Rosie Taubmann

Der Wachspuppenmacher!

Im Jahr 1975 studierte ein junger Mann, sein Name ist Axel Becker, an der Kunstakademie von Berlin - Maler und Bildhauer. Seine Professoren waren hoch begeistert und erkannten in ihm das Genie. Als er 1981 sein Studium als einer der Besten abschloss, sagten sie ihm eine große Zukunft voraus.
Er wohnte noch bei seinen Eltern in einer großen Villa, jedoch in einer eigenen Wohnung. Als er sein Studium so erfolgreich abgeschlossen hatte, lies ihm sein Vater ein großes gläsernes Studio im Garten erbauen. Etwas weiter vom Haus weg, damit der Lärm von Meisel Hammer und Sägen im Haus niemand störte. Und er perfektionierte sich als Bildhauer, wurde immer bekannter, machte sich weltweit einen großen Namen. Um seine Plastiken reißen sich die Sammler. Am Anfang war er stolz auf seine Arbeit, wenn er aus einem Rohling eine Plastik schuf, die, die Menschen begeisterte. Doch mit der Zeit wurde er immer unzufriedener. Nichts war so perfekt wie er es sich wünschte.
Als vor vier Jahren seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, hing  er die Bildhauerei an den Nagel und fing an mit Wachs zu modellieren. Um Geld brauchte er sich keine Sorgen zu machen - er ist vielfacher Millionär. Wunderschöne Figuren entstanden unter seinen Händen, der einzige Nachteil - Wachs verformt sich in warmen Räumen. So gab er einem Forschungsinstitut den Auftrag einen Zusatzstoff - einen Härter und Kleber zugleich zu finden, der Wachs erst bei 100 ° Grad weich werden lässt und es auch vor dem reißen und absplittern schützt. Ganze zwei Jahre dauerte es bis der Zusatzstoff, dann auch nur durch einen großen Zufall entdeckt wurde. Seitdem arbeitet er damit.
Vor eineinhalb Jahre fing er mit lebensgroßen Figuren an. Die ersten zehn wunderschönen Statuen fanden in seinen Augen keine Anerkennung, - es fehlte das lebendige, dieser echte Ausdruck der eine gute Arbeit erst ausmacht. Er zog sich zurück und überlegte, was er wie verändern konnte. Nach einiger Zeit intensiven Nachdenkens fällt es ihm wie Schuppen von den Augen.
Einen natürlichen lebendigen echten Ausdruck erhält man nur mit einem lebendigen echten Menschen.
Also lies er sich den Keller umbauen und überlegt dabei wie er weiter vorgehen wird.
Er lässt sich drei Tonnen Wachs liefern, das er in einem gesonderten Raum lagert und mit einem Fliessband Kiloweise  in einen großen beheizten Bottich befördert wird. Heute geht er zum ersten Mal auf Modelsuche. Am Bahnhof  trifft er auf die Fixerin Jessika, die für einen Schuss alles tun wird. Nachdem sie einen Preis ausgehandelt haben nimmt er sie mit nach Hause. Im Keller zeigt er ihr seine ersten fertigen Wachsstatuen und erklärt ihr, der nächsten Statue ihr Gesicht zugeben. Sie schaut sie sich genauer an, wendet sich ihm zu und fragt ihn ungläubig. Solch eine Statue willst du mit meinem Gesicht herstellen, wie machst du das?
Ich muss einen Abdruck von deinem Gesicht nehmen antwortet er. Mit einem kleinen Topf warmen Wachs, stellt er sich vor sie, schließe deine Augen fordert er sie auf und beginnt ihr das Wachs mit einem Spatel aufzutragen. Mund und Nasenlöcher spart er aus. Nachdem er fertig ist erklärt er ihr, sie auf die Liege zu legen, damit das Wachs in Ruhe trocknen konnte. Er hebt sie auf trägt sie zum Bottich hin und lässt sie in das siedendheiße Wachs gleiten. Einen furchtbaren Schrei ausstoßend versucht sich das Mädchen aus dem Bottich zu befreien - doch es geht nicht. Sie sinkt tiefer ins Wachs hinein. Ihr Gesicht ist von dem grauenhaften
Schmerz völlig verzerrt, der Körper zusammen gekrümmt - sie ist tot, erstickt und verbrannt.
