Beate Minderjahn

8.) Waidmannsheil! - Unser neues Leben ...

8.) Waidmannsheil!

Unser neues Leben am Ende der Welt – Neuseeland  18. November 1999

Man glaubt es kaum, die Sonne scheint schon seit zwei Tagen!
Heute nachmittag hatte mein Super-Plumber sein erstes Bewerbungsgespraech in Auckland. Der Chef gab ihm gleich einen Arbeitsvertrag mit, bot  ihm ein Firmenfahrzeug  (was mir sehr gelegen kommt,  um meine Karriere als Geisterfahrer auszuarbeiten) und einen Satz Werkzeug an (bis unseres von den sieben Weltmeeren einlaeuft). Bernd  koennte schon Ende naechster Woche anfangen. Moechte mal gerne wissen was mein lieber Badezimmer-Experte dem Chef in broken English alles erzaehlt hat.  Entweder war er sehr ueberzeugend oder es herrscht absoluter Plumber-Mangel! Der Job besteht daraus, Rohre in Neubauten einzuziehen (mein Mann kann prima mit Rohrleitungen umgehen...) und $17 pro Stunde ist besser als nichts. Die Arbeit ist nur 24 km entfernt  und der liebe Mann sieht mal was anderes.  Beim Verlassen des Bueros hat mein Mann zur Verwunderung seines zukuenftigen Chefs noch verlauten lassen, dass er  auch umsonst gearbeitet haette, wenn noetig. Desperate house-man!  Und so macht man auch keine Freunde in der Gewerkschaft (falls es das hier gibt). Aber, wenn er dann endlich arbeitet,  haben  Henry und ich das Haus fuer uns oder wir koennen mal in Ruhe mit dem Auto auf Entdeckungsreise fahren.  Der einzige Haken ist, dass Bernd sich laut Arbeitsvertrag fuer mindestens zwei Jahre nicht selbstaendig machen darf.  Der Passus muss noch gestrichen werden (?!?) und dann kann es losgehen.  Er hat hoffentlich nicht von seinen Spionier-Absichten erzaehlt. Eine weitere Firma hat ihm heute ein Vorstellungsgespraech angeboten (muss doch Plumber-Mangel sein – vielleicht sollte ich auch umschulen). Nachher reissen sich noch  alle um meinen lieben, Deutschen Gas- und Wasserinstallateurmeister-Goettergatten.
Jetzt  wird es auch dringend noetig, dass Bernd eine sinnvolle Beschaeftigung findet, da er (neben Feuer machen) ein neues Hobby entwickelt hat: seine liebe Frau erschrecken. Zu allen Tages- und Nachtzeiten schleicht er durchs Haus und ploetzlich steht er hinter mir und spricht mich an. Du liebe Guete! Mein Puls geht auf 180, mein Blutadern machen Spruenge und ich muss eine Viertelstunde sitzen und tief durchatmen, um mein rasendes Herz zu beruhigen. Meistens bin ich von tiefen Gedanken umzingelt, kommuniziere mit meinem heissgeliebten Baby Henry, beobachte den Rasenmaehermann von der Terrasse aus (Research!) oder meine Sehfaehigkeit ist von einer Dunstwolke in der Kueche eingeschraenkt,  wenn ploetzlich und unerwartet die Stimme meines Mannes aus dem Hinterhalt zuschlaegt und ich vor Schreck einen 80cm-Satz entgegen jeglicher Erdanziehungskraft mache.  Wenn das nicht langfristig zu einem echten Herzinfarakt fuehrt, weiss ich es auch nicht.  Der Mann braucht dringend einen Job!  Er bezeichnet meine Schreckhaftigkeit als „schlechtes Gewissen“!?!
Auch meine teuflische Waschmaschine ist wieder sehr gemein zu mir. Ist mir schon fast peinlich, wieder dieses Thema anzuschneiden. Es artet langsam in einen persoenlichen Krieg aus. Die Waschmachine oder ich! Jetzt, wo ich ihr ausgekochtes Styropor-Geheimnis gelueftet habe, denkt sie sich neue Gemeinheiten aus.  Heute stand Weisswaesche auf dem Programm. Draussen strahlte die Sonne , der Waeschestaender stand in luesterner Erwartung auf der Terasse parat und ich wollte gerade die Treppe hinunter laufen und die turbogeschleuderte  Waesche aus der Maschine erloesen, als mir auf dem Weg schon die erste Flutwelle entgegen kam.  Nein, nicht der Rest der Sintflut hat sich ausgebreitet, sondern die biestