Bloody Mary voraus, tödlich für
Eroberungsgelüste.
Das Drama begann in dem Moment, als Sigrid
sich vor aller Augen auf der
Tanzfläche von ihrem Partner löste,
um stattdessen den Tisch des Fremden anzusteuern.
Wild ihren Glockenrock schwenkend
posierte
sie, wirbelte um seinen Tisch und
forderte ihn mit blitzenden Augen und dem
stolzen Gehabe
einer Carmen von Sevilla zum Tanz auf.
Er hatte sie bis dahin offensichtlich
nicht
wahrgenommen und blickte auch jetzt
eher peinlich berührt, denn er war mitten
in einem Gespräch mit den Managern unserer Hauses.
Dennoch stand er galant auf, führte
Sigrid
aber nicht zur Tanzfläche,
sondern zu ihrem Platz zurück, wo er
sich mit einem angedeuteten Handkuss verabschiedete.
Eine Absage vor den Augen aller Firmenangehörigen, das war etwas völlig Neues für Sigrid.
Es sah zunächst so aus, als habe es ihr
nicht nur die Sprache verschlagen,
sondern sie auch jäh ernüchtert.
Sie saß auf ihrem Stuhl, zum erstenmal
in ihrem Leben ausgepunktet.
Vielleicht wäre noch alles gut gegangen,
aber der Mann, den sie vom ersten
Blick an für den Mann ihres Lebens –
für Mister Right - hielt,
stand wenige Minuten später mit der
Firmenchefin
auf dem Parkett .
Er war ein außergewöhnlich eleganter
Tänzer , es war ein Genuß den beiden zuzusehen.
Aber ein Affront für Sigrid.
Die Königin auf jedem Betriebsfest,
abserviert
wie eine lästige Table-Tänzerin.
Und jeder hatte es gesehen.
Sie stand auf, warf ihre schwarzen
Locken in
den Nacken, leerte das vor ihr stehende
Brandyglas in einem Zug und wurde aktiv.
Hatte sie nicht noch jeden Mann
bekommen, den
sie haben wollte?
Das konnte, durfte gerade diesmal nicht
anders
sein.
Sie ergriff eine der Rosen, die in
schmalen
Kelchen auf den Tischen standen ,
nahm den Stiel zwischen die Zähne und
rauschte, einen wilden Flamenco tanzend,
auf die Tanzfläche.
Das heisst, sie wollte.
Nach den ersten wild-erotischen
Tanzschritten,
aller Augen waren bereits auf sie gerichtet,
verlor sie die Balance. Der Brandy war wohl
doch zuviel gewesen.
Sigrid stürzte mitten zwischen die Tänzer
und landete, den weiten Rock über den Kopf gestülpt,
wie eine blinde Flunder direkt vor den
Füßen
von Mister Right und dessen Tänzerin.
Dabei klammerte sie sich an seinen
Hosenbeinen
fest, er kam aus dem Tritt und fiel,
seine Tänzerin mit sich reißend
, ebenfalls zu Boden.
Ein Malheur, aber immer noch keines, das sich nicht hätte beheben lassen.
Anstatt sich aber aufhelfen zu lassen
und sofort
den Schauplatz ihrer Blamage
zu verlassen, setzte Sigrid sich auf und
begann
schallend zu lachen.
"Großer Gott", keuchte sie, "so eilig,
mich flachzulegen musst Du es doch nun
auch wieder nicht haben, wir müssen uns
doch erst mal kennenlernen."
Dann schüttelte sie sich erneut vor Lachen
und krähte
" hier ruhen meine Beine, ich wollt es
wären
Deine."
Das war dann der entscheidenden Tick
zuviel.
Unser Boß half seiner Ehehälfte
auf die Füße und versuchte dasselbe
auch mit Mister Right, der mit
schmerzverzerrtem
Gesicht auf dem Boden
saß und sein Knie hielt.
Vergeblich, er kam nicht hoch. Die Kniescheibe war aus dem Gelenk gesprungen.
Mit einem mörderischen Blick auf Sigrid
sagte er mit eiskalter Stimme,
"man schaffe diese entsetzliche Person aus
meiner Nähe,
sie ist eine Beleidigung für ihr
Geschlecht."
WOW........
Sigrid verstummte, als habe er ihr ins
Gesicht
geschlagen.
Dann stieß sie die helfenden Arme weg,
krabbelte auf allen Vieren aus
Mister Right’s Dunstkreis und verließ
hocherhobenen Hauptes den Ort ihrer Schmach.
Die damaligen Ereignisse je wieder zu
erwähnen,
lag nicht in Sigrids Interesse,
zumal sie nur mit knapper Not eine
fristlose
Entlassung umgehen konnte.
Ihr stets gefülltes Auftragsbuch gab dann doch noch den Ausschlag, zumindest dachte sie das damals.
Aber als sie mit mir sprach, war sie
bereits
nicht mehr die Sigrid, die wir alle kannten.
Sie hatte in den zurückliegenden 18 Monaten
eine totale Wandlung durchgemacht.
Sigrid war abstinent geworden und das nicht nur in Bezug auf Alkohol, sondern auch auf Männer.
Und nun hatte sie gerade erfahren, dass
es
Mister Right war, der damals ihre
Entlassung verhindert hatte.
Sie saß vor mir, strahlte wie die
aufgehende
Sonne und in ihren wunderschönen Augen
war dieselbe Eroberungslust und
Entschlossenheit
wie früher.
Ich hätte keinen Cent mehr darauf
verwettet,
dass Mister Right noch eine Chance hat
Sigrid zu entkommen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.04.2010.
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