Als Springer beim Finanzamt kam ich als zusätzlicher Sachbearbeiter auf den
Steuerveranlagungsbezirk (Einkommen-, Gewerbe-, Umsatz- und Vergnügungsteuer)
von der Gemeinde L. im Rhein-Sieg-Kreis. Der damalige Sachbearbeiter und ich
mussten jeden Tag über unsere Arbeit in einem Art Beschäftigungstagebuch
berichten. Ich kam durchschnittlich auf 20 Veranlagungen, er immerhin auf eine,
da er damit ausgefüllt war, für eine Steuerfachzeitung Artikel zu schreiben.
Nach drei Monaten übertrug man mir dann diesen total vergammelten Bezirk.
Er wurde auf die Grunderwerbsteuerstelle abgeschoben.
Mit meinem Mitarbeiter machte ich Bestandsaufnahme. Auf den Schränken
lagen hunderte von Schreiben, Anträgen auf Stundung, Erlass von Steuern
usw.. Dazu kamen Stapel von Verfügungen für mehrere Jahre, die nie in den
Ordnern abgeheftet worden waren. Die Schreiben der Steuerpflichtigen
waren auch über drei Jahre alt. Nie hatte mehr einer nachgefragt, was aus
den Anträgen geworden war.
Sollte ich diese Schreiben nach der Zeit beantworten? Es hätte mich Wochen
aufgehalten. Die Verfügungen abheften hätte auch sehr lange gedauert. Die
Veranlagungen waren in der Statistik getürkt. Statt 80 % des laufenden
Jahres, waren es tatsächlich höchstens 20 %. Dazu kamen diversere unerledigte
Steuerfälle aus den Vorjahren. Ich habe bis zu 7 Veranlagungen für einzelne
Steuerfälle auf einmal vornehmen müssen.
Also was tun? Es war Gott sei Dank Winter. Ich erkundigte mich vorsichtig,
wo die Heizung (ein Allesbrenner) war. Es nutzte nichts. Die einfachste Art
der Bearbeitung war für mich das Verbrennen dieser Schreiben und Verfügungen.
Bei den Steuererklärungen ging es ja nicht.
Mit übervollen Papierkörben gingen mein Mitarbeiter und ich vorsichtig durch das
Haus zur Heizung. Wir verbrannten dort alles. Schließlich sollte die für die
Schreiben aufgewandte Energie wenigsten in Heizenergie umgewandelt werden.
Ich glaube, dass die Kollegen es in der Zeit, bis wir durch waren, sehr warm in
ihren Amtsstuben hatten.
Ich bekam jetzt langsam den Überblick, sortierte was an Steuererklärungen,
darunter auch sehr viele Steuererstattungen, zu bearbeiten war. Um allen die
gleiche Chance zu geben, legte ich die dringenden Fälle in leere Fächer des
Schrankes, zog dann mit dem Rücken zum Schrank blind, wer als nächster dran war.
Das war einigermaßen gerecht.
Doch dann ging es los mit den blöden Verfügungen. Ich musste immer wieder Not-
lügen erfinden, wenn der Sachgebietsleiter einen bestimmten Ordner mit Verfügungen
und Bundessteuerblättern (Urteile der Finanzgerichte) haben wollte. Meine Antwort
jedes mal: "Leider habe ich den Ordner gerade verliehen. Ich gehe ihn holen und
bringe ihn dann." So borgte ich mir die Ordner von ordentlichen Bezirken und brachte
sie ihm.
Paradox an der ganzen dortigen Verwaltung war, dass jeder wusste, wie herunter
gekommen der Bezirk war, aber weitere Hilfe bekam ich nicht. Mein Mitarbeiter
musste dagegen trotz meines Protestes woanders aushelfen.
Als ich in einer Angelegenheit zum Vorsteher bestellt wurde, fragte er mich nach
einem Fall, der immer noch nicht bearbeitet war. Er wollte mich gerade anschnauzen,
da unterbrach ich ihn, sagte dann: "Ich bin daran nicht schuld. Sie aber sitzen seit
Jahrzehnten auf ihrem Posten und haben ihre Aufsichtspflichten vernachlässigt."
Er überlegte, sagte dann: "Die Welt gehört dem Mutigen. Sie haben ja recht."
Der mit gekommene Sachgebietsleiter Mr.Hodenbruch, wie ich ihn bezeichnete,
war blass geworden. Er hatte zu dem Zeitpunkt die Vertretung für meinen Sach-
gebietsleiter. War dann erstaunt, dass kein Unwetter über mich einbrach.
Übrigens hatte er wirklich einen Hodenbruch, der wohl schmerzhaft sein muss.
Je nach dem wie er aufstand, fasste er sich in den Schritt, um alles wieder zu
ordnen. Da er ein widerwärtiger Kerl war, machte mir das immer wieder
große Freude. Über ihn werde ich noch später etwas schreiben.
28.05.2010 Norbert Wittke
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