Hermann Weigl

Der König der Wälder

Ich werde euch nun die Geschichte eines ehrgeizigen jungen Mannes erzählen. Sein Name war Lestart. Er war Angehöriger eines Volkes, das wohl inzwischen längst ausgestorben ist. Er war ein Magier und sein Lehrer legte große Hoffnung in ihn. Er fühlte die Kraft der Elemente in sich und lernte sie zu gebrauchen. Aber er hörte nicht auf die Warnungen seines Men-tors, und dachte klüger zu sein. Es lag in seiner Absicht zu helfen, aber viele starben. Und zur Strafe wurde sein Bewusstsein auf eine ferne Welt verbannt - in ein steinernes Gefängnis, tief unter einem Berg liegend.
Äonen vergingen und es geschah, womit niemand gerechnet hatte. Wind und Wetter nagten an den Steinen, und die Erosion hatte irgendwann den Berg abgetragen, in dem er sich befand. Der erste Sonne-strahl fiel in das Verlies und er merkte, dass die Natur dieser Welt ihn verändert hatte, denn sein Wesen schien nun etwas an Substanz zu besitzen. Er streckte seine mentalen Fühler aus, drang in die Erde ein, und verband sich mit der Natur dieser Welt. Jahre zogen an ihm vorbei und summierten sich zu Jahrhunderten. Seine Kraft wuchs und seine Nervenleiter hatten sich über den ganzen Wald ausgebreitet wie ein gigantisches Pilzgeflecht. Er sah durch die Augen der Geschöpfe und hörte mit ihren Ohren, fühlte ihr Leben und berauschte sich daran.
Und allmählich erfüllte ihn eine tiefe Verzauberung - der Pulsschlag des Waldes erfüllte ihn und drang bis in sein Gefängnis. Er empfand tiefe Ehrfurcht vor der Natur, gab den Tieren ihre Freiheit, und zog seine Ganglien in das Gefängnis zurück. Aber es waren nun mehr als nur einfache Nervenleiter. Die Lebensenergie der Geschöpfe, die er kontrolliert hatte, hatte ihre Spuren hinterlassen. Immer schneller zog er sich zurück - begierig auf das, was nun kommen würde.
Die letzten Reste des Steins, die ihn noch umgaben, fielen von ihm ab. Seien Lungen füllten sich mit dem ersten Atemzug, den er seit Äonen tat. Er fühlte den Schlag seines Herzens und ein unbeschreibliches Glücksgefühl überkam ihn. Er spannte die Muskeln, fühlte sein Kraft und erhob sich aus seinem Grab der Ewigkeit.
Aber wie entsetzt war er, als er auf seine Hände hinab sah und die schwarzen Pranken eines Tieres erblickte. Er befand sich im Körper einer wilden Kreatur. Sofort versuchte er, den Vorgang umzukehren, und wollte seine mentalen Fühler wieder ausstrecken. Aber es war vergebens. Keine Magie durchflutete ihn mehr.
Wiederum war er ein Gefangener. Nur die Form des Gefängnisses hatte sich geändert. Stein war durch Fleisch und Blut ersetzt worden.
Er lief weg vom Ort seiner Wiedergeburt hinein in die tiefen Schatten der Wälder. Ein längst vergessenes Empfinden machte sich bemerkbar - er verspürte Hunger. Er jagte und tötete - um zu leben.
Und er fand heraus, dass er das stärkste aller Tiere des Waldes war - der König der Wälder.
Aber etwas von ihm war im Wald verblieben und erfüllte ihn noch immer. Womöglich war es die Magie, über die er einst verfügt hatte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.06.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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