Hans Günther Abdelkrim

Gefangen










Die Sonne weckte ihn an
diesem Morgen mit ihren warmen Strahlen. Tag um Tag versuchte er nun aus diesem
Alptraum zu erwachen. Welcher Tag war heute eigentlich? Langsam verlor er jedes
Zeitgefühl. Er wurde verschleppt. Überwältigt hatten sie ihn. In einen dunklen
Verschlag gepfercht und ehe er sich versah steckte er in diesem Verließ an
diesem unbekannten Ort. Doch wer waren sie? Ihre Sprache war so fremd. Und ihr
Aussehen... Angsteinflößende, riesige Monster. Ihm in Größe und Kraft unendlich
überlegen. Wenn es ihnen gefiel stecken sie ihre Klauen durch die Gitterstäbe
der Zelle und versuchten ihn zu fassen. Wo war er bloß? Was erwartete ihn in
dieser fremden Welt? Er kauerte auf dem Zellenboden. Es war ein kalter Boden, nur
mit Stroh ausgelegt. In einer Ecke war ein einfaches Brett angebracht, in einer
anderen stand ein Gefäß mit Wasser. Daneben ein hartes, altes Stück Brot.
Während er schlief hatten sie wieder einmal irgendwelche Küchenabfälle hinein
geworfen. Zum Glück war es nicht kalt. Immerhin hatte er keine Kleidung wie sie,
sondern nur die nackte Haut und seine, Gott sei Dank, üppige Körperbehaarung.
Tag um Tag zermarterte er sich den Kopf wie das alles passieren konnte oder was
er angestellt hatte. Warum er? Er war allein. Herausgerissen aus dem Leben und
isoliert. Das Schlimmste was einem passieren konnte. Was war mit seiner
Familie? Würde er sie jemals wiedersehen? Würden sie nach ihm suchen? Er konnte
sich noch genau an damals erinnern. Sie fuhren an diesen Sagen umwobenen Ort,
entgegen aller Warnungen der Ältesten ihrer Sippe. Die düsteren Legenden ließen
sie alle unbeeindruckt. Alles war in Ordnung. Sie saßen da und aßen als ihn
plötzlich etwas packte. Er hörte noch die Schreie seiner Brüder und dann wurde
es dunkel. Plötzlich war es still. Leise und dumpf vernahm er diese seltsamen
Stimmen und als er wieder ans Licht kam fand er sich in dieser Zelle wieder.
Alles schien wahr. Wie oft erzählten die Weisen ihnen von vergangenen Zeiten.
Von stolzen und tapferen Vorfahren die auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Waren
es Außerirdische? Lebten sie hier doch unerkannt unter uns? Seit einiger Zeit kam
in unregelmäßigen Abständen eine Katze bis an sein Gitter und rieb sich
schnurrend daran. Sie steckte hier und da neckisch eine Pfote durch die
Eisenstäbe und versuchte mit ihm zu spielen. War auch sie eine Gefangene? Ihm
war nicht nach spielen zumute. Immer stärker drängte sich ihm die Frage auf ob
sein Leben noch einen Sinn hatte. Eingepfercht auf engstem Raum mit spärlichem
Tageslicht. Nur zu oft wünschte er sich der Tod solle ihn endlich erlösen.
Hatte man ihn doch vor nicht allzu langer Zeit in seinem Verschlag in eine Ecke
getrieben, gepackt und abermals gewaltsam in eine viel zu kleine Kiste
gesteckt. Er wurde fort gebracht. Als man den Behälter wieder öffnete blendeten
ihn grelle Scheinwerfer dass seine Augen sich nur sehr langsam an die Umgebung
gewöhnten. Eines dieser Wesen kam plötzlich auf ihn zu, packte nach ihm und
zerrte ihn heraus. Es war völlig vermummt und es schien als seien seine Augen
aus dickem Glas. Er wehrte sich mit all seiner Kraft aber es half nichts. Sie
waren in der Überzahl und zu stark, er hatte keine Chance. Noch bevor er einen
Gedanken an Flucht verschwenden konnte hatte ihm eines dieser Monster eine
Spritze in den Rücken gerammt und es wurde wieder dunkel.

Er erwachte in seiner Zelle.
Sein Schädel dröhnte und er war völlig benommen. Nach einigen erfolglosen
Versuchen gelang es ihm dann endlich zu stehen. Sein Kreislauf musste erst wieder
auf Touren kommen. Er musterte seinen Körper und entdeckte an seinem Bauch eine
kahle Stelle und ein großes Pflaster. „Oh Gott“, dachte er sich… Was haben
diese Schweine mit ihm gemacht? Sie benutzten ihn für medizinische Versuche?
Das kann doch nicht sein. Das ist alles nur ein Alptraum. Er begann den Boden
seiner Zelle zu untersuchen. Irgendwo muss es eine Schwachstelle geben. Doch
all seine Buddelversuche brachte rein gar nichts außer Erschöpfung und weiteren
Schmerzen. Es gab kein Entkommen. Der Zellenboden war anscheinend eine massive,
undurchdringliche Platte. Resigniert verkroch er sich in einer Ecke als man
plötzlich die Tür öffnete und ihm etwas zurief. Er verstand natürlich nichts
von diesen seltsamen Lauten. Es war mit Sicherheit eine Falle. Sie hatten was
sie wollten und ermöglichten ihm nun die Flucht um ihn hinterrücks zu ermorden.
Doch diesen Gefallen tat er ihnen nicht. Jeden Tag öffneten sie seine Zelle
doch er drückte sich ganz fest in eine Ecke. Er würde es ihnen nicht so einfach
machen.

Die Katze besuchte
ihn nun öfter. Sie kam mittlerweile sogar in seine Zelle, warf sich auf den
Boden und spielte mit ihm und dem Stroh. Sie freundeten sich an. Es tat gut
nicht ganz alleine zu sein. Auch wenn es täglich nur für kurze Zeit war.

Irgendwie ließ ihn
das Gefühl nie los permanent beobachtet zu werden. Er konnte niemanden sehen
aber dieses Unbehagen umgab ihn wie ein unsichtbarer Schleier, eine bedrückende
Angst. Tage und Wochen gingen ins Land und es entwickelte sich schließlich eine
Art fester Ablauf. Sein Wasser wurde jeden Tag erneuert, er musste nicht
hungern und einmal die Woche reinigten sie dieses Loch. Mittlerweile lag vor
seinem Verließ sogar eine Art großer, alter Teppich auf dem die Katze jeden Tag
sehnsüchtig wartete dass man die Zellentür öffnete. Sie redeten weiter mit ihm
aber er verstand sie immer noch nicht. Nur ein Wort benutzen sie sehr oft:
„Memphis!“ Anscheinend nannten sie ihn so. Mit der Zeit verlor er ein wenig die
Angst und wagte sich dann und wann einige Schritte aus seinem Verlies wenn er
sich gänzlich unbeobachtet glaubte. Dann legte er sich neben die Katze,
schnappte sich ein Kohlrabiblatt, knabberte genüsslich daran herum und dachte
grinsend: „Das Leben als Kaninchen ist doch gar nicht so schlecht,  ob seine Brüder wohl immer noch in dieser
tristen Box im Baumarkt sitzen?
Gewidmet… Memphis, der
coolen Sau in unserem Esszimmer. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.05.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Humorvoll schreibt der Autor über eine Kindheit im Jahr 1949 in einem kleinen Dorf in der damaligen "Ostzone".
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