Steffen Christians

Über die Wemen

Anmerkung des Autors:

Der Gedankengang um die Kuppelwelt und die Wemen in meiner ersten hier veröffentlichten Geschichte „Vilial Gecantes“  hat sich weiter entwickelt und ich überlege diese Welt mit mehr Hintergrund auszubauen. Also eine Reihe Kurzgeschichten in einer sich mehr und mehr aufbauenden und entwickelnden Welt. Vielleicht findet sich ja der eine oder andere interessierte Leser. Die folgende Geschichte behandelt vorrangig die Wemen und deren gesellschaftliche Entwicklung.

 

Der Wemen, eine menschliche Abart, ein Mutant oder auch Ameisenmensch genannt. Ein sechsarmiges schlankes Wesen, mit einer gewaltigen Körperlänge von 2,5 bis 3 Metern. Einige von ihnen sollen sogar bis zu 3,5 Meter lang geworden sein.  Die Gesichter sind noch sehr menschlich geblieben, werden aber durch ihre Facettenaugen die weit aus dem Kopf hervortreten stark entfremdet. Das Gehirn des Wemen ist in einigen bisher ungenutzten Teilen aktiv geworden, unterscheidet sich aber sonst nicht von dem eines Standard-Menschen. Wissenschaftler vermuten, dass die neu aktiven Gehirnteile zur Steuerung der 2 zusätzlichen Armpaare und die Bildverarbeitung der Facettenaugen genutzt werden. Eine genaue Zuordnung der Gehirnfunktion ist bis dato nicht möglich. Das sind die optischen Unterschiede zwischen einem Standard-Menschen und einem Wemen. Im Körper unterscheiden sich die beiden weitaus mehr, während ein Mensch mit einem Herzen und zwei Lungenflügeln umherläuft, haben sich bei einem Wemen 2 weitere Herzen gebildet um die benötigte Versorgung des Kreislaufs zu bewältigen. Statt 2 Lungenflügeln, hat sich ein großer länglicher Lungenflügel gebildet, der ein 5-faches des menschlichen Lungenvolumens verarbeiten kann. Die gesamte Knochenstruktur ist härter geworden, die Muskeln sind dichter.  Ein Wemen kann bis zu 90 Minuten unter Wasser bleiben, er kann ein Vielfaches seines Körpergewichtes heben und tragen.

 

Die Gesellschaft ist nur zu einem geringen Prozentsatz von der Wemenisierung betroffen und reagiert häufig dementsprechend auf Wemen. Nachdem die Wemen von den Standard-Menschen als „menschenähnliche Wesen ohne gesellschaftlichen Status“ abgestempelt wurden, wurden sie zu billigen Arbeitskräften degradiert, die in den Städten nichts zu suchen hatten. Es ist sogar so weit gegangen, das Gesetze gegen den Aufenthalt von Wemen in den Kuppelstädten erlassen wurden. Damit wurden die Wemen in die unwirtlichen Slums verwiesen, die sich um die Städte bildeten. Die Luft ist hier schlecht, die starken Sand-Winde können einen Menschen in Sekunden die Haut abziehen und ohne Gesetz und Ordnung ist alles in der Hand von Warlords die mit ihren Söldnerarmeen kleine gebiete besetzt halten. Kaum einer geht ohne Atemschutz vor die Haustür. Doch auch hier unter den Ausgestoßenen, Gesetzlosen, Drogensüchtigen, Waffenhändlern, Prostituierten und sonstigem Abschaum der Gesellschaft werden die Wemen kaum akzeptiert. Viele haben sich in die Kanalisation geflüchtet um dem Tod oder der Versklavung zu entziehen. Extrem wenige Wemen zeigen sich offen an der Oberfläche und die wenigen die sich zeigen sind entweder Sklaven oder angeheuerte Muskeln eines Warlords und stellen meist seine Leibgarde. Die körperlich überlegenen Wemen eignen sich besonders gut für diese Arbeit das sie zäher sind, aufmerksamer und mit ihren sechs Armen mehr Waffen tragen können. 

 

Einem Warlord ist dieser Vorteil sehr bewusst und er versucht möglichst nur Wemen anzuheuern. Der 2te Punkt warum er fast nur Wemen anheuert, ist das er selbst die ersten Spuren der Wemenisierung spürt und sich sicher ist in den nächsten Jahren selbst zu einem der mutierten Menschen wird. Das Gebiet, das er für sich beansprucht ist am äußersten Rand der Slums angesiedelt und beherbergt eine Wemen-Enklave in der Kanalisation unter sich.  Das Gebiet würde kaum ein anderer Warlord für sich beanspruchen wollen, die meisten waren froh, dass so viele Wemen in das Randgebiet umsiedeln. Die steigende Wemen-Population hat mittlerweile dafür gesorgt, dass dem jungen Warlord eine hohe Menge an Materialabgaben und Arbeitern zur Verfügung steht. In alten Bergwerkstollen wurden hochmoderne und schwer bewachte Labore eingerichtet. In der Kanalisation hatte er eine kleine Militärbasis eingerichtet, die jedem Wemen eine kostenlose Ausbildung anbietet. Tatsächlich war sein Gebiet mittlerweile komplett autark und er konnte endlich anfangen sich um seine Mutation zu kümmern. Im Gegensatz zu den meisten Menschen sieht er die Mutation des Körpers nicht als Strafe, sondern als Geschenk der Götter. Dieser junge Mann ist bereit für seine Verwandlung und freut sich auf die vielfältigen Möglichkeiten, die ihm die Zukunft eröffnen wird.

 

Dieser Warlord ist allgemein als „Echat“ bekannt, der Beiname gefällt ihm weniger. „Der Ameisenfreund“ war für ihn, schon seit dem ersten mal wo er ihn gehört hatte, ein Dorn im Auge. Aber ein Freund hat seinem Ärger jäh ein Ende gesetzt, er sagte:“ Hey Echat, sei froh, so können sie dir später nicht einfach irgendeinen neuen Beinamen verpassen, sie werden sich der Einfachheit halber für „Echat die Ameise“ entscheiden. Es hätte auch schlimmer kommen können, zum Beispiel könnten sie dich auch „Echat der Mutantenficker“ nennen…“ Die Vorstellung des scherzhaft genannten Beinamens fuhr Echat kalt den Rücken runter. Seitdem ist er mit seinem Beinamen relativ gelassen durch die Welt gegangen. Mit jedem Tag der vergeht hofft er auf eine weitere Veränderung, er hofft, dass sich endlich die zusätzlichen Arme zeigen. Er wartet darauf, dass er den Wachstumsschmerz in den Beinen spürt oder wie seine Lungenflügel zusammenwachsen.  Er weiß, dass es eine schmerzhafte Verwandlung wird, aber mit jedem Tag wird seine Erwartung größer.

Es ist der 8. Mai 2234 und ein kalter staubiger Morgen bricht an. Die ganze Nacht ist ein Sandsturm durch die Häuserschluchten gefegt und hat außer einigen zersetzten Menschen nur eine feine Sandschicht zurückgelassen. Plünderer durchsuchen die Leichen nach brauchbarem und vereinzelt laufen noch einige leichte Mädchen durch die Straßen in der Hoffnung auf den einen oder anderen Freier. Die wenigsten hatten gestern ihren Tagesschnitt gehabt und nur die fitteren haben das Ende des Sandsturms abgewartet um sich zur Verfügung zu halten. Ein Söldnertrupp marschiert durch dunkle Gassen und eröffnet ohne Vorwarnung das Feuer auf die Plünderer um doppelt Plündern zu können. Einer der wenigen fahrenden Händler hat seinen Fell-Stand aufgeklappt und wartet auf Kundschaft, zu seinem Schutz stehen knapp ein Dutzend Straßenkämpfer um den Stand verteilt und beobachten die Söldner bei ihrer Arbeit.  Aus einem alten U-Bahnhof verlassen drei Wemen die dunkle Untergrundwelt und begutachten die Schäden die der Sandsturm an den Bahnhofsgebäuden angerichtet hat. Der älteste von ihnen, ein Weme mit dem Namen Goslaph, spricht leise in sein Funkgerät und gibt Schadensmeldungen durch. Die beiden anderen nehmen an der Treppe Haltung an und begrüßen den jungen Mann der in dunkle Gewänder gekleidet die Dunkelheit verlässt.

Ohh Echat, erleuchte uns“ skandieren die drei Wemen im Chor.

Seid erleuchtet“ lautet die knappe Antwort, die krächzend aus der Kehle des Warlords kommt.

Mit geübtem Auge überblickt er den Bahnhofsvorplatz und bleibt schließlich bei dem Fellhändler haften. Nach kurzem überlegen, bemerkt Echat: „ Wer ist der Händler dort? Hat er eine Erlaubnis auf meinen Straßen Handel zu treiben?

Trupp Skola, abdrehen und den Fellhändler überprüfen!“ schnauzt Goslaph in sein Mikrofon.

Wird sofort überprüft, Herr“ antwortet er direkt danach unterwürfig seinem Herrn.

Mit einem schnellen Schwenk dreht der Trupp Söldner direkt auf den Händler und seine Bewacher zu. Ohne weitere Reaktionen abzuwarten eröffnen die Straßenkämpfer das Feuer auf die anrückenden Söldner, die direkt Deckung suchen. Eine Granate fliegt über die Köpfe der Deckung Suchenden hinweg und reißt ein großes Loch in den Asphalt. Ein Söldner sackt kreischend zusammen und verstirbt Sekunden später an den Splittern der Granate die seinen Rücken durchsiebt haben. Nachdem sich der Trupp Skola in Deckung befindet und geordnet hat, wird das Gegenfeuer eröffnet und lautes Knallen der schweren Gewehre erfüllt die Häuserschlucht mit einem grausigen Hallen. Die meisten der Söldner sind mit Scharfschützengewehren ausgerüstet und entsprechend gute Schützen. Die wenigen Wiedersacher werden in wenigen Minuten besiegt und die Söldner fangen an die Leichen zu plündern.

Die hatten keine Handelserlaubnis“ tönt es aus dem Lautsprecher an Goslaphs Schulter. Mit einem stummen Nicken, wird die Antwort von Echat als akzeptiert angenommen. „Gut, räumt auf!“ gibt Goslaph noch schnell durch, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Warlord zuwendet. Nach ein paar Minuten sind die restlichen Schäden begutachtet und die vier Personen verschwinden wieder in den dunklen Tunneln der Unterwelt.

 

Ein paar Monate später, genauer am 19. August 2234, liegt Echat mit hohem Fieber auf seinem Bett und drei seiner wichtigsten Angestellten stehen mit besorgten Gesichtern um ihn herum. „Nun beginnt die kritische Phase, wenn er die durchsteht, dann hat er es fast geschafft. Die Knochenstruktur verschiebt sich jetzt mehrere Millimeter pro Minute, ein extrem schmerzhafter Vorgang. Aber der Körper muss nunmal Platz für die neuen Organe und den Lungenflügel schaffen. Hier sieht man wie sich die Brustknochenplatte angefangen hat sich zu bilden.“ sagt ein Standard-Mensch und zeigt auf das abgeflachte Brustbein von Echat. Der weiße Kittel mit dem Stern aus sechs Armen zeichnet den Mann als Leibarzt von Echats Stab aus, das verschmierte Namensschild an seiner Brust zeigt in großen Lettern seinen Namen „Johann von Gottersblitt“. „Wie stehen denn seine Chancen?“ fragt Goslaph ihn. „Da er sich seit Monaten darauf vorbereitet hat, gehe ich davon aus, das er ohne große Probleme durchkommt, er ist in der Blüte seiner Jugend und außerdem Topfit.“ antwortet der Arzt. „Da bin ich aber beruhigt…“ seufzt die Wemenfrau, die unruhig neben dem Bett auf und abgeht. „Du sollst dir nicht soviele Sorgen machen Amalita!“ wendet sich Goslaph der Frau zu „Er ist stark und wird schon werden, dein Sohn wird sicher nicht ohne Vater aufwachsen.

Am 16. Dezember 2234 glüht die Sonne bereits früh am Morgen heiß auf die Slums herunter. Wabernde Luft erschwert die freie Sicht und die Hitze staut sich in den Straßen.  Ein paar Plünderer haben sich trotz der extremen Verhältnisse nach draußen gewagt und suchen nach Beute.  Ein Stoßtrupp schwer bewaffneter Soldaten arbeitet sich Haus für Haus durch die Straßen und schießt auf alles was sich bewegt. Aus einzelnen Fenstern blitzen Schüsse auf und feuern auf die vorrückenden Truppen. Ein Krieg wird geführt. Nachdem die Umwandlung des Warlords „Echat die Ameise“ bekannt wurde, hat die Gesellschaft der Kuppelstadt sich für Sicherheitsmaßnahmen entschieden und beschlossen die Bedrohung durch das Mutantenviertel zu bekämpfen. Mit schwer gepanzerten Soldaten wurde ein breiter Streifen bis zu Echats Reich geradezu ausradiert. Kaum mehr ein Wohnblock hatte die schweren Geschütze überstanden und die Warlords die zwischen der Stadt und dem Randviertel liegen, haben sich schnell zurückgezogen und ihre Gebiete aufgegeben. Einen Krieg mit der Stadt wollte sich keiner von ihnen erlauben. Erst als die Truppen die Grenzen zur sogenannten „Mutantenbastion“ übertreten hatten, wurde ihr vorankommen fast schlagartig gestoppt. Die Wemen haben sich entschlossen ihre Freiheit und ihre Stadt nicht einfach von den Standard-Menschen überrennen zu lassen. Der erste Trupp der sich durch die Straßen schob, wurde von gerademal 4 Wemen im Nahkampf zerfetzt. Jetzt hat sich ein blutiger Häuserkampf entwickelt und die Verluste auf beiden Seiten sind schmerzlich. Auf einem alten Hochhausdach steht der Wemen-Warlord Echat und begutachtet das Schlachtfeld aus seiner erhöhten Position. Die Umwandlung zum Wemen ist fast abgeschlossen, lediglich die Beine müssen noch ein Stück wachen. Er streckt seine sechs Arme weit von sich und genießt einen Augenblick den Ausblick, bevor er sich wieder seinem Schlachtplan zuwendet. „Das war also der Anfang eines langen Krieges. Vielleicht würde eines Tages eine Seite gewinnen und so entscheiden wie sich die Welt weiter entwickelt.  Vielleicht auch nicht…“ dachte er bei sich.

 

E s ist der 1 Januar des neuen Jahres 2235 und auf den Straßen herrscht ein Patt-Zustand. Kaum ein Feuergefecht  findet derzeit statt. Selten geraten die Patrouillen aneinander, meistens gehen sie sich gezielt aus dem Weg. Der Krieg war zu einem diplomatischen Spektakel geworden, Abgesandte beider Seiten treffen sich zu Gesprächen, eine Lösung um diesen sinnlosen Krieg zu beenden wird gesucht. Bereits nach wenigen Stunden ist ein Waffenstillstand unterschrieben und die Soldaten und die Wemenkrieger ziehen sich in ihre Stellungen zurück. Um die Kuppelstadt geht das Leben weiter wie gehabt, nur auf dem mehrere Häuserblocks breiten Streifen zwischen der Stadt und Echats Reich laufen Soldaten ihre Patrouillen. Die Kuppelstadt glänzt in der untergehenden Sonne und bedeckt die schmutzigen dunklen Slums mit einem erhabenen Glitzern. Wie lang dieser Zustand anhält wagt noch keiner zu sagen und wenn sie wüssten das der Waffenstillstand noch Jahre andauern würde, hätte jetzt vermutlich irgendwer wieder abgedrückt. Das ist die Welt wie sie ist, weltweit ereignen sich in vielen Kuppelstädten ähnliche Geschehnisse, an manchen Orten wird die Wemenbevölkerung systematisch ausgerottet, in kleineren Orten übernehmen die Wemen die Kontrolle und versklaven die Standard-Menschen. Und in einer dieser Städte wird ein kleines süßes Mädchen geboren und wird ihren Weg durch diese grausame Welt nehmen müssen. Einen weiten Weg, denn sie ist als Nomadin geboren worden, fahrende Händler die zwischen den Kuppelstädten hin und her reisen um ihre Handelsgüter meistbietend zu verkaufen. Doch das ist eine andere Geschichte…

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.05.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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