Er setzt die Hebevorrichtung in Gange und der tote Körper hebt sich aus dem kochenden Wachs. Nachdem er ausgekühlt ist sieht er sich das Ergebnis genauer an und ist erschüttert. Diese Schreckensfigur ist in keinster Weise zu gebrauchen. Der weit aufgerissene Mund und Augen, die schrecklich verzerrten Gesichtzüge, der zusammengezogene gekrümmte Körper - eine Horrorfigur. Vor Entsetzen und Enttäuschung laut aufschreiend rennt er aus dem Atelier hinauf in die Wohnung. Hier schenkt er sich einen Drink ein und versucht sich zu beruhigen. An diesem Tag geht er nicht mehr hinunter.
Am nächsten Morgen, er hat sich wieder beruhigt, sieht er sich das Ergebnis wieder an und weiß so geht es nicht, er muss einen anderen Weg einschlagen. Er verbirgt die Wachsleiche unter einem Tuch in der entlegensten Ecke des Kellers. Im Atelier zurück begibt er sich zum Ofen. Das Thermostat steht auf 120° Grad, das Wachs ist viel zu heiß. Jeder Körper krümmt sich in dieser Hitze. Er muss das Wachs auf Körpertemperatur herunter fahren und eine Verzögerung der Verdickung erreichen. Wieder wendet er sich an das Institut, doch die erklären ihm, dass es so etwas schon lange gibt. Nachdem er es sich besorgt hat experimentiert er mit Tieren. Noch immer ist er mit dem Ergebnisse seiner Versuche nicht zufrieden, denn die Körper bewegen sich und nachdem sie tot sind entstehen die groteskesten Figuren.
Der Gedanke an Gift geistert durch seinen Kopf - ein Gift das schnell wirkt und keine Schmerzen oder Krämpfe verursacht.
In der Stadt besorgt er sich Bücher über die verschiedensten Gifte. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass es so viele Sorten und Arten gibt - pflanzliche, tierische und chemische.
Nach einer Woche hatte er seine Recherchen beendet und sich für zwei bestimmte entschieden. Beide haben die Eigenschaften die er benötigt - geschmacklos, geruchlos, flüssig. Es lässt schmerzlos einschlafen und die Muskeln bleiben entspannt bis in den Tod. Ihr werdet verstehen dass ich die Namen der Gifte nicht nennen kann. Es ist schwer jemanden zu finden der es ihm besorgt, doch Geld das weiß er, ebnet die Wege. Und es kostete ihn eine große Summe Geld.
Als nächstes reist er in ein arabisches Land, um die Kunst des Einbalsamierens zu erlernen. Denn auch eingeschlossen im Wachs setzt der Verwesungsprozess ein, wenn auch verzögert. Um das zu verhindern möchte er seine,,Skulpturen" zuerst einbalsamieren, bevor er sie weiter verarbeitet. Und mit seinem Geld und den guten Verbindungen stehen ihm alle Türen offen. Natürlich war der Anfang schwer. Das Entfernen des Blutes und der Organe vor allem des Gehirnes war ekelerregend und er musste gegen eine starke Übelkeit ankämpfen. Doch je öfters er es machte umso routinierter wurde er. Heute verabschiedet er sich von seinem Lehrmeister, sechs Wochen hat er gebraucht, meisterhaft das Einbalsamieren zu beherrschen. Den Balsam, die Öle und die Gerätschaften die brauchte besorgte er sich hier.
Wieder zu Hause machte er sich auf die Suche nach einem geeigneten Objekt, das er in der Drogensüchtigen Gina fand. Dieses Mädchen lebt auf der Strasse und es vermisst sie niemand. Er nimmt sie mit zu sich ins Atelier, das heute im weitesten Sinne an eine Giftküche erinnert, mit den vielen Tiegelchen, Töpfchen, Schüsseln, Eimer und dem Bottich. Gina schaut sich in dem Raum um, wendet sich ihm zu und sagt: Hier sieht es aus wie in einer Hexenküche! Lachend erwidert er: Das ist mein Atelier, schau dir mal diese Skulpturen an, sind sie nicht wunderschön, dabei deutet er auf die Wachsfiguren. Was ich brauche spricht er weiter, sind neue Gesichter. Du hast ein wunderschönes, fast perfektes Gesicht, das ich meiner nächsten Skulptur geben möchte. Gina schaut sich alle Figuren an. Sie ist fasziniert von den wunderbar ausgearbeiteten Details dieser Puppen auch von deren Schönheit. Stolz wendet sie sich ihm zu. Mein Gesicht willst du deiner nächsten Puppe geben fragt sie aufgeregt, das finde ich toll. Und in Gedanken sagt sie sich - dafür bekomme ich auch noch Geld, super.
 In der Zwischenzeit hat Axel zwei Gläser mit Champagner gefüllt und bietet Gina eines an. Komm sagt er, lass uns auf unser Geschäft anstoßen. Nachdem sie ausgetrunken haben wird Gina müde, sie schläft ein. Axel beobachtet sie ganz genau, jede ihrer Reaktionen nimmt er mit der Kamera auf. Sie fällt ins Koma und innerhalb einer halben Stunde ist sie tot.
Sofort hebt er sie auf legt sie auf den Tisch und entledigt sie ihrer Kleidung. Nachdem sie nackt vor ihm liegt betrachtet er sich ihren Körper ganz genau.
Dann entfernt er sämtliche Körperhaare, auch die Augen und beginnt mit dem Einbalsamieren. Bevor die Totenstarre eintritt bringt er den Körper und das Gesicht in die Stellung bzw. Form die ihm vorschwebt.
Nachdem die Starre eingetreten ist entfernt er die Hilfsmittel, trägt den Körper zum Bottich und lässt ihn ins warme Wachs gleiten. Zwei Tauchgänge hat er vorgesehen, was auch gut klappte. Mit der Hebevorrichtung lässt er sie aus dem Wachsbad heraus heben, das überflüssige Wachs läuft ab, der Körper wird auf ein mechanisches Band gelegt und in eine Kühlanlage geschoben, in der er zehn Stunden auskühlen muss. Dann beginnt er mit den Aufräumungsarbeiten. Die Organe lässt er in einem Säurefass verschwinden, das Blut schüttet er in den Abfluss, wäscht den Tisch und die benutzten Geräte sorgfältig ab. Danach reinigt er gründlich den Boden. Nach getaner Arbeit, begibt er sich zufrieden nach oben, jetzt heißt es warten.
Am nächsten Morgen holte er die Wachsfigur aus der Kühlanlage und begutachtet sie. Sie ist sehr gut geworden. Die überschüssigen dicke Tropfen entfernte er, modellierte sie noch etwas nach, setzte die Glasaugen ein, schminkte sie und zieht ihr noch eine Perücke auf. Jetzt begutachtet er wieder sein Werk und ist sehr zufrieden. Diese Figur hat das gewisse Etwas, sie strahlt Lebendigkeit aus, ist beeindruckend, einfach grandios. In einer Vollendung von ihm erschaffen, wie sie in dieser Welt kein zweiter Künstler herstellen kann. Er hat seinen Weg gefunden. Voller Eifer macht er sich zweimal in der Woche auf die Suche nach geeigneten Opfern - und er findet sie immer.
Mittlerweile sind zwei Jahre vergangen und er ist immer noch mit Feuereifer dabei. Oben im ersten Stock hat er sich die Räume umbauen lassen, in eine Küche ein Esszimmer, in eine Diskothek und einen Herrenklub. Hier bringt er seine Figuren fachgerecht unter. Vor nichts macht er halt und versinkt immer mehr in seiner wächsernen Welt.
In der Küche im ersten Stock, steht eine Frau am Herd und kocht, während der Mann den Tisch deckt. Im Esszimmer sitzt eine Familie am Tisch und frühstückt. Vater, Mutter, zwei Kinder, Hund und Katze sind auch dabei. Leise Musik kommt aus einem Radio. Alles ist so Naturgetreu, dass man denkt sie müssten jeden Moment aufstehen und umher gehen. In der Diskothek stehen Tanzende auf runde sich drehende Platten. Am Tresen stehen oder sitzen sie auf Hocker mit oder ohne Glas in der Hand. Hinter dem Tresen stehen zwei Barkeeper und auf einer kleinen Bühne sitzt ein DJ. Sobald die Tür der Diskothek geöffnet wird, erklingt Musik und Stimmengewirr, die Platten drehen sich mit den Tänzer. Buntes Spotlight lässt alles im Raum zu einem gespenstigen Leben erwachen. Und doch  erscheint es so realistisch, dass man vergisst, dass es nur Wachsfiguren sind. Nebenan im Klub sitzen Männer dicke Zigarren rauchend in tiefen Klubsesseln, in der rechten Ecke sitzen um einen Tisch Kartenspieler, in der anderen Ecke zwei Tische mit Schachspieler. Hier herrscht Stille.
Diese Räume sind für die Öffentlichkeit zweimal in der Woche zugängig. Der Eintritt ist frei. Die Besucher dieses Wachsfigurenkabinett sind fasziniert von der Lebendigkeit und der Vollkommenheit dieser Figuren.
Und so nimmt sein Bekanntheitsgrad zu und zieht immer weitere Kreise. Sogar Fernsehen Film und Theater leihen sich Figuren aus, denn er verkauft keine seiner Puppen.
Vor drei Tagen hat er wieder einen Raum fertig gestellt. Sein Prunkstück wie er ihn bei sich nennt und auf ihn ist er besonders stolz. Hier wird die Begräbnisstätte eines alt ägyptischen Pharaos dargestellt, das Innere einer Pyramide, natur getreu nachgebildet. Mit Sarkophag, Bedienteste, Ehefrau, Grabbeigaben und Wandmalereien. Auch Statuen der Götter Altägyptens. Von Anubis, der Schakalköpfige Gott der Totenriten, von Selket, der Beschützerin der Verstorbenen, Von Chepre dem Skarabäus, von Apis dem heiligen Stier und Re dem Vater aller Götter. Flackernder Fackelschein von den Wänden haucht dem Raum ein gespenstiges Eigenleben ein, jenseits aller Vorstellungskraft.
Heute sitzt er schon den zweiten Abend hier, mit einem Glas Wein in der Hand und stolzerfüllter Brust. Wieder lässt er die Atmosphäre des ägyptischen Raumes auf sich einwirken. Dieser Raum scheint so real und lebendig, dass es ihn selbst fast gruselt. Die Effekte mit dem flackerndem Licht und Schatten lässt die Statuen leben. Langsam kommen sie auf ihn zu. Er schüttelt sich, schließt die Augen und denkt - deine Sinne spielen dir einen Streich, es kann nicht sein, sie sind alle tot.
Als er sie wieder öffnet, sieht er sie immer näher kommen. Entsetzen macht sich in ihm breit, panikartig springt er auf und weicht in den Flur zurück. Sein Verstand kann nicht erfassen was hier geschieht. Die Türen der anderen Zimmer öffnen sich und Wachsfigur um Wachsfigur tritt heraus. Langsam mit ausgestrecktem Zeigefinger anklagend auf ihn zeigend, kommen sie auf ihn zu. Voller Grauen läuft er in seine Wohnung, doch die Wachsfiguren kommen hinterher. Sie sind überall und treiben ihn ins Atelier. Vor Entsetzen fasst starr weicht er Schritt um Schritt zurück, bis er an den Bottich stößt. Wächserne Hände zerren, stoßen ihn hinein und tauchen ihn unter bis er im Wachs ertrunken bzw. erstickt ist. Die Hebemaschine schiebt ihn aufs Band und in den Kühlraum.
Drei Tage später gibt die Haushälterin eine Vermisstenanzeige auf - doch Axel Becker bleibt verschwunden.
Und im hintersten Winkel der Diskothek steht seit neuestem - zusätzlich, eine bleiche ungeschminkte      ,,Wachsfigur"!


Diese Geschichte wurde frei erfunden

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.07.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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