Hans-Gerhard Seippel

Die Kantine

Die Ankunft

 

Es war ein schwül-heißer Sommertag im Juni, der Schweiß rann Herrn Unruhig von seiner Stirn, als er vor der KDV- Versicherung stand. Herr Unruhig war ein großer, schlanker Niedersachse mit blauen Augen und einer kräftigen, aber dünnen Nase. Er sah sich um und staunte nur: Das gesamte Gebäude war blauschimmernd aus Glas gebaut, die vielen Fenster sahen ihn an und er stellte sich vor, dass sie seinen Körper samt Geist durchleuchten. Doch in Wirklichkeit stand lediglich ein Hochhaus in Bienenwabenform vor ihm.

  Die Leihfirma, für die er tätig war, hatte diesen Einsatz organisiert.

  Herr Unruhig ging mit wackeligen Knien auf das Versicherungsgebäude zu und traute sich kaum einzutreten.  Doch befand er sich plötzlich vor dem Empfang.

  „Können Sie mir bitte sagen, wo es hier zur Kantine geht?“

  Die Frau mit den rötlichen Haaren, die wie eine Flugbegleiterin gekleidet war, lächelte ihn höflich an: „Was möchten Sie dort?“

  „Ich soll mich als Leiharbeiter bei Herrn Gnädinger melden.“

  „Wie heißen Sie?“

  „Gerhard Unruhig!“

  Sie schaute etwas nervös auf eine Liste. „Ja, das ist in Ordnung.- Sie gehen in den Aufzug dort und fahren in den zweiten Stock. Von da aus gehen Sie nach rechts, an der nächsten Glastür steht „Kulinarium“, da fragen Sie nach Herrn Gnädinger.“

  „Danke, ich werde es finden“, sagte er und ging auf den Aufzug zu.

  Zunächst kam er in einen kleinen Verkaufsraum direkt gegenüber des Fahrstuhls, in dem es süßlich roch, anscheinend von den Pralinen, die in stabile Plastikfolie eingepackt waren und in der Auslage standen.

  „Guten Tag, können Sie mir sagen, wo ich  Herrn Gnädinger finde? Ich bin ein Leiharbeiter und soll hier heute anfangen.“

  Eine kräftige Frau in mittlerem Alter, mit blondem Haar,- sah ihn mit einem professionellen Lächeln an. „Guten Tag, junger Mann, Sie suchen also meinen Mann, der ist vermutlich in seinem Büro. Sie gehen hier rechts durch das Kulinarium  bis Sie auch die Küche hinter sich gelassen haben. Noch einmal rechts, dann stehen Sie gleich vor dem Büro.“

  „Haben Sie vielen Dank, ich hoffe, dass ich es finden werde.“

„Guten Tag, sind Sie Herr Gnädinger? Ich bin der Leiharbeiter, den Sie bestellt haben.“

  Herr Gnädinger sah ihn mit großen Augen an. Er war beeindruckend, wie ein starker Bulle gebaut, weiß-schwarz gekleidet, fast wie ein Koch. „So, so, Sie sind also vermutlich der Herr Unruhig. Haben Sie Kochkleidung mitgenommen?“, rief er fast bellend aus.

  „Ja, das habe ich“, sagte Herr Unruhig eingeschüchtert.

  „Prima, dann ziehen Sie sie gleich an, hier gegenüber ist der Männerumkleideraum.“

  Noch während des Umkleidens kam Herr Gnädinger in den Raum. „Sie melden sich bitte gleich bei mir, ich zeige Ihnen die Küche und bespreche mit Ihnen Ihre Aufgaben.“

  „Ich sollte mich doch bei…“

  Herr Gnädinger fiel ihm nickend in den Satz.

  „Richtig, da sind Sie ja endlich, am besten fangen wir gleich bei den Kühlhäusern an.“

  Sie gingen wieder zurück zur Küche, die so groß war, dass zehn Paare bequem in ihr hätten tanzen können, ohne Einrichtung natürlich.

  Herr Gnädinger öffnete die erste Kühlhaustür. „Das ist unser Gemüsekühlhaus. Wie Sie sehen, hat alles seinen genauen Platz, wenn Sie es reinigen, müssen Sie darauf achten, dass alles wieder an seinen Ort zurück gestellt wird. Sie haben die Verantwortung für die Reinigung sämtlicher Kühlhäuser, für den Küchenfußboden, den gesamten Abwaschraum und die Spülmaschine selbstverständlich. So weit, so gut, und jetzt zeige ich Ihnen noch die übrige Küche und stelle Ihnen mein Team vor. Mein erster Mann, der Küchenchef des Kulinariums, steht genau vor Ihnen, Herr Hoskerid. Guten Tag, Herr Hoskerid, das ist mein neuer Mitarbeiter, Herr Unruhig, er wird bei uns bis auf weiteres in der Spülküche arbeiten.“

  Herr Unruhig musterte ihn blitzschnell; Herr Hoskerid war drahtig, sicherlich eins achtzig groß, hatte ein schmales, aber freundliches Gesicht, er war schlank und weiß gekleidet mit karierter Koch- Hose. „Guten Tag, Herr Hoskerid.“

  „Guten Tag, Herr Unruhig, ich hoffe wir werden gut zusammenarbeiten, wie Sie sehen, muss ich mich hier um mein Gulasch kümmern.“

  Immer noch staunte Herr Unruhig ein wenig über diese Großküche. Zwar hatte er auch in einer großen Küche gelernt, aber diese war um einiges größer. Da waren zwei Kippbratpfannen, in der einen köchelte das Gulasch, in der anderen brutzelten etwa 40 Schnitzel, außerdem gab es große Kessel, in einem von ihnen kochten sicher 50 Liter Tomatensuppe. Daneben war die Küche mit Heiß- und Dampf- Umluft- Schränken bestückt. Fast die gesamte Kücheneinrichtung hatte eine Edelstahloberfläche.

  Herr Gnädinger sah den nächsten gossen Herrn an. „Guten Tag, Herr Märket, haben Sie das kalte Büfett für den Köche-Verein schon in Planung?“

  „Die Planung steht, die Materialliste habe ich Ihnen bereits auf ihren Tisch gelegt. Ist das der Spüler, von dem Sie neulich sprachen?“, fragte Herr Märket. Er war ein junger Spund, schlank, groß mit einem rundlichen Gesicht, der vor Berufsbegeisterung und Freude fast platzte.

  Herr Gnädinger machte eine einladende Handbewegung. „Darf ich Ihnen unseren neuen Mitarbeiter, Herrn Unruhig, vorstellen? Er kümmert sich um die Reinigung der Küche sowie um den Abwasch.“

  Sie gingen weiter in die Konditorei, in der der Konditor soeben dabei war, Trüffel zu gießen-das nahm Herr Unruhig zumindest an.

  „Guten Tag, Herr Corradie, ich möchte Ihnen gerne Herrn Unruhig vorstellen, er wird Ihnen Ihre Konditoreiutensilien abwaschen“, sagte Herr Gnädinger.

  „Guten Tag, die Herren, ich freue mich sehr, Sie in unserem Team als neuen Mitarbeiter begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, unsere Zusammenarbeit wird gegenseitig gut funktionieren, bitte entschuldigen Sie mich jetzt aber, denn wie Sie sehen, habe ich viel zu tun, meine Arbeit verlangt höchste Konzentration.“ Herr Corradie war etwa vierzig Jahre alt, hatte ein etwas strenges, aber doch freundliches Gesicht. Er war im Vergleich zu den anderen höchstens von mittlerer Statur.

  Sie gingen weiter und kamen nun in sein zukünftiges Reich, hier stand die mächtige, sicher vier Meter lange Spülmaschine, eingekleidet mit schönstem mattem Edelstahl. „Sehen Sie, Herr Unruhig, rechter Hand kommen die Gästetabletts mit Hilfe des Fließbandes an. Sie brauchen nur alles, was hier vom Band kommt, abräumen und nach dem Einweichen durch die Maschine lassen. Das wird Ihre Hauptaufgabe sein. Ich mache Ihnen vor, wie es geht, bis Sie es verstanden haben, danach arbeiten Sie selbstständig weiter. Aber heute zur Einweihungsfeier wird Ihnen jemand von den Köchen helfen, weil Sie sonst noch nicht zurechtkommen würden.“       

  Herr Unruhig sah sich genau an, wie sein Chef arbeitete, um ihn später nicht zu enttäuschen, denn schließlich wollte er ein guter Küchenhelfer sein.

  Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander gestanden hatten, sah Herr Gnädinger ihn mit einem abschließenden Blick an. „So, Herr Unruhig, und jetzt machen Sie es bitte-genau so wie ich, aber wie ein geölter Blitz, das Band darf nicht stehen bleiben.“ 

  Ein Tablett nach dem anderen kam angesaust. Es war ganz einfach: Die Abfälle nahm Gerhard Unruhig runter und ließ sie in ein Loch fallen, das in eine Mülltonne fiel, die auf Rollen gelagert war. Die Teller und Tabletts räumte er in verschiedene Geschirrständer ein. Zuerst merkte er es noch nicht, aber die Maschine produzierte Unmengen an Wasserdampf. Außerdem roch es typisch nach Spülmaschinenchemie.

  Sie kennen vielleicht die kleinen Haushaltsspülmaschinen, wenn die nach dem Spülen geöffnet werden, puscht Ihnen ein Gemisch aus Wasserdampf und anderen chemischen Stoffen entgegen, die leicht säuerlich- bitter riechen.

  Es entwickelte sich also allmählich eine chemische Sauna, Gerhard schwitzte wie verrückt. Schon bald kam er mit dem Abräumen des Bandes nicht mehr zurecht. Deshalb verließ er seinen Posten und ging in die Küche. Er meldete sich beim Küchenchef, Herrn Hoskerid: „Guten Tag, Herr Küchenchef, ich bin an der Spülmaschine überfordert, können Sie mir jemanden schicken, der mir hilft?“

  „Herr Unruhig, Sie werden lachen, das ist mir eben beim Vorbeischauen auch schon aufgefallen, ich kümmere mich heute ausnahmsweise persönlich darum.“ Er kam, half und siegte.

  Es war wirklich ein großer Kampf. Fast im Sekundentakt kamen die Tabletts an.

  „Herr Unruhig, ich schlage vor, Sie räumen hinten die Maschine aus und überlassen mir das Band. Sind Sie auch meiner Meinung?“

  „Sie sind der Küchenchef, ich bin nur ein Hilfsarbeiter, für mich ist das gut, was Sie sagen.“

  So kämpften sie den Geschirrabwaschkampf in ihrer Sauna. Die Luft war inzwischen unerträglich schwül, der Schweiß, schoss ihnen nur so aus den Poren, und sie krochen nur noch auf dem Zahnfleisch.              

  Herr Gnädinger, der Küchendirektor, kam zu ihnen und

  fragte: „Was ist denn hier los, das ist ja eine richtige Waschküche?! Herr Hoskerid, haben Sie dafür eine Erklärung? Warum haben Sie noch nichts unternommen?“ Er zog seine Augenbrauen hoch und stampfte laut hörbar mit seinem rechten Fuß auf.

  „Wir hatten bis jetzt wirklich keine Zeit, Sie sehen ja selbst, wie Herr Unruhig noch immer am Wirbeln ist, ich nehme an, dass die Lüftung von der Maschine nicht läuft“, sagte Herr Hoskerid.

  Herr Gnädinger hatte sich inzwischen etwas beruhigt. „Ich werde mal nach den Sicherungen sehen, wetten, dass sie bald wieder gute Luft haben.“ Er konnte anscheinend das Problem beheben, denn der Nebel verzog sich und die Luft war wieder normal.

  In den folgenden Tagen arbeitete sich Herr Unruhig gut ein. Die riesige Küche machte ihm teilweise sehr zu schaffen, da sie sehr unübersichtlich war. Dort gab es in einer separaten Ecke eine kleine zweite Spülküche mit Topfspülmaschine, in der nur große Teile abgewaschen wurden.

  Allerdings wuschen die Köche sich ihre großen Teile selbst ab, es sei denn, sie hatten keine Zeit.

 

 

 

Der Köche-Verein

 

  An einem heißen Donnerstag, nachdem Gerhard sich umgezogen, seine Kollegen nett begrüßt hatte, war er dabei, das Frühstücksgeschirr abzuwaschen.

  Überraschend kam Herr Gnädinger, mit weißem Hemd und schwarzer Hose bekleidet, in die Spülküche. „Herr Unruhig, guten Morgen erst mal.“

  Herr Unruhig räumte nervös das Band ab. „Guten Morgen, Herr Gnädinger.“

  Herr Gnädinger sah Herrn Unruhig mit ernsten Augen an. „Herr Unruhig, morgen tagt hier der Köche- Verein, von dem ich einst erster Vorsitzender war, ich will mich kurz fassen, Sie müssen einen Hammer an die Decke im Speisesaal hängen. Die genaue Stelle zeige ich Ihnen noch. Ich hole jetzt den Hammer und was wir sonst noch brauchen, und Sie besorgen eine Leiter, in der Konditorei steht eine. Also, dann bis gleich.“

  Gerhard runzelte seine Stirn. „Moment, Herr Gnädinger, wer macht dann meinen Abwasch?“

  „Keiner, ich lasse von einem Koch- oder wer sonst Zeit hat, das Band abräumen und das Geschirr stapeln. Sie waschen das später ab. Ist das ein Problem für Sie?“

  Da Herr Unruhig die Stelle als feste Stelle haben wollte, wagte er nichts zu sagen als nur: „Ja, ist gut!“

  Herr Gnädinger kam einige Zeit später mit einer Aktentasche wieder, noch im Gang zur Spülküche rief er laut: „Herr Unruhig, kommen Sie bitte sofort mit der Leiter in den Speisesaal!“

  In der Küche und der Konditorei arbeiteten die Köche, der Konditor und eine Frau, die Herr Unruhig noch nicht kannte, konzentriert an den Vorbereitungen für das Mittagsgeschäft. Der Konditor hatte eine hellgelbe Schaummasse im Anschlagkessel.

  Herr Unruhig lief wie ein wildes Huhn in die Konditorei und sah Herrn Corradie, der wieder mal Trüffel füllte: „Wo ist die Leiter?“

  „Hinter mir und um die Ecke.“

  Herr Unruhig sah, dass er kaum an ihm vorbei kam.  „Danke, darf ich mal an Ihnen vorbei?“

  „Herr Unruhig, kommen Sie endlich mit der Leiter!“, schallte es laut durch das ganze Gebäude, der Stimme nach rief Herr Gnädinger.

  Herr Unruhig schnappte sich die Leiter und eilte zu Herrn Gnädinger, der schon unruhig in der Kantine wartete.

  „Da sind Sie ja endlich, ich schlage allmählich Wurzeln. Sehen Sie, genau hier, wo ich stehe, rechts neben der Leuchtstoffröhre, müssen Sie ein tiefes Loch bohren. Stellen Sie die Leiter hier her. Bohrmaschine, Bohrer, eine stabile Schnur, Dübel und den mit Goldfarbe besprühten Hammer finden Sie hier in der Tasche. Sie können doch mit der Bohrmaschine umgehen, oder?“

  Herr Unruhig sah Herrn Gnädinger zweifelnd und mutlos zugleich an. „Ja, selbstverständlich, Herr Gnädinger, ich vermag alles, das wird schon klappen. Immerhin bin ich nicht nur eine einfache Küchenhilfe, sondern ein echter ungelernter Fachmann.“ In Wahrheit fühlte er sich etwas unwohl. Trotzdem griff er nach der Bohrmaschine, die fast so schwer war wie er, ihr Aussehen war gleich eines blauen Schwertfisches. Nun murmelte er vor sich hin: „Ohne Risiko keine Freude.“ Mit ganzer Kraft stemmte er sich gegen den „blauen Schwertfisch“ und stellte die Maschine an. Doch wer bohrte hier mit wem? Sein Rücken krümmte sich, denn er war schlank und groß, der Putz rieselte von der Decke, in Mund und Nase. Zum Glück hatte er eine Brille auf, so dass die Augen verschont blieben. Er hustete, schwitzte, keuchte und wurde von der Maschine geschüttelt, nicht gerührt. Mit heulendem Getöse bohrte sich der Bohrer immer tiefer in die Decke. Gerhard Unruhig versuchte verzweifelt, die immer schneller bohrende Maschine zu halten. Doch der „blaue Schwertfisch“ wirbelte Gerhard mit- samt der umfallenden Leiter durch die Luft, daraufhin kam das Frühstück zurück.

