Wilhelm Westerkamp

Am See und sich amüsieren

Die beiden älteren Damen, mit ihren starken Falten im Gesicht, die neben mir auf der grünen Parkbank saßen und unentwegt deutsches platt redeten und mir dieses
Palaver gehörig auf die Nerven ging, meinten sie zum Schluss, als sie gingen: „Jetzt haben sie endlich Ruhe vor uns“. Ja, ich hatte meine Ruhe jetzt, als sie sich davon
machten, obwohl mir ein wenig Gesellschaft gut getan hätte, aber die beiden Alten, waren mir dann doch zu betagt, um mein Herz zu gewinnen. Aber hier am See, be
i wechselhaftem Wetter und wenig Passanten-außer gelegentlich ein paar Joggern- umhüllt mich eine tiefe Stille, unterbrochen von ein wenig Sonne, aber auch immer
wiederkehrenden leichten, kurzen Regens, der aber schnell wieder verschwand. DieEnten mit ihrem braunen Gefieder, schwimmen unbeschwert durch das dunkle Wa-
sser. Plötzlich schießt ein großer Fisch aus dem See, dessen Unterseite auffallend hell war und in der Sonne blitzte, als er wieder ins Wasser schoss und ich ihn
aus den Augen verlor. Ich saß nun ganz alleine auf der Parkbank, mit schmerzendemRücken und in meinem Kopf war nur leere. Ich konnte keinen konkreten Gedanken
fassen, den ich hätte festhalten können und so sah ich auf den See hinaus und nach oben in den Himmel, wo sich eine Front pechschwarzer Wolken bildete. Aber selbst
wenn ich vom Regen nass werden sollte, würde mich das kaum tangieren, denn abwesend wie ich war, hätte mir ein Regenguss wenig ausgemacht. Das dunkle Grün
der Bäume rund um den See und das stille Wasser, riefen in mir eine Ruhe hervor, die ich lange nicht mehr so erlebt habe. In der Stadt ist alles anders! Ein deutlicher
Kontrast zu diesem stillen See hier. Im Großstadtdschungel hupen die Autos unentwegt, rote Krankenwagen fahren mit hoher Geschwindigkeit über die Straße, mit einem
ohrenbetäubenden Blaulicht, so dass man sich erschreckt und Angst bekommt. Da sind mir die Enten am See doch um einiges lieber. Sie picken hastig mit ihren
dunkel gelben Schnäbeln nach dem Gras, weil sie Hunger haben, denn was sollten sie auch sonst tun. Die kranken Menschen hingegen, die im Krankenhaus liegen,
warten auf die Schwester, warten auf den diensthabenden Arzt. Sie wollen schnelle Hilfe, haben starke Schmerzen und schreien nach dem Herrn Doktor. Die Enten am
See haben es da besser: sie picken weiter nach dem kurzgeschnitten Gras und wenn sie genug Nahrung aufgenommen haben, ziehen sie sich zurück und schwimmen
weiter auf dem See. Niemand will eigentlich krank sein, doch irgendwann schnappt die Falle zu. Dann liegt man unerwartet auf diesen unsympathischen Krankenbetten,
meistens auf dem Rücken liegend und es ist nichts zu tun, außer zu warten, bis der behandelnde Arzt im Krankenzimmer erscheint. In den USA, gibt es, so weit ich das
weiß, keine Krankenversicherung. Den Arzt muss man dort bar bezahlen. Man ist dann ein sogenannter Selbstzahler. Wie gut, das es in der Bundesrepublik, nicht so
ist. Uns steht ja durch unser Gesundheitssystem eine gesetzliche Krankenkasse zu. Man unterscheidet jedoch, zwischen Kassenpatient und Privatpatient. Das ist
zweifellos ungerecht, weil der besser Verdienende, sich eine Privatversicherung leisten kann und nun das Privileg hat, das ein oder andere Gespräch mit dem Chef-
arzt führen zu dürfen und auch vom Chefarzt behandelt zu werden. Das ist dem Kassenpatienten untersagt, der entweder vom Oberarzt oder dem Stationsarzt ärztlich
betreut wird. Als ich weiter über die Krankenkassen nachdachte, bemerkte ich durch die Wärme an meinem Körper, das die Sonne am See wieder schien. Sie brannte au-
ch auf meine rechte Gesichtshälfte, auf meine blasse Haut, so dass es mir beinahe unangenehm war. Aber das Spiel mit der Sonne hielt nicht lange an. Schwarze Wol-
ken schoben sich zügig vor die Sonne und feiner Regen tröpfelte auf meinen dicken Kopf, aber nicht lange, bis erneut ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken brachen
und mein blasses Gesicht leicht aufhellen. Als ich meinen Kopf etwas nach rechts neige, fallen mir zwei Jogger mit kurzen schwarzen Hosen auf, die an mir achtlos
vorbei laufen. Sie tragen trotz der Anstrengung ein kurzes Lächeln auf ihren verschwitzen Gesichtern und man hört ihre schnellen Schritte auf dem Gehweg knistern.
Um diesen See laufen soweit ich mich erinnern kann, schon immer diese Jogger, in den letzten Jahren jedoch vermehrt weibliche. Gerade im Sommer, wenn die
Temperaturen die dreißig Grad überschreiten und eigentlich von körperlicher Ertüchtigung abzuraten ist, laufen sie im Pulk wie Rennpferde auf der Rennbahn. Man kann ihren
pfeifenden Atem gut vernehmen, man spürt geradezu wie sie sich körperlich sehr anstrengen. Aber wofür? Oftmals ist es der Aspekt der Schönheit oder des „Schönheitswahns“,
im Besonderen bei Frauen. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft muss anscheinend jeder so fit wie möglich sein, um dem gefordertem Leistungsanspruch gerecht zu
werden. Und sollte man mit seiner Leistungsfähigkeit nicht zufrieden sein und als Mann an einer „Hühnerbrust“ leiden, ist heute in jeder Stadt ein Schönheitschirurg ansässig,
der ein Implantat einpflanzen kann und der dürre Mann mit der „Hühnerbrust“ von einst, hat nun eine Brust, wie bei einem austrainierten Bodybuilder. Das Frauen ihre Brust gerne
operieren und vergrößern lassen, das ist hinlänglich bekannt. In manchen Fällen jedoch – oft auch bei „Prominenten“- wenn die Brust durch das Implantat zu groß erscheint, wird
nun die Brust verkleinert und eben nicht mehr vergrößert, so der neue Trend. Als Mann, sollte man deshalb, wenn man eine Frau mit großem Busen kennenlernt, genau hinsehen,
ob dieser auch wirklich echt ist. Denn was man heute an den Damen so sieht, ist oftmals eine Fälschung und man sollte als Mann, nicht darauf herein fallen. Aber am See, wo ich
einige Stunden verbracht habe, an diesem See, mit seinen Enten, mit seinen Tieren, sie sind kein Falsifikat, sie sind authentisch und bleiben es auch. Der Mensch jedoch, hat viele
Spielarten sich zu manipulieren, sich gegenseitig zu entwerten, auch wenn er sich diesem Phänomen doch bewusst sein sollte, hört er nicht damit auf und wenn es zum Schaden
seiner selbst sein sollte. Denn zerstören können wir uns jederzeit selbst. Hoffen wir dennoch, auf bessere Zeiten, meine Damen und Herren!


© Wilhelm Westerkamp, August 2010

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.08.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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