Jürgen Berndt-Lüders

Klogespräch mit Angela

Der Mann, dessen Gesicht aus dem Regionalfernsehen kannte, warf ein Zwei-Euro-Stück auf Gesines Untertasse und sah sie herausfordernd an. Gesine wusste, was er erwartete und bedankte sich mit einem angedeuteten Lächeln.

 

Einer von der Linkspartei, dachte sie. Ein Wunder, dass er keine DDR-Münze geworfen hatte, so ein Teil, das man Alu-Chip genannt und in das die Männer auch schon vor der Währungsunion Löcher gebohrt  und dann als Unterleg-Scheibe benutzt hatten.

 

Heute war ein besonderer Tag. Die Uckermark feierte Sommerfest und es wimmelte nur so von Polit-Prominenz. Und sie von der Jungen Union durfte Klofrau spielen.

 

Nicht, dass sie sonst auch Klofrau war, nein, sie war Praktikantin bei der Tageszeitung und hatte das Geld bitter nötig. Aber eines Tages würde sie eine fertige Journalistin sein, und deshalb war sie in der CDU und tat alles, was ihrer Karriere auch nur irgendwie förderlich sein konnte.

 

Ohne ein Top-Polizeiliches Führungszeugnis und drei weiße Kittel zum Wechseln hätte sie den Klojob nie bekommen, aber langsam fragte sie sich, ob sie nicht besser hätte ablehnen sollen. Es war heiß, stank erbärmlich und die Trinkgelder fielen nicht nur von der Linken-Prominenz mager aus. Keine Ahnung hatten die Abgeordneten, was das tägliche Leben kostete.

 

Während sie die Männerseite wischte, fiel im Damentrakt eine Klotür ins Schloss. Jemand hatte sie mit voller Kraft zugezogen, dass die Scharniere zitterten. Die Weiber sind auch nicht besser als die Kerle, dachte Gesine, schüttelte den Kopf und sah nach, ob die Tür noch heil war.

 

„Mein Gott, mein Gott, mein Gott“, kam es aus der Zelle. „Ich sollte wirklich nicht so viel essen.“

 

Die Stimme kam Gesine bekannt vor, und sie stellte sich in Hörweite und lauschte. Eine Frau nach der anderen verließ die Zellen, aber es kam kein Nachschub. Ein reines Wunder bei Frauenklos.

 

Ein Laut, als ob Sandpapier über Plastik gezogen würde, und dann das Spülgeräusch, das jede reguläre Klonutzung beenden sollte. Gleich würde Gesine wissen, wessen Stimme sie gehört hatte. Aber die Dame stöhnte unentwegt weiter.

 

„Auch das noch“, keuchte die Stimme. „Kaum noch Klopapier da. Hallo...“

 

„Ja,. Frau Bundeskanzlerin?“, fragte Gesine. „Entschuldigung, aber normalerweise...“

 

„Lassen sie nur“, rief Frau Merkel leise. „Es reicht, wenn sie mir neues geben.“

 

Gesine rannte in den Vorratsraum und griff drei Rollen. Sie schob sie unter der Tür durch. Frau Merkel lachte leise.

 

„So schlimm ist es nun auch wieder nicht“, keuchte sie und putzte wieder. Dem Geräusch nach musste sie Hornhaut auf dem Darmausgang haben. Bei Gesine klang das anders.

 

„Soll ich Hilfe holen?“, fragte Gesine fürsorglich.

 

„Um Himmels Willen, nein“, rief Angela. „Wenn das die Presse oder die Opposition hört, steht morgen in der Zeitung, dass ich Durchfall habe. Denen ist doch heute nichts mehr heilig. Das sehen sie doch beim armen Horst Köhler.“

 

„Ich kann mich nicht erinnern, dass es bei dem um Durchfall ging. Eher um geistigen Dünnschiss“, wagte Gesine einzuwenden. „Wenn sie wollen, dass ich die Klappe halte, müssen sie es sagen, Frau Bundeskanzlerin“, schickte sie hinterher.

 

Angela putzte, spülte und stöhnte wieder. „Nein nein, erzählen sie ruhig. Das lenkt mich ein wenig ab.“

 

„Ich habe noch Vorräte“, erklärte Gesine diensteifrig. „Wenn ich nur alles so viel hätte wie Klopapier. Da müssen wir noch nicht sparen.“

 

„Sie spielen auf das Sparpaket an“, stellte Angela fest. „Im Kleinen fängt das Sparen an...“

 

„...aber noch vor dem Großen hört es auf“, ergänzte Gesine. „Wie wäre es denn, wenn die da draußen nicht so viel in sich hinein stopfen würden, dass sie mit Beschwerden auf dem Klo hocken müssen.“

 

Angela lachte bitter. „Wenn ich nichts esse, meint der Landrat, es würde mir nicht schmecken. Dann hat er Angst davor, dass ich seine Wiederwahl blockiere.“

 

Wieder spülte es.

 

„Und wenn ich den Benutzern der Toilette raten würde, jedes Blatt dreimal umzudrehen und nicht nach jedem Pupser zu spülen, würde man mich raus schmeißen. Warum nehmen sie es nicht von den Reichen?“, fragte Gesine.

 

„Die Reichen verfügen über die Produktionsmittel“, behauptete Angela. „Wenn wir es von denen holen, verklagen sie uns, oder sie verschwinden und nehmen die Arbeitsplätze mit. Oder beides.“

 

Gesine holte den Teller aus dem Vorraum zum Männerklo und zählte was drauf war. „Ich gebe ihnen einmalig  Sieben Euro sechsundachtzig und einen Hosenknopf“, schlug sie vor. „Mehr habe ich nicht. Und ich verspreche ihnen, dass ich nicht aus der CDU austrete.“

 

Über das Zählen und Erzählen hatte Gesine überhört, wie Frau Bundeskanzlerin die Hose des  Hosenanzugs hochgezogen und die Tür geöffnet hatte.

 

Die beiden Frauen standen sich gegenüber: die eine jung und hübsch, voller Hoffnungen, aber ohne ausreichend Chancen, denn die Printmedien verloren immer mehr an Auflage, und die andere alt und müde, und nur noch damit beschäftigt, neue Löcher aufzureißen um alte damit zu stopfen.

 

„Ich dachte, sie wären viel älter, so wie sie reden“, staunte Angela. „Warum machen sie denn keine Arbeit, die ihren Fähigkeiten entspricht?“

 

„Weil ich keine kriege“, sagte Gesine und sah Angela hinterher. So lange, bis Angelas Bodyguards wieder Frauen in den Toilettentrakt ließen.

 

 

© Jürgen Berndt-Lüders

Bildquelle: STAR DIVISION CD. 10.000 Cliparts und Fotos

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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