Karl-Heinz Jedlicka

Bert und die Enten

 

Bert und die Enten

So kann man das aber aushalten, dachte Bert, verschränkte die Arme im Nacken, streckte sich. Laut sagte er aber zu Marlis: >> Wenn ich dich ablösen soll, musst du das sagen. Da dreht übrigens ein Alsterdampfer auf uns zu.<< Marlis zog die Ruder ein, um sich umzudrehen. Dass weiße Schiff, mit dem roten Rumpf drehte in ihre Richtung, kam dabei schnell auf. >> Was macht der denn?<< In ihrer Stimme lag ein Hauch Panik. >> Mach am besten gar nichts,<< sagte Bert. >> Wenn mich nicht alles täuscht, muss der sehen, dass er an uns vorbei kommt.<< Gut dass hier einer den klaren Kopf behält, dachte Bert, sprach es aber nicht aus. Schließlich war es Marlis. Die ihn zu diesem Trip überredet hatte. Bert war gerade vom Einkauf zurück. Er hatte sich auf einen ruhigen Abend eingerichtet. Mit etwas zum Essen, einen guten Wein, und Musik. Eine Scheibe von Alan Parson, hatte er sich auf dem Nachhauseweg überlegt. So etwas machte er in letzter Zeit zunehmend. Nicht Musik hören, sondern zurückziehen. Kapsel ich mich immer mehr ab? Darüber wollte er bei Gelegenheit mal nachdenken. Das Telefon piepte, als er die Tür aufschloss. Gerade als die Ansage anspringen wollte, drückte er den Knopf. >> Hei, Marlis hier, wollte gerade auf Band sprechen. Hast du heute Zeit?<< Bert ärgerte sich, dass er schneller war als sein Anrufbeantworter. Der ruhige Abend war passe` Er lies sich von ihr überreden, und sie trafen sich eine Stunde später am Alsteranleger. Marlis war seit einigen Wochen wieder solo. Hatte die Schnauze von den Kerle ( wiedermal) so was von gestrichen voll. Außer von Bert. Bert war der ideale Kumpel. Mit ihm konnte man reden, abhängen und ausgehen. Immer wenn ihr die neue Freiheit auf den Geist ging, meldete sie sich bei ihm. Irgendwie landeten sie dann immer bei den bevorzugten Flirt- und Kennlernplätzen der Stadt. Ob in den Kaffees in Eppendorf, den Lokalen am Großneumarkt, oder an der Elbe, der Strandperle. So oft sie betonte, wie gut es ihr doch ging, so oft nörgelte sie über die Leute, besonders die Männer, oder, ganz schlimm, Pärchen. Dabei ertappte Bert Marlis aber auch immer wieder, bei verträumten Blicken, auf dieselben.

Es war Frühling, und das Wetter endlich auch mal danach. Blauer Himmel, fast schon wieder zu warm, für Mitte Mai. Nachdem sie in einem Lokal etwas ( >> für mich bitte nur einen Salat…<< ) gegessen hatten, war Marlis auf die Idee gekommen, dass sie sich ein Ruderboot mieten, und auf die Alster heraus fahren sollten. >> Bis du verrückt, weißt du wie anstrengend das ist, bei dieser Hitze.<<

>> Ach komm schon, wir rudern einmal rüber. Ich war noch nie mit einem Boot auf der Alster.<<

>>  Mal eben rüber? Ich spüre jetzt schon meinen Rücken, sach mal.<<

Dass einsteigen war schon nicht einfach, so wackelig das Ruderboot war, als sie es bestiegen. Marlis kreischte, als Bert sich zur Mitte hin hangelte, und erste als er auf dem Mittelsteg platz genommen hatte, und die Ruder auf das Wasser gelegt hatte, hörte das Boot auf zu schwanken, und Marlis lies die Rehling wieder los. Sie hatten sich von Steg abgestoßen. Unter den Augen der Leute im Bootshaus und des Cafes, versuchte nun Bert das Boot in Fahrt zu bringen. Tauchte er die Ruder zunächst zu tief ins Wasser, so dass er sich fast die Schultern ausrenkte als er sich mit aller Kraft in die Riemen legte, so kamen die Ruderblätter beim nächsten Hub zu flach. Marlis kreischte erneut. Eine Ladung Alsterwasser spritzte sie von oben bis unten voll. Am liebsten hätte er die Ruder noch mal eingetaucht, um die beiden Wichtigtuer am Steg auch noch nass zu machen. Aber die hatte natürlich recht. Marlis und Bert mussten ein albernes Bild abgeben. Er, im Kampf mit den Riemen, Marlis mit tropfnassem Haar. Irgendwie schaffte er es, von Anlegeplatz weg zu kommen. Nur um dahinter mit dem Bug ins Schilf zu stoßen. >> Ich dachte, euch Männer ist die Seefahrt in die Wiege gelegt, << stöhnte Marlis. Bert versuchte gerade von Ufer wegzukommen. Seine heftigen, unkoordinierten Bewegungen mit den Rudern hatten dazu geführt, dass sie jetzt frei kamen.

>> Wenn du eine Familie zu ernähren hättest, in Urzeiten, die währen verhungert, während du versucht hättest, den Wal zu erlegen, Alter. Komm, lass mich mal. <<

>> Seit es Fischstäbchen gibt, fahren die Männer nicht mehr selber hinaus auf See, auch wenn ihr das gerne sehen würdet. Bleib sitzen, man, oder willst du dass wir umkippen. <<

Dass Boot drehte sich um die eigenen Achse, und Marlis war im begriff, sich zu erheben.

>> Wir müssen das gemeinsam machen, sonst kentern wir doch.<<

>> Ja und. Hier ist das keinen Meter tief. Ich bin schon nass. Wenn wir reinfallen, dann können wir das Boot zu Fuß wieder zurück bringen. Ja, so, jetzt gib mir deine Hand… so geht das…<<

Sie hatten es geschafft. Marlis nahm in der Mitte platz. Geschickt tauchte sie die Ruder ein, und das Boot nahm Fahrt auf. >> Dass ist nicht nur eine Frage der Kraft, sondern auch der Technik. <<

>> Schön, Technik, aber ich würde sagen, wir nehmen diese Nebenarm der Alster.<< Bert zeigte auf die Einbuchtung des Alsterlaufes. Der Gedanke, mit diesem schaukelnden etwas, auf dem großen Binnensee zu treiben, behagte in nicht. >> Außerdem müssen wir ja auch immer wieder zurück zum Anleger.<< Dass verstand auch Marlis. Geschickt, mit einem Ruder arbeitend, hielt sie auf die Einfahrt zu. >> Lass uns einfach treiben. Der Alsterdampfer will da auch hin, und ich denke, der muss uns ausweichen. << Und so geschah es auch.

Als sie nach einigen Anläufen in den Seitenarm eingelaufen waren, ließen sie sich treiben. Hier war es schattig, Bert brauchte nicht zu rudern, was ihm gut gefiel. Nur Marlis machte eine Schnute. Hier war ihr wohl zu wenig los, dachte Bert, schloss die Augen, und lehnte sich bequem gegen die Heckreling. Aber seine Entspanntheit sollte nicht lange anhalten. >> Was machen die denn da, die bringen sie ja um, << schrie Marlis, und riss Bert aus seiner Haltung. Voller Panik schaute er sich um. Bis auf ein geplansche, mit heftigem Wellenschlag, in der Nähe des Ufers, war nichts auszumachen. >> Kannst du mir sagen...<<

>> Na sieh doch hin, die ertränken sie. << Dort, wo Marlis hinzeigte, tauchten nun zwei Stockenten auf. Eine, dass bunte Männchen, saß auf dem braunen Weibchen. Er hackte mit seinem Schnabel im Gefieder ihres Hinterkopfes. Etwas abseits sah Bert ein zweites Männchen, welches jetzt in das Geschehen eingriff. Es attackierte das Männchen, welches auf dem Weibchen hockte, welches sich lauthals beschwerte, bis es von beiden unter Wasser gedrückt wurde. >> Siehst du, sie ersäufen sie, wir müssen ihr helfen. << Marlis bekam hektische Flecken am Hals. Bert sah auf die Stelle, wo alle drei Enten untergetaucht waren. Nach einer, zugegeben, ziemlichen Weile, tauchten sie wieder auf. >> Du weißt schon, was die da treiben, oder? <<

>> Jetzt komm mir nicht mit dem Liebesspiel. Die Kerle nötigen diese arme Ente, die eindeutig nicht bereit ist, und bringen sie dabei fast um. Erzähl mir nicht, dass so was normal ist. <<

>> Ich denke, das ist sogar sehr normal, und das Weibchen hat auch keinen geringen Anteil daran, << sagte Bert, und machte keine Anstalten, sich zu rühren. Wie zu seiner Bestätigung, tauchte das Weibchen aus dem trüben Wasser auf, um sich zu schütteln, und zu plustern. >> Siehst du, wenn die in Lebensgefahr währe, würde sie jetzt das Weite suchen. Satt dessen spaddelt die da rum, und wartet auf die nächste Attacke.<< Als ob sie es gehört hatten, stürzten sich beide Enteriche wie auf ihr Opfer. Während der einer wieder aufsaß, und das Weibchen mit dem Schnabel am Kopf hakte, versucht das andere, den Nebenbuhler zu verdrängen.

 >> Dass ist wieder so typisch männliche Ignoranz.<<

>> Was?<<

>> Das du dafür volles Verständnis hast, wenn hier so armes Weibchen misshandelt wird.<<

Langsam wurde Bert ärgerlich. Nicht nur, weil er sich hat überreden lassen, und sein gemütlich Abend alleine zu verbringen. Nun saß er auch noch mit Marlis in einem Ruderboot, in einem Alsterarm, sahen Enten beim vögeln zu, und er musste sich auch noch Beschimpfen lassen.

>> Für mich sieht das gar nicht nach Notfall aus, meine Liebe. Eher wie Notgeilheit. Von der Dame aus. Ich denke, das der guten ein Kerl nicht genug ist. Da kommt der Georg Cloony  von der Alster, und sie läst ihn aufsitzen. Wenn hier einer ne arme Sau ist, dann ist das der andere Enterich. Mit dem sie sonst durch das Gestrüpp taucht, und der ihre Eier bewacht, bis die Küken schlüpfen. Guck dir die arme Socke doch an.<<

Marlis zuckte, aufgrund dieses Vortrages mit dem Mundwinkel, ließ sich aber nicht zu einem Lachen herab. Wie zur Bestätigung, all dessen was Bert eben gesagt hatte, ließ der aggressive Enterich nun von der Ente ab. Diese schüttelte sich, richtete ihr zerzaustes Fiederkleid, und gesellte sich zu ihrem Gefährten, der sich auch schnell wieder beruhigte. Der wilder Liebhaber flatterte davon, dass Pärchen zog gemütlich ihren Weg.

>> Und, was sagst du jetzt. Die rauchen jetzt noch eine, und alles ist okay. Da wolltest du eingreifen. <<

Marlis drehte sich weg. Um nicht laut lachen zu müssen, griff sie nach den Rudern, und brachte das Boot aus dem Kanal, wieder zurück auf die Alster.

>> Ich glaube wir sollten zurück, << sagte Bert. Bei dem Tempo müssen wir noch nachbezahlen. Soll ich dich wieder ablösen? << Marlis schüttelte den Kopf. Legte sich noch mehr in die Ruder. Nach einer Weile fragte sie Bert: >> Was währst du den lieber, der Partner, oder der Liebhaber, der sich schnell wieder davon macht...<<

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.07.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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