Paul Rudolf Uhl

Berlin im Mai 1990

 

Mit Inge - meine Ehefrau Anschi war im August 89 gestorben - machte ich eine Reise durch die ehem. DDR nach Berlin. An der Autobahn sah man noch die umfangreichen Grenzkontroll- Einrichtungen und auch noch den riesigen Betonblock, den man quer über die Autobahn schieben konnte, um die Staatsgrenze der DDR zu schützen.
Am Hermsdorfer Kreuz mußten wir tanken und es dauerte fast eine Stunde, bis wir dran waren, unseren Tank zu füllen: es waren viele Trabbis da, die gleich 2 oder 3 Benzinkanister mit je 20 Litern als Reserve mit nach Hause nahmen und  es gab damals nur zwei, drei Zapfsäulen. – Rollende Bomben?
 
Wir wunderten uns über die Autobahnausfahrten, die in rechtem Winkel einmündeten oder  furchtbar enge Kurvenradien hatten. In Neustadt an der Orla bei Jena wollte Inge Verwandte besuchen. Das Nest war extrem ärmlich und es gab schlimme Bauschäden. Man hatte 40 Jahre gar nichts investiert, um Fassaden auszubessern oder mit Farbe zu versehen. Das Rathaus war am schlimmsten dran: einige Türmchen waren schon heruntergefallen und wegen abbröckelnder Simse mußte der Gehweg vor dem Gebäude gesperrt werden...
 
Später kamen wir rein nach Berlin. Am ehem. Grenzübergang Dreilinden begrüßte uns der Sowjetpanzer, auf dessen hohem Sockel der Ruhm der sowjetischen Armee gepriesen wurde. Die ersten Eindrücke waren der Kurfürstendamm, die Gedächtniskirche und das Brandenburger Tor.
Hier besuchten wir Peter und Gitte, die uns in ihrem Gartenhäuschen in der Kolonie Ruhwald übernachten ließen und die für uns abends dort grillten.
Mit der S-Bahn erkundeten wir Teile der Stadt, sahen am Nollendorfer Platz das Zille Museum, der Floh- und Kunstmarkt in der Straße des 17. Juni, bewunderten das Schloß Charlottenburg, fanden in Kreuzberg die „Hungerkralle“, das Luftbrückendenkmal.
Anschließend besuchten wir Familie Schmid im Osten und gingen mit Peter u. Gitte abends in eine „Zille Kneipe , die Ranke 2.
Im Süden von Berlin zeigten uns Inges Bekannten das Blockhaus Nikolskoe, und die Pfaueninsel. Nächsten Tag erlebten wir am Bahnhof Zoo eine Demo und fuhren mit der S- Bahn nach Potsdam, um das Schloß Sanssoucis, in dem wir aber wegen des Andrangs keine Führung mehr bekamen. Im Schlossparkbereich gibt es noch das Neue Palais, dessen Fassade und deren Skulpturen in einem schlimmen Zustand waren. Auch da hatten die Sozialisten nix gemacht, weil es ja nicht ihre Vergangenheit war... In der Altstadt von Potsdam fanden wir das ehem. Stasi- Gefängnis, das durch ein Transparent als „ Lindenhotel, Haus für alle“ ausgewiesen wurde. Wir waren drin und sahen – beklemmt – die winzigen Zellen…
Mit einer kleinen Schiffsreise zurück nach Berlin auf der Havel und unter der Glienicker Brücke hindurch ging der Tag zu Ende.
Anderntags fuhren wir wieder heim, aber diesmal nicht auf der Autobahn, sondern über Dresden und die Tschechei.
Eine anstrengende, aber sehr informative Fahrt.

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