  Leider ging in dem Augenblick ein Koch herein, der etwas von Herrn Unruhigs Frühstück abbekam. „Danke, ich habe schon gefrühstückt.“

  Schnell zog er den Stecker aus der Wand. „Sie hätten einfach nur die Maschine ausschalten können, wieso haben Sie das nicht getan?“

  Herr Unruhig lag mit bleichem Gesicht neben seinem Erbrochenen. „Ja, wissen Sie, der Schalter klemmte-und die Maschine hatte mich im Griff. Vielen Dank, dass Sie dem Spuk ein Ende bereitet haben. Übrigens kenne ich Sie nicht.“

  Der Koch wischte sich mit geringschätziger Miene  die Kotze vom Kopf und grinste hämisch: „Da haben Sie ganze Arbeit geleistet, vielleicht bekommen Sie dafür beim Chef eine Ehrenmedaille. Ach ja, Herr Unruhig, Sie wollen meinen Namen wissen“, er wendete sich wieder von ihm ab und ging fast bis zur Glastür. „Ich heiße für Sie Herr Kischonie und arbeite hier als Rôtisseur-somit bin ich für die Braten zuständig.“

Er war ein schlaksiger, ein Meter achtzig großer Mann-mit kräftigem schwarzen Haar, einem kleinen Oberlippenschnäuzer und einem stoppligem Bart. „Sie sollten wieder aufstehen, hier sauber machen und Herrn Gnädinger ihr Kunstwerk zeigen, er wird begeistert sein“, dann ging er in die Küche zurück. 

Dummerweise hing die Bohrmaschine fest in der Decke.

  Herr Unruhig beseitigte sein Malheur so gut er konnte und  ging danach er wieder in die Küche, um die Sache mit der Maschine mit dem Küchenchef zu klären. „Können Sie mir dieses Bohrungeheuer aus der Decke ziehen?“

  Herr Hoskerid sah ihn mit großen ungläubigen Augen an. „Sehen Sie, was ich hier tue?-Das Gulasch ist noch nicht fertig, bitte gehen Sie zu unserem Küchendirektor höchst-  persönlich und fragen ihn, er kennt sich auch mit der Maschine viel besser aus.“ Mit Hingabe rührte er in seinem fantastischen Gulasch.

  Herr Unruhig machte eine schnelle Handbewegung, als wollte er sagen „was soll´s“ und eilte ins Büro vom gnädigen Chef.

  Herr Gnädinger tat, als lese er angestrengt die neusten Statistiken auf dem Bildschirm seines PCs. Sein Arbeitsplatz sah sehr aufgeräumt aus, nur die Hannoverische Zeitung lag sorgsam zusammengefaltet links neben dem PC auf seinem edlen Kirschholztisch.

  Herr Unruhig starrte einen Augenblick auf das Bürostilleben, die feine moderne Einrichtung mit Aktenschrank, den es trotz Computer noch gab, den stilvollen grauen Papierkorb unter dem Tisch, den teuren Kaffeeautomaten auf einem Beistelltisch links neben der Büroglastür. So sieht also ein typisch männlich, funktionell nüchtern eingerichtetes Büro aus. Es roch sogar eigenartig nach Büro, das sich von der Meisterküche klar absetzte. „Herr Gnädinger, können Sie mir bitte den blauen Schwertfisch aus der Decke ziehen? Ich kriege ihn nicht raus.“

  Herr Gnädinger sah von seinem Computer auf. „Was haben Sie gesagt, Herr Unruhig? Sie bekommen was nicht?“ Jetzt bekam er eine gesunde rote Gesichtsfarbe, es hatte den Anschein, als wuchs ihm ein gewaltiges Horn.

  Herr Unruhig wirkte etwas nervös, als ahne er ein Unglück. „Ihre Bohrmaschine hat sich in der Decke festgefressen.“

  Das Entsetzen von Herrn Gnädinger war ihm geradezu ins Gesicht geschrieben. „Sie haben wohl nicht alle, Sie dürfen doch nicht einfach die Maschine unbeaufsichtigt in der Decke hängen lassen“! , prustete er in voller Erregung und sprang auf. „Ich ziehe Ihnen persönlich die Hammelbeine lang und mache Sie für den Schaden verantwortlich!“, schrie er seinen neuen Mitarbeiter an.

  Jetzt setzten sich Beide in Bewegung, das war ein Bild für die Götter, wie Dick und Doof tigerten sie zur Unfallstelle.

  Herr Gnädinger stieg auf die Leiter. „Herr Unruhig, kümmern Sie sich um ihren Abwasch, sonst gibt es wohl möglich noch eine größere Katastrophe.“

  Gerhard Unruhig sprang wie ein Mäuschen in seine Spülküche. Das Abräumband dort sowie die Abräumstation in der Kantine waren natürlich gestopft voll. Doch Herr Unruhig arbeitete wie ein Weltmeister das Chaos in kürzester Zeit ab. Als er soweit fertig war, hörte er zum zweiten Mal ein menschliches Gewitter, so laut, dass er Ohrenschmerzen bekam. Vor lauter Schreck wäre ihm fast ein Teller aus der Hand gefallen.

  „Herr Unruhig, kommen Sie sofort her“, schrie Herr Gnädinger.

  Herr Unruhig beeilte sich, um zu Herrn Gnädinger zu kommen, der stand völlig erregt mit der Bohrmaschine in einer Hand unter dem Loch, das Herr Unruhig gebohrt hatte, aus dem Wasser schoss, und war pitschnass.

  Herr Gnädinger sprang zur Seite. „Sie Vollidiot haben einen tiefen Tunnel gebohrt, schnell, holen Sie Eimer und Lappen.“

  Letztlich ließ Herr Gnädinger den Schaden vom Fachmann beheben, und eine Putzfrau brachte die kulinarische Kantine wieder in Hochform.

  Nachdem der Hammer sachgemäß und allen Sicherheitsvorschriften trotzend und dennoch entsprechend aufgehängt worden war, waren auch die Köche mit allen Vorbereitungen für die große Party des Köche- Vereins fertig.

  Herr Gnädinger ließ leise Musik über die Stereoanlage plätschern. Als die ersten Köche aus dem Verein eintrudelten, war ganz leise zu hören: Gen murmelnd dröhnt drohend wie Trommelklang, bald stürzt eine ganze Armee die Treppe hinauf und die Flure entlang, da steht das kalte Buffet….

  So allmählich füllte sich die Kantine. Die Köche unterhielten sich locker untereinander und zum Teil auch mit Herrn Gnädinger. Dabei ging es vor allem um die hohe Kunst des Kochens, aber auch um den Nachwuchs im Gastgewerbe.

  Der gnädige Chef gab seinen sklavischen Köchen einen Wink, dass sie loslegen sollten. Sie hatten ein grandioses kaltes Büfett vorbereitet:- Fischplatten mit feinen Edelfischen, angerichtet mit reichlich Salatgarnitur, Fleischplatten mit feinen Filets und Roastbeef, geschickt geformt und leicht mit farblosem Aspik glasiert sowie mit gelierten und feinen Saucen verziert, die als dünne Spiegel gegossen waren. Ebenso gab es schicke Wurst und Käseplatten, alle samt ein reiner Augenschmaus. Leider endet die Geschichte hier wer mehr erfahren möchte muss sich gedulden bis mein Roman die Kantine herauskommen wird.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.06.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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