Alexandra Peitsch

Eine blutige Theaterprobe (Teil 3)

     Erik versuchte seine Freunde zu beruhigen und schlich allein zu der Loge. Norah starb fast vor Sorge, schließlich hätte Chris sich dort versteckt halten können. Erik sah jedoch vorsichtig in das Zimmer hinein und gab dann erleichtert Entwarnung. Die drei restlichen Schüler schlichen nun auch zur Loge und machten eine weitere schlechte Entdeckung.
     „Sie sind alle weg.“, sagte Finn entsetzt und trat einen Schritt in die Loge hinein, von der aus man durch eine große Glasscheibe in den Korridor schauen konnte. Geschockt musterte Finn die ganzen Schubladen, die verteilt auf dem Boden lagen. Jemand war bereits vor ihnen da gewesen und brauchte all die Schlüssel bestimmt nicht selbst.
     „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Sam ängstlich und quetschte sich auch in die Hausmeisterloge. Sie war ein gutes Versteck, doch es war beunruhigend, dass Chris bereits hier gewesen war.
     „Wir brauchen unbedingt ein Handy. Selbst das Telefon hier hat Chris mitgenommen.“, stellte Erik entsetzt fest. Es schien aber wirklich nur diese Möglichkeit zu geben. Wahrscheinlich wusste dies der Mörder und wartete schon in der Aula auf sie.
     „Ich werde hier bleiben.“, sagte Sam und zitterte am ganzen Körper. Er war ja kaum noch in der Lage sich zu bewegen. Selbst Finn konnte ihm nicht mehr helfen. Glücklicherweise hatte wenigstens sie sich nun ein wenig gefangen gehabt.
     „Ich werde mit zur Aula gehen.“, sagte sie unerwartet und Norah war erstaunt über diese Aussage. Diese Entscheidung hätte sie ihr nicht zugetraut, doch sie war gefallen. Auch Erik erklärte sich nun bereit und bat Norah bei Sam zu bleiben.
     „Schatz, bitte, pass auf dich auf.“, sagte Norah und küsste ihn noch einmal kurz. Sie hatte sich so gefreut, dass er noch lebte und wieder bei ihr war. Nun würde er wieder gehen.
     „Das werde ich.“, flüsterte er seiner Freundin leise ins Ohr und verschwand dann mit Finn um die Ecke, während Norah sich mit Sam hinhockte und ruhig der Umgebung lauschte. Sie hörte, wie sich die Schritte entfernten und sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich an einer Tür rüttelten. Norah war sich sicher, dass die Tür zur Aula abgeschlossen war. So dumm konnte Chris nicht gewesen sein. Sie kannte ihn doch.
     Auf einmal ertönte ein Schrei aus der Pausenhalle. Es war erneut der von Finn gewesen. Hektik kam auf. Norah hörte, wie zwei Personen den parallelen Korridor entlang rannten und in das erste Stockwerk liefen. Völlig panisch stand Sam auf und Norah tat es ihm gleich. Sie mussten etwas unternehmen – egal was. Wahrscheinlich war auch Finn jetzt tot.
     Norah musste sich einfach vergewissern und schlich zusammen mit Sam zur Pausenhalle. Dort sahen sie in den großen Saal, wo Finn reglos am Boden lag. Schnell sah Norah wieder weg und zog Sam weinend mit sich. Erik war in großer Gefahr. Wahrscheinlich war er mit Chris jetzt allein im ersten Stockwerk und lieferte sich einen Kampf mit ihm.
     „Wir müssen hoch und zwar sofort.“, sagte Norah entschlossen und stürmte zu einer weiteren Treppe, die ebenfalls hinaufführte. Beide eilten die Stufen hoch und blieben dann abrupt stehen. Sie durften nicht leichtsinnig werden!
     Sie lauschten gespannt und konnten nichts hören, außer ihr starkes Atmen. Irgendwo mussten Erik und Chris doch hingelaufen sein, dennoch gab es keinerlei Geräusche zur Orientierung. Gerade jetzt, wo doch jede Sekunde zählte. Oder war Erik vielleicht auch schon tot? Daran durfte Norah jetzt nicht denken.
     „Ich werde alle Gänge kontrollieren. Geh du so lange auf die Toilette und warte dort. Es ist zu gefährlich für dich.“, sagte Sam und verwies auf eine Tür hinter Norah. Sie fand das Angebot wirklich mutig, doch sie konnte das niemals annehmen.
     „Ich werde mitkommen.“, widersetzte sie sich. Sam sah sie daraufhin eher traurig an. Wahrscheinlich wollte er, dass wenigstens sie überlebt. Die Chance Chris lebendig zu entkommen, war zurzeit nämlich nicht gerade die Größte. Immerhin war er bewaffnet.
     Norah wusste, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war sich zu verstecken und einfach mal die Jungen machen zu lassen. Innerlich freute sie sich sogar ein wenig darüber, denn sie hatte große Angst. In der Toilette war es womöglich wirklich sicherer.
     Ohne noch etwas zu sagen, trat sie zurück und öffnete die Tür der Herrentoilette. Sie ging hinein und sah noch zu wie Sam davonschlich. Norah schloss jedoch die Tür und eilte in eine der drei Kabinen. Schnell schloss sie ab und erschrak, als sie plötzlich jemanden hinter sich bemerkte.
     „Norah!“, sagte eine männliche Stimme und sie wusste, wer dies war. Wie eingefroren drehte sie sich dennoch um und sah genau in Chris´ Augen. Norah wollte wegrennen, doch sie bekam das Schloss nicht so schnell wieder auf. Sie rüttelte an der Tür, als sie plötzlich zwei Hände von hinten griffen und sie zurückzogen.
     „Beruhig dich!“, sagte Chris etwas lauter und versuchte Norah unter Kontrolle zu bekommen. Jene wehrte sich jedoch weiter und wurde erst still, als er sie losließ. Norah sprang auf und knallte mit den Rücken gegen die Kabinenwand.
     „Was ist hier überhaupt los?“, fragte Chris, als seine Exfreundin wieder ansprechbar war. Diese war jedoch vollkommen verdutzt und öffnete nur ungläubig den Mund. War Chris etwa doch nicht der Mörder? Oder spielte er nur ein falsches Spiel mit ihr?
     „Werf dein Messer weg!“, schrie Norah und sah Chris fordernd an. Dieser schien allerdings nicht zu wissen, was sie von ihm wollte. Vielleicht hatte er ja wirklich kein Messer bei sich.
     „Norah, ich habe nichts hier.“, sagte Chris und hob dabei seine Hände hoch, als ob er sich ergeben wollte. Darin hielt er nichts und auch in seinen Taschen konnte Norah nichts entdecken. Tränen traten ihr nun aus den Augen. Sie war so verwirrt gewesen. Chris hingegen kam ihr immer näher und umarmte sie, als sie beinahe zu Boden gesunken wäre.
     „Erzähl mir doch bitte, was hier los ist.“, flüsterte er ihr ins Ohr und setzte sie auf den Toilettendeckel. Norah brauchte ein paar Sekunden um sich wieder zu fangen. Dann wollte sie es jedoch genau wissen, da das Leben von zwei Jungen noch auf der Kippe stand.
     „Ein Mörder ist im Schulgebäude.“, begann Norah leise zu erzählen. „Er hat bereits Liz, Frau Rüdinger und Finn getötet. Als Letztes hat er Erik gejagt und jetzt ist Sam ihn suchen gegangen. Wir dachten, du wärst der Täter.“ Norah sah Chris genau in die Augen. Er erwiderte ihren Blick und keinerlei Reue war darin zu finden. Ganz im Gegenteil schien dies ihm sogar völlig neu zu sein.
     „Das ist ja fürchterlich.“, sagte er kopfschüttelnd und starrte anschließend auf den Boden. Auch er schien nun fast zu weinen. Für Norah war dies das Zeichen, dass er tatsächlich nicht der Mörder war. Bloß wer war es dann? Sie mochte gar nicht daran denken, aber theoretisch konnte es auch Erik sein. Genau wie Chris hatte er die Chance gehabt Liz umzubringen. Ebenfalls Frau Rüdinger hätte er töten können. Immerhin hatte er die ganze Geschichte erzählt, während Sam unter Schock gestanden hatte. Erik hätte Teile davon problemlos verdrehen können. Finn wäre auch kein Problem gewesen und die zwei Personen, die Norah wegrennen gehört hatte, konnten Einbildung gewesen sein. Vielleicht war nur Erik die Treppen hochgelaufen und wartete jetzt schon darauf, dass auch Sam ihm in die Falle lief.
     „Wo warst du die ganze Zeit?“, fragte Norah  noch kurz Chris um sich zu vergewissern, ob sie ihm trauen konnte. Innerlich wusste sie jedoch, dass er unschuldig war. Sie hatte ihn die ganze Zeit zu Unrecht beschuldigt gehabt.
     „Ich saß die ganze Zeit hier. Ich habe zuerst einen Schrei gehört und dann Schritte und – alles war so unheimlich. Ich habe mich einfach nicht mehr heraus getraut.“, gab Chris zu und lief dabei ein wenig rot an. Gleichzeitig zitterte er jetzt auch.
     „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Sam ist in großer Gefahr.“, sagte Norah und stand wieder auf. Hektisch öffnete sie die Kabinentür und rannte gemeinsam mit Chris hinauf auf den Flur. Sie liefen den Gang entlang, dem auch Sam vor wenigen Minuten noch gefolgt war.
     Nur wenige Schritte weiter blieben sie abrupt stehen. Nicht weit von ihnen entfernt tauchte nun Erik aus der Dunkelheit auf. Vor ihm lag Sam – tot. Norah war wütend. Wie konnte ihr Freund so etwas nur getan haben?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.08.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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