Beeindruckend stand der Feuerball am Abendhimmel und schenkte den umliegenden Wolken einen Kranz aus Helligkeit. Die Ankündigung eines neuen, schönen Sommertages war damit verbunden. Ein zarter Wind fuhr durch das reifende Korn und formte Figuren in das Feld. Unzählige Blüten bereicherten die Luft mit ihren Düften. In tiefen Atemzügen genoß Gesa die Gerüche der Sommerzeit. Sie lauschte dem Gesang der Vogelstimmen. Es klang wie ein Loblied auf ihren Schöpfer und Danksagung zugleich für eine gelungene Aufzucht ihrer Jungen.
Einmal im Monat stattete die Frau, dem Ort ihrere Kindheit, einen Besuch ab. Die Ortsverbundene liebte den Weg zwischen den zwei Dörfern. Sie nannte ihn " Den Weg der beschaulichen Einkehr." Nicht, dass Gesa mit ihrem Schicksal haderte - oh, nein ! An ihrer Seite stand ein liebender Ehemann namens Eberhard. Aus dieser Verbindung entsprang eine Tochter, Florentin, ihr ganzer Stolz. Nur langsam pochte das Alter an ihre Lebenstür. Oftmals erschwerte ein aufkommendes Rheuma den Tagesablauf.
Inzwischen erreichte die Frau eine große Graslandschaft, die noch ihr Ziel zu Mann und Kind trennte. Ganz in Gedanken versunken bemerkte Gesa die Gewitterfront nicht, welche sich über ihr zusammen braute. Ein mächtiger Donnerschlag samt Blitz entlud sich und schreckte Gesa aus ihren Träumen auf. Spürbar schlug ihr Herz bis in den Hals hinauf. Die Grasebene, ohne Baum und Strauch, bot keinen Schutz vor dem folgenden Regenguss. Gesa hörte die Stimme ihrer verstorbenen Mutter.
" Kind solltest du einmal vom Gewitter überrascht werden und keine Schutzmöglichkeit finden, lege dich flach auf den Erdboden. So bietest du dem Blitz wenig Angriffsfläche. Die Natur sucht sich meistens den höchsten Punkt zur Entladung der Elektrizität aus. "
Die Tochter folgte dem Rat und legte sich der Länge nach in eine Grasmulde. Ein heftiger Regen setzte ein und durchdrang ihre Kleider bis auf die Haut. Mit geschlossenen Augen horchte sie in die gewaltigen Donnerschläge, die manchmal kurz hintereinander folgten oder ohrenbetäubend über ihr ausbrachen. Gefolgt von den aggressiven Blitzen, welche wie Feueradern über den Himmel jagten und ein helles, kaltes Licht verursachten.
Plötzlich durchlief ein stechender, krippelnder Schmerz Gesas Körper. Ihre Wahrnehmung wich einem Betäubungsschlaf. Als die Frau das Bewusstsein wieder erlangte umgab sie Dunkelheit. Das Unwetter hatte sich verzogen und nächtliche Stille herrschte. Wie lange Gesa auf der Erde gelegen und geschlafen wusste sie nicht. Verwirrt musste sich die Frau einen Moment orientieren wo sie überhaupt war. Kälte und Starrheit wich langsam aus ihren Gliedern und das Leben kehrte zurück in Ihren Körper. Unsicher setzte sie den Weg fort und erreichte glücklich das Haus ihrer Lieben. Eberhard erwartete Gesa bereits in der offenen Tür.
" Gesa wo bist du gewesen ? - Wir haben dich überall gesucht ! ?"
Sorgenvoll betrachtete er seine Ehefrau. Der Mann glaubte in das Gesicht einer zehn Jahre jüngeren Frau zu schauen. Ein verstörter Blick streifte den Mann. Durch einen Riss, der das Kleid in zwei Hälften teilte, lief eine Brandspur. Sie begann mit einer Schulterwunde, die wie das Tattoo einer Brosche aussah. Dort saß noch vor ein paar Stunden das Original. Entlang der Metallknöpfe konnte man den weiteren Verlauf der Blitzeinwirkung erkennen.
Sehr viel später stellte Gesa mit Verwunderung fest, dass das Rheuma der Vergangenheit angehörte.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.04.2010.
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