Ich muss es zugeben, die Reise des Rudevicus haben mich dazu animiert, auch meine Reise hier aufzuschreiben. Der Unterschied ist nur, meine Reise war vor 30 Jahren. Sie war aber so abenteuerlich, dass ich sie für Interessierte hier zu Papier bringe. Auch sollte ich fairer Weise warnen, die Reise war keine schöne, sondern sehr anstrengend und manchmal kaum zu ertragen.
An manches kann ich mich auch nicht mehr so ganz genau erinnern. Aber das was übrig bleibt, erzähle ich gerne.
Die Idee zu dieser Fahrt ins Ungewisse hatten Freunde von mir. Sie riefen mich an und luden mich ein mitzufahren, zu einer Reise nach Marokko. Ich fuhr von Bayern aus zu ihnen in den Schwarzwald und dort besprachen wir die Fahrt. Fünf, darunter ein Bildhauer, ein Grafiker mit Freundin, ein Maler und ich fuhren am 4. September 1980 mit einem geländegängigen Toyota in brennrot in Richtung Frankreich. Eine Reise, die ich nie vergessen werde.
Schon in der ersten Stunde erkannte ich in der Freundin des Grafikers eine Zicke erster Güte. Sie war ungemein charmant zu den anwesenden Herren, überging mich aber geflissentlich. Aufkeimende Gespräche meinerseits wischte sie mit einer Handbewegung beiseite. Auch machte sie sich, obwohl schlank, derart breit, dass der links und rechts sitzende zur Seite bebatzt wurde. Es wurden nur ihre Musikkassetten von Schönberg und Alban Berg gespielt. Wobei sie eigentlich gar nicht zuhörte, weil sie ständig von ihrer eigenen Avantgardismus durchdrungen, stets ihre Begabung dahingehend zum Ausdruck brachte. Das kamen also schon am Anfang meine ersten Reuegedanken diese Reise mitzumachen. Denn, wenn das nicht aufhörte, dann gute Nacht gute Stimmung. Ich wusste, dass ich sie irgendwann zurechtweisen musste oder für mich würde das eine höllische Fahrt werden.
Zuerst, da ich ja wusste, dass dieses Verhalten nur einer blödsinnigen Eifersucht entsprang, für die ich wirklich nichts konnte, tat ich so, als ob ich nichts merkte und sah schweigend und angelegentlich zum Fenster hinaus. Ich hatte mich keinem der Herren in irgendeiner Weise angebiedert, aber es war nichts zu machen. Der reine Verdacht, dass mir dieses einfallen könnte, machte sie zur Misanthropin, jedenfalls mir gegnüber. Ingrimmig dachte ich, wie hilflos ich dieser hässlichen Umtriebigkeit ausgeliefert sein würde, weil sie mir mein Desinteresse an den Herren nicht galuben würde. Da hätte ich machen können, was ich wollte, es wäre immer falsch gewesen.
Die erste Station war Südfrankreich Cap Ferrat - Cannes. Wir ließen uns auf einem Campingplatz nieder, weil es schon sehr spät am Abend war. Die einen quetschten ihre müden Glieder ins Auto, die anderen hatten ein kleines Zelt dabei. Ich legte mich unter das Auto, weil es einen gewissen Schutz bot und ich mich lange ausstrecken konnte.
Leider hatten wir uns in der Nähe des Toilettenhäuschens niedergelassen. So entging mir keine menschliche Regung. Auf einem großen Campingplatz im Sommer, wo Grill- und Saufromantik zum Völlern und Trinken nur so einluden, kann man sich vorstellen, was nachts so abging. Alle Überforderungen des Magens, der Blase und des Darmes spielten sich in viertelstündigen Abständen ab.
Nicht, dass das schon genug gewesen wäre, es gab dort auch eine Mückenplage, was mich dazu veranlasste, bei größter Hitze meinen Anorak bis über die Nasenspitze zuzuziehen. Um drei Uhr nachts hatte ich genug. Meine zerstochene Nase war zur Kartoffel herangewachsen. Ich bließ, egal was Freundin moserte, zum Aufbruch. Wir fuhren ans Meer und ich schlief drei Stunden im weichen Sand am Ufer. Nach einem erfrischenden Bad im Meer konnte die Reise weitergehen.
Die Gemütlichkeit im Auto blieb dieselbe und so erreichten wie Spanien. Leider konnten wir uns im schönen Barcelona nicht lange aufhalten. Wir sahen nur in nächtlicher Beleuchtung die Uferpromenade mit dem nachgebauten Schiff von Christopher Columbus, der "Santa Maria". Wir liefen über den großen Platz der Liebespäärchen zu der langen Straße, die ins Innere der schönen Stadt führte. In ihr pulsierte das Nachtleben der Spanier. In kleinen Hütten bruzelten Gerichte oder backte man spanische Teilchen. In kleinen Häuschen boten sie ihre Waren an, dazwischen musizierten Gruppen und tanzten und zauberten Gaukler. Es war laut und bunt. Den herrlichen Dom von Gaudi durfte ich nicht sehen, keine Zeit.
Am nächsten Morgen ging es weiter über ziemlich verdorrtes Land nach Toledo. Über einigen großen Hügeln begrüßten uns dräuend riesige, schwarze Stiere, die einfach so in der Landschaft standen. Beim Näherkommen sahen wir, dass sie eine Reklame für Cherry Brandy waren.
Toledo ist eine wundeschöne, uralte Stadt mit erhaltener Stadtmauer und historischen Gebäuden. Als wir dort oben angekommen waren um einen Blick über Stadt und Land zu werfen, zischte es warnend ganz in der Nähe. In einer Nische des alten Gemäuers hatte es sich eine Schlange gemütlich gemacht und wir hatten sie aufgescheucht. Auf dem Weg hatten wir einige abgelegte Schlangenhäute gefunden. So war es ratsam unser Nachtlager vorher genau zu überprüfen. Toledo war eine Stadt in der die meist engen Straßen nie gerade verliefen, sondern stets hinauf und hinunter. Der Fluss Tajo umfließt das alte Gemäuer. Durch drei Tore kann man die historische Altstadt erreichen. Auf dem Hügel steht dann die berühmte gotische Kathedrale von Toledo. Die Menschen kannten sich alle, jedenfalls hatte man den Eindruck. Die Cafes waren überfüllt und die Spanier, man möge es mir verzeihen, vollführten ein nicht enden wollendes Geschnatter der Unterhaltung. Ich weiß ja nicht wie unsere Sprache im Ausland klingt, aber ein temperamentvolles Spanisch klingt wie eine Horde Gänse. Darattattatacktacktaraattta klang es hart und scharf aus holden Lippen.
Dann ging es weiter über Stock und Stein nach Madrid. Eine ausladende, barocke Stadt tat sich vor unseren Augen auf. Sie gehört zu Kastilien. Sie ist Mittelpunkt und Hauptstadt Spaniens. Auch der König hat dort seinen Palast, der Palacio Real. Selbst unser Liebchen musste so staunen, dass sie für Momente ihre Zickigkeit vergaß. Breite Alleestraßen erstreckten sich durch die große Stadt und links und rechts standen eherne Prachtbauten, die im einheitlichem Grau und Schwarz der Luftverschmutzung ein leicht melancholisches Bild boten. Der Prado war natürlich geschlossen. So gingen wir Essen in einem Lokal, das einmal anderes als Hammelfleisch bot. Als große Freundin italienischer Küche und überhaupt sehr um das Essen von Tieren angeekelt, war ich über die schöne große Salatschüssel und einer feinen Gemüsesuppe sehr erfreut. Stierkämpfe wollte keiner sehen, worüber ich sehr erleichtert war.
Die Übernachtung in freier Natur war aus gegebenen Gründen immer schwierig, sodass ich mich immer schnell verzog.
Dann kamen wir nach Granada. Eine Stadt in der jetzt im September blühende Bäume in den Gärten standen. Natürlich bestaunten wir die Alhambra. Also diese ziselierte Kunst der Mauren konnte man wirklich nur bewundern. Wie ein filigranes Muster in ihren Farben im Detail ins ander führte war vom Machbaren her schon eine einzige Rechenaufgabe. Diese Geduld und Begabung mittelalterlicher Künstler war erstaunlich und unglaublich. Das Myrthenbecken, in denen unter Seerosenblättern Koikarpfen und Shubunkins schwammen, ließen uns einen Augenblick die Hitze vergessen. Sie ist eine großmächtige Zitadelle in der Paläste und Türme wieder und wieder aufgebaut worden waren. Jeder neue Herrscher wollte den vorherigen an "Größe" übertrumpfen. Das Leben und Wirken aufregender Vergangenheit durchschwebte die Räume. Der Atem des Morbiden ließen Jahrhunderte des Leidens der Frauen und der Eroberungen der Männer in den ehernen Ewigkeitsbauten erahnen. Tief beeindruckt traten wir aus kühlem Marmor der Vergangenheit wieder in die Hitze des Hier und Jetzt der heute Lebenden hinaus.
Fortsetzung folgt
Vorheriger TitelNächster TitelAlso mein Reisebericht ist noch lange nicht fertig.
Es ist sehr lange her, dass ich diese Reise nach Marokko unternommen habe. Damals war noch vieles anders, wie man vielleicht heute Marokko vorfindet. Ich schwöre hiermit aber feierlich, dass alles der Wahrheit entspricht, was sich damals zugetragen hat.
Heidi Schmitt-LermannHeidi Schmitt-Lermann, Anmerkung zur Geschichte
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.07.2010.
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