„Norah, pass auf!“, rief Erik und lief noch weiter auf sie zu. Anscheinend begann er wieder seine Rolle als unschuldiger Freund zu spielen. Sie konnte ihm dies jedoch nicht länger glauben.
„Bleib sofort stehen!“, schrie Norah ihn wütend an und bemerkte, wie ihr eine Träne die Wange hinunterlief. Es schmerzte so sehr in ihrem Herzen ihren eigenen Freund, den sie so sehr liebte, beschuldigen zu müssen. Sie wusste, dass er so etwas nie tun würde, doch er musste der Täter sein. Sam war der endgültige Beweis. Chris konnte nicht der Mörder sein.
„Norah, bitte mach jetzt keinen Fehler.“, versuchte Erik auf sie einzureden, blieb dabei jedoch stehen. Chris stand immer noch hinter Norah und schien genauso verwirrt wie sie zu sein.
„Jetzt hast du auch noch Sam umgebracht!“, ignorierte Norah Eriks Bitte sich zu besinnen. Natürlich musste er der Täter gewesen sein, doch ihr Bauchgefühl sagte etwas anderes. Chris traute sie es zwar auch nicht zu, aber immer noch mehr als ihrem jetzigen Freund.
„Ich habe ihn hier tot gefunden, Norah! Ich bin genauso geschockt wie du und jetzt mach bitte keinen Fehler. Siehst du, ich habe keine Waffe bei mir.“, sagte Erik und hielt beide Hände in die Luft, wie Chris es bereits in der Toilette getan hatte.
Norah war total verwirrt gewesen und wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Beide wiesen die Schuld von sich, doch einer von ihnen musste es gewesen sein. Sie könnte sich ja nicht mal bei einem Angriff wehren. Ohne Waffe beschuldigte sie einen Jungen, der vielleicht schon vier Leute in dieser Nacht umgebracht hatte.
Chris stand immer noch hinter Norah. Sie beunruhigte dies nun so stark, dass sie sogar einen Schritt weiter nach vorne trat, sich umdrehte und beide Jungen nun sehen konnte. Ihr Verstand beschuldigte Erik, ihr Herz jedoch Chris.
Norah wusste nicht mehr was sie tun sollte und es war schon fast wie eine Kurzschlussreaktion, als sie plötzlich durch die Mitte lossprintete. Wenn einer der beiden der Mörder war, dann brauchte sie keine Angst davor zu haben, wo sie hinlief.
Norah stürmte die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und folgte dem dunklen Korridor. In nur wenigen Sekunden hatte sie die Pausenhalle erreicht und war quer durch ihre Mitte gerannt. Sie war sich sicher, dass Chris und Erik ihr gefolgt waren, doch noch waren sie außer Reichweite. Norah musste ihren Vorteil nutzen und irgendwie versuchen in die Aula zu gelangen. Sie konnte jetzt niemandem mehr trauen. Vielleicht waren ja auch beide Jungen die Mörder und hatten sich vorher schon genau abgesprochen.
Norah war schon fast an der Aula angekommen, als ihr auffiel, dass Finns Leiche verschwunden war. Auf dem Boden entdeckte sie nur noch Blut, wo ihre Freundin einst tot gelegen hatte. Nun war sie allerdings weg. Vielleicht waren Chris und Erik ja doch unschuldig gewesen und ein Unbekannter hatte sich in das Gebäude geschlichen. Welche Möglichkeit sollte es denn sonst noch geben? Finn konnte ja wohl kaum noch leben. Norah hatte sie doch mit ihren eigenen Augen tot auf dem Boden liegen gesehen und die Blutspuren bestätigten ihr dies. Wo war sie bloß hin? Oder was hatte der Mörder noch mit ihr vor?
Noch panischer als zuvor versuchte Norah jetzt die Tür zur Aula zu öffnen. Sie war aber immer noch verschlossen. Hilflos rannte sie weiter. Es würde nicht mehr lange dauern, ehe Chris und Erik auftauchen würden. Sie musste sich also in einen der dunkelsten Korridore verstecken.
Hektisch rannte sie in einen kleinen Seitengang, wo es keine Fenster gab. Es war also stockdunkel und man konnte so gut wie nichts sehen. Norah brauchte nun eine Waffe. Wie sollte sie jedoch an ein Messer oder etwas ähnlichem heran kommen, wenn alle Räume verschlossen waren?
Vergeblich versuchte sie einige Türen zu öffnen. Es war hoffnungslos. Norah hatte weder ein Handy noch eine Waffe. Sie konnte nur noch eines tun: sich verstecken. Genau dies versuchte sie jetzt auch, indem sie sich in eine finstere Ecke setzte und versuchte ihren Puls zu beruhigen.
Norah hörte Schritte in der Pausenhalle. Sie hatte jedoch keine Ahnung mehr, wer dies sein konnte. Chris hätte sie einfach auf der Toilette umbringen können und Erik hätte sogar noch früher die Gelegenheit dazu gehabt. Wer war bloß der Täter?
Norah dachte, dass ihr Kopf gleich platzen würde. Womöglich waren dies ihre letzten Sekunden in ihrem Leben gewesen. Der Gedanke wurde immer realistischer, als sie hörte, wie sich eine Person ihrem Versteck mit schnellen Schritten näherte.
Norah hielt die Luft an und begann zu beten. Etwas anderes konnte sie jetzt nicht mehr tun. Sie hielt sich sogar die Augen zu, als sie die Person in ihren Gang kommen sah. Wahrscheinlich hatte nun ihr letztes Stündchen geschlagen.
„Norah?“, fragte eine Stimme. Halb ohnmächtig blinzelte die Gejagte noch einmal und sah den Schatten jetzt genau vor sich stehen. Plötzlich sah Norah aber nur noch ein Leuchten und fragte sich, ob so der Tod aussah. Erst im nächsten Moment wurde ihr bewusst, dass sie nur von einer Taschenlampe angeleuchtet wurde.
„Du kannst wieder aufstehen.“, sprach die Stimme weiter. Es war weder die von Chris noch von Erik, denn sie war weiblich. Wer sollte dies dann aber nur gewesen sein? Norah platzte fast der Kopf. Sie war verwirrt und wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Dies alles war zu viel für sie gewesen.
Plötzlich gingen noch mehr Taschenlampen im Hintergrund an. Norah versuchte die herannahenden Personen zu identifizieren, doch sie konnte nur Liz erkennen, die genau vor ihr stand.
„Liz?“, fragte sie fast atemlos. „Ich dachte, du bist tot.“, sprach Norah weiter und konnte es nicht fassen. Vielleicht war sie ja doch schon im Reich der Toten. Verwirrt versuchte Norah sich wieder hinzustellen und bekam Halt von dem Mädchen vor ihr. War dies etwa alles wahr?
„Das habt ihr gut gemacht. Jetzt reicht es aber.“, sagte eine weitere Stimme. Es war die von Frau Rüdinger. Mehrere Taschenlampen waren nun auf sie gerichtet und Norah konnte sogar ein leichtes Grinsen auf ihrem Gesicht erkennen. Ihre ganze Bluse war allerdings immer noch völlig blutverschmiert, dennoch lebte sie.
„Ach, Norah! Es tut mir so Leid.“, sagte Erik lachend, ging auf seine Freundin zu und nahm sie in den Arm. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und hatte einen leichten Schock. Auch alle anderen gingen jetzt zu ihr und machten sich einen großen Spaß daraus, wie Norah auf sie hineingefallen war.
„Ihr seid doch alle tot.“, brachte Norah nur heraus und hielt sich weiterhin an Erik fest. Die Gruppe musste nur noch mehr lachen und hielt ihr eine rote Flasche vor das Gesicht. Norah erkannte sofort, dass es sich hierbei um eine blutähnliche Farbe handelte und alles nur ein Scherz war – oder wie man das auch nennen sollte.
„Ich hoffe, du kriegst jetzt endlich deinen panischen Gesichtsausdruck hin. Ich hatte dich ja vor einer guten Stunde schon darauf vorbereitet, dass wir das heute Nacht noch üben werden.“ Alle mussten lachen – selbst Norah.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.08.2010.
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