Katja Ruhland

Der Heilige vom Cafe

Eigentlich wusste ich noch nicht einmal, was ich hier machte. Hier in diesem, für meinen Geschmack, viel zu altmodisch eingerichteten Cafe und dem mir, bis vor wenige Minuten, völlig unbekannten Mann. Er hatte sich einfach zu mir gesetzt, obwohl der Cafe fast leer war. Wahrscheinlich war er einer jener Heiligen, die meinten, sie müssen einem Mädchen mit verheulten Augen helfen. Er fragte mich was denn los sei. Nichts war meine Antwort. Was sollte ich denn auch schon groß sagen? Dass mein Freund gerade mit mir Schluss gemacht hatte? Dass ich am Boden war und mich am liebsten von der nächsten Klippe gestürzt hätte? Nein, das ging ihn nun wirklich nichts an.
Ich hatte extra für diesen Fremden ein gekünsteltes Lächeln aufgesetzt. Meine Probleme gingen ihn nichts an, sie gingen niemanden etwas an. Auch mich bald nicht mehr. Er konnte so freundlich sein, wie er nur wollte, es würde nichts ändern. Mein Freund würde nicht zu mir zurück kommen – und ich würde mich auch von meinem Entschluss nicht mehr abbringen lassen! Noch ein letzter Kaffee, dann die Brücke – und dann das Ende.
Wahrscheinlich spürte er meine Gedanken, oder er fühlte einfach, dass es keinen Sinn hatte mich weiter fragend anzusehen. Er legte seinen Blick ab und begann mir von seiner Familie zu erzählen. Er war seit nun zwölf Jahren verheiratet. Er hatte zwei Kinder im Alter von acht und fünf. Von Beruf war er Arzt, er hatte wohl irgendwo in der Stadt eine eigene Praxis.
Das alles war mir egal. Es änderte nichts.
Irgendwann schien auch er dies einzusehen, denn noch bevor er seinen Kaffee ausgetrunken hatte stand er auf und verabschiedete sich mit den Worten ‚Ja, das Leben ist schon nicht einfach. Manchmal sogar sehr schwer.’
Er stand auf und ging. Ich sah ihn nie wieder, was nicht zuletzt daran lag, dass er das Cafe verließ um zum nächstgelegenen Hochhaus zu fahren, wo er sich dann aus dem siebten Stockwerk in die Tiefe stürzte.
Ich selbst, die ich den halben Tag über Selbstmord nachgedacht hatte, tat nichts der Gleichen.
Ich war noch lange im Cafe geblieben und hatte nachgedacht und noch heute hallen mir seine vermutlich letzten Worte nach: Ja, das Leben ist schon nicht einfach. Manchmal sogar sehr schwer.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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