Kurt Henke

Unser Großvater

Ich hatte ihn besonders gern . Das war wohl gegenseitig der Fall. Auch viele Gemeinsamkeiten. sprechen dafür. dass ich einen Teil seine Gene abgekommen habe. Einige Fähigkeiten und Veranlagungen lassen es wenigsten vermuten .Dazu gehört auch das problemlose Altwerden..

Vor dem 1. Weltkrieg besaß er eine große Baufirma bei Hannover. Durch die Währungsreform war er in Konkurs geraten, Das traf bei diesem Gewerbezweig damals massenhaft zu.

In Dortmund –Derne hatte er sich einen neuen Arbeitgeber bei Hösch in Dortmund gesucht. Wir besuchten ihn mit der Familie per Fahrrad sehr oft. Viel später, als ich bei einem Bauern 30 DM verdient hatte, kaufte ich mir mit dem Arbeitslohn und dem Inhalt meines Sparschweins, ein neues Ballonfahrrad.

Jetzt wagte ich auch meinen Großvater allein zu besuchen. Er wohnte im dritten Stock eines Miethauses in Dortmund-Derne. Im Stall pflegte er eine Gans. Bei meinem Eintreffen war sein erster Gang immer zur Gans, Von dort brachte er ein bis zwei Eier und Kartoffel mit. Er wusste, seine Reibekuchen, die er dann backte, waren eine Lieblingsspeise von mir,
Dann kochte er uns Kaffee. Ich habe ihn nie danach gefragt, warum er uns gleichzeitig immer beiden zwei große Tassen voll einschenkte.

Seine Frau wohnte auf der gleichen Etage, ebenfalls in einer Zweitwohnung. In all den Jahren habe ich beide nie zusammen gesehen, auch nicht gemeinsam sprechen gehört. Dass Warum blieb mir verschlossen. Man darf davon ausgehen, dass heute solche möglichen Gründe durch eine Scheidung gelöst werden. Früher wurden solche, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht in die Überlegungen einbezogen .

Oft machte er mit mir einen Spaziergang, Fast immer nur so weit, bis wir den Gasometer von Derne sehen konnten. Dann wies er stets darauf hin, dass er als Baumeister ihn erstellt habe, Er war sehr stolz darauf, Dabei sollen erstmals ganz neue Techniken angewandt worden sein.. Das Wie habe ich nicht verstanden. Mir fehlten dazu auch einige Spezialkenntnisse.


2)Einmal fragte er mich mit Hinweis auf den Gasometer, erkannte aus vorausgegangenen Gesprächen meine schulischen Lieblingsfächer „Was ist dein Lieblingsfach in der Schule“ Ich konnte ihm wahrheitsgemäß antworten, Rechnen und Raumlehre“ Was macht ihr jetzt in Raumlehre wollte er dann wissen. Als er dann hörte, wir wären dabei eine Quadratwurzel zu ziehen, war er in seinem Element. In den Ferien , kommst du zu mir. Dann lerne ich dir eine Kubikwurzel ziehen. Obwohl mich das sehr interessierte, ist es nie dazu gekommen. Auch nicht in den folgenden Jahren. In keiner der Schulen die ich noch besuchte

„1945, zehn Tage nach Kriegsende haben meine Frau und ich geheiratet. Wir wohnten noch ein Jahr bei den Eltern. Für eine eigene Wohnung fehlten uns die Möbel. User Zimmer .sollte für den Opa frei werden. Und Opa wusste einen Rat. Dieser hat dann mit fast 80 Jahren mit einem großen, zweiräderigen Handkarren die alten, schweren Eichenmöbel von Dortmund-Derne nach Rünthe gefahren. Ein Doppelbett mit Kleiderschrank und einen museumsreifen Küchenschrank, Baujahr 1850 waren die Fracht. Diese Leistung lässt sich erst ermessen, wenn man weiß, was für Straßenverhältnisse nach Kriegsende hier überall anzutreffen waren

Seine alte Gewohnheit, jeden Morgen ein kurzes Bad in der Kanal-Badeanstalt in Derne zu nehmen, brauchte er. bei uns nicht aufzugeben, Wir wohnten nur 200 m vom Lippe-Seiten-Kanal entfernt. Hier bot sich die gleiche Möglichkeit. Selbst im Spätherbst, wenn die erste dünne Eisschicht sich auf dem Wasser zeigte, hielt das meinen Opa nicht ab, sein tägliches Frühbad zu nehmen..

An einem schönen Sommertag besuchte er mit uns das Freibad in Werne. Der damalige Bademeister Frahne beäugte beim Leiteraufstieg unseres Opas diesen schon recht kritisch. Als aber der alte Mann das Dreimeterbrett betrat, war er nicht mehr zu halten. Wie dieser dann in das Becken sprang und auch nicht wieder auftauchte, sprang auch er ebenfalls hinterher. Mein Opa war nämlich unter Wasser noch bis zur Mitte des Beckens geschwommen. Der Bademeister verbot ihm postwendend darauf das weitere Springen vom Dreimeterbrett

Erst als mit 89 Jahren die Morgentoilette unserem Großvater im Lippe-Seiten-Kanal, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr reizte, hatte er, den wir alle immer geliebt haben, uns still und heimlich verlassen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.08.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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