Ich erinnere mich an eine Zeit in der ich,Moony, noch die Magie eines Ortes sehen konnte. Ich war vermutlich nicht älter als vier oder fünf Jahre alt und die Gabe magisches zu spüren hatte mich noch nicht verlassen. Ich ging barfuß und mit kleinen Schritten durch das Haus in dem wir wohnten und tapste unbeholfen und gelangweilt auf die Veranda zu. Ich wusste dass ich meine Eltern am Ende unseres Gartens finden würde. Also stieg ich die Treppen zur Veranda hinunter, spürte den kalten Stein unter meinen nackten Füßen und das rostige Geländer in meiner Hand. Es war wundervoll als ich schließlich im Gras stand und langsam über die Wiese ging. Manche Grashalme kitzelten meine Beine und ich hörte Vögel in den Bäumen ihre Lieder singen. Ich lief an den Blumenbeeten vorbei die mit einer unsagbaren Farbenpracht bepflanzt waren. Als ich kurz stehen blieb um an einer Rose zu riechen, hörte ich ein leises kichern. Erst bemerkte ich es kaum, doch als es näher zu sein schien, blickte ich mich nach dem ungewöhnlichen Laut einer hellen Stimme um. Das Lachen kam aus einem Johannisbeerbusch soweit ich richtig gehört hatte. Schnell schob ich die dünnen Ästchen, dicht bewuchert mit Blättern und roten, reifen Früchten zur Seite und suchte mit den Augen nach der Quelle des ausgelassenen Kicherns. Ich fand nichts. Plötzlich, als meine kindlichen Gedanken sich schon wieder etwas anderem zuwenden wollten, hörte ich das Kichern wieder.Diesmal von dem großen, unbeschnittenen Holunderbusch, der sich vor mir wie ein ganzer Berg von Ästen und Blättern auftürmte.Ich lief dorthin und erstarrte-Vor mir stand ein Wesen, ungefähr so groß wie meine Mutter aber so weiß und durchsichtig wie fast vollständig verflogener Rauch. Fast wäre ich hindurch gelaufen. Das Wesen blickte mich mit weißen silber-glitzernden Augen an und lächelte ein freundliches offenes Lächeln. Ihr Gesicht war so wunderschön, dass es mir bis heute in Erinnerung geblieben ist. Die feinen Züge, das glockenhelle Lachen, die wie Sterne anmutenden Augen. Sie schwebte einige Zentimeter über dem Boden vor dem Ort an dem der Holunderbusch den Boden durchdrang. Das Wesen streckte eine Hand nach mir aus und schnell wich ich zurück. Sie zog ihre Hand erschrocken wieder zu sich und blickte mich entschuldigend an. Sie hatte mir die Johannisbeeren aus dem Busch reichen wollen, wie ich bemerkte, doch war ich als Kind der Meinung Johannisbeeren seien zu sauer. Ich schüttelte vorsichtig den Kopf und zuckte zusammen als auf einmal die völlig unerwartete Stimme meiner Mutter aus dem hinteren, abgeschirmten Teil des Gartens meinen Namen rief. Ich ging langsam in die Richtung der Stimme meiner Mutter ohne den Blick von dem Wesen zu lassen. Sie wollte mir folgen doch es schien als könnte sie den Ort an dem sie schwebte nicht verlassen. Ich sah sie nur dieses eine Mal und es kam mir im Laufe der Zeit nicht mehr realistisch vor an eine fast durchsichtige Hollunderbuschfrau zu glauben. Heute weiß ich es besser. Ich bin jetzt erwachsen und doch haben mich die Erinnerungen an diese eine Begegnung nie verlassen. Ich forschte nach und erfuhr, dass die Erscheinung eine weiße Dame gewesen war. Sie hütete den Holunderbusch und konnte seinen Schatten daher nicht verlassen. Ähnlich wie bei den Dryaden die nie aus dem Schatten ihrer Bäume treten. Ich war wieder dort, im Garten und wollte die Begengnung wiederholen. Ich hatte solange darüber nachgedacht, geforscht und überlegt, dass es für mich das Sinnvollste war der weißen Dame nocheinmal nahe zu kommen. Ich stand auf der Wiese meines Elternhauses vor dem Holunderbusch und durchstreifte meine gesamten Kindheitsgedanken und -gefühle, war auf der Suche nach dem Bewusstsein und dem Glauben von früher. Ich wollte wieder sehen können. Ich hatte meine Augen geschlossen und schweifte in meinen Gedanken herum, sah das Gesicht der weißen Dame vor mir und versuchte in mir zu spüren was ich damals spürte. Meine Finger strichen über die grobe Rinde und die glatten Blätter der Pflanze. Meine Hoffnung wurde größer und ein plötzliches unterbewusstes Gefühl ließ mich wieder aufblicken. Ich spürte den gleichen Sommerwind wie in frühen Jahren und dann fand mein Blick den sternengleichen der weißen Dame. Mit einem entzückenden Erschrecken machte ich mir die Begegnung, meinem lang ersehnten und vermissten Wunsch, klar und strahlte vor Glück. Es war als wäre ich wieder klein. Ein Gefühl unbeschreiblichen Ausmaßes. Die weiße Dame strich mit ihren wolkenfeinen Händen über mein Gesicht und ein wunderschönes Schauern erfüllte mich und da wurde mir bewusst-ich hatte wieder gelernt zu sehen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.06.2010.
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Infinity: Zeitgenössische, zärtliche Lyrik aus Wien - Hietzing
von Heinrich Soucha
Mit dem Schreiben und Dichten, ist das so eine Sache.So war ich oft der Meinung, nur lyrisch Schreiben zu können, falls ich mich in einem annähernd, seelischen Gleichgewicht befände, erkannte aber bald die Unrichtigkeit dieser Hypothese.Wichtig allein, war der Mut des Eintauchens.Das Eins werden mit dem kollektiven Fluss des Ganzen. Meine Gedanken, zärtlich zu Papier gebrachten Gefühle,schöpfte ich stets aus diesem Fluss.
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