Da saß
ich nun, zwischen den Schenkeln eines mir völlig unbekannten Mannes.
Zladdy hatte er sich mir vorgestellt, mein Leben lag in den Händen
eines Fremden. Das Herz schlug mir bis zum Hals, pures Adrenalin
schoss durch meine Adern. „Was zum Teufel noch eins, tue ich hier
eigentlich“, ging es mir jetzt zum wiederholten mal durch den Kopf.
Fallschirmspringen!
Ich
stand kurz davor meinen ersten Tandem-Fallschirmsprung zu machen. Die
Motoren dröhnen, wir sitzen zusammengepfercht mit 19 anderen
Springern auf dem Boden der Absetzmaschine. Eine Lampe springt von
Rot auf Grün. Zladdy brüllt“ Komm her, es geht los!“, ich nicke
und krabbel auf seinen Schoß, er fummelt an meinem Rücken herum.
„Wir müssen jetzt Richtung Tür“ schreit er in mein Ohr, wir
schieben uns vor zur Ausstiegsluke. Schon sitzen wir in der Tür meine
Beine baumeln im „Nichts“. Es ist ohrenbetäubend laut und der
Wind zerrt an uns. „Kopf in den Nacken“ brüllt er, wir kippen
vornüber und fallen! 4000 Meter zwischen uns und der Erde und wir
rasen mit 200 Stundenkilometer darauf zu.
40 Sekunden später hängen
wir am geöffneten Schirm und gleiten der Erde langsam kreisend
entgegen. Der Anblick ist atemberaubend und es umgibt uns eine
Stille, wie ich sie noch nie gehört habe (ja Stille kann man
wirklich hören). Nach der Landung bin ich völlig euphorisch, noch
Stunden später strahle ich über das ganze Gesicht. Das war einfach
ein phantastisches Erlebnis, das will ich wieder machen, noch mal und
noch mal.......einfach fliegen.
Das Schweben am geöffneten Schirm ließ mich nicht los. Der Knackpunkt war jedoch, das der Sport sich nur ausüben ließ, wenn ich mich zur „Umweltsau“ machte und das widerstrebte mir völlig. Abgase, Lärmbelästigung usw. nein, das konnte ich nicht mit mir vereinbaren. Ich wollte fliegen, aber nicht zu diesem Preis. Es musste eine andere Möglichkeit geben, den Flugsport auszuüben ohne eine solche Belastung für Natur und Umwelt zu sein. Wochenlang grübelte ich darüber nach, denn die Fliegerei ging mir nicht aus dem Kopf. „Gleitschirme“ da war er der rettende Einfall. „Ja, das ist es!“ keine Umweltbelastung und ich konnte fliegen. Das Ziel meiner Träume lag vor mir. In einer Flugschule im Allgäu hatte ich mich schnell angemeldet und los ging's.
5 Uhr
morgens, ich kriege die Augen kaum auf. Wir trotten mit 20 Kilo
Schirmgepäck, einen Hang hinauf. Sport und Natur im Einklang. Die
Vögel geben ihr morgendliches Konzert, das alles nehme ich beim
Aufstieg wahr und es macht sich eine innere Ruhe in mir breit. Den
Alltag habe ich während meines Aufstiegs abgestreift wie eine alte
Socke. Wir breiten unsere Schirme aus, schnallen alles fest,
nochmalige Kontrolle der Ausrüstung. Martin, unser Fluglehrer, lässt
seine geschulten Augen über uns gleiten und zurrt hier und da noch
mal nach. Sicherheit hat Priorität! „So Leute, ihr wisst Bescheid,
laufen, laufen, laufen. Die Leinen halb runter ziehen, Kontrollblick,
ob der Schirm steht, wenn ihr euch nicht wohl fühlt damit oder der
Schirm nicht stabil über euch steht, dann brecht ab. Macht kein
langes Gemurkse, das geht ins Auge. Alles verstanden? O.K. Dann los!“
Einer nach dem anderen erhob sich in die Lüfte. Ich stand bereit,
blickte mich noch mal um, kontrollierte die Leinen, alles prima. Ich
lief, mit ganzer Kraft stemmte ich mich in den Boden und lief.
„Laufen, laufen, laufen“ brüllte mir Martin zu. Warum müssen
eigentlich immer alle brüllen, fragte ich mich. Völlig unerwartet
hatte ich keinen Boden mehr unter den Füßen, die Thermik hob mich
in die Luft. Ich war sprachlos, da schwebte ich nun, schraubte mich
dem Himmel entgegen. Den Vögeln gleich nutzte ich die Thermik um an
Höhe zu gewinnen und genoss einfach den Flug.
Noch
immer denkt die Gesellschaft, nur Lebensmüde und Verrückte treiben
diesen Sport, aber das ist völliger Unsinn, vom Anwalt, über den
Pensionär bis hin zum Schüler, die Begeisterung zum Flugsport zieht
sich durch jede Gesellschaftsschicht. Für jeden der seine
Flugleidenschaft ausleben will, ist Gleitschirmfliegen der ideale
Sport.
Ich wollte fliegen und habe den Sport gefunden, der dies möglich macht und den ich mit meinem Gewissen vertreten kann.
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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Corinna Knobbe-Wagner).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.06.2010.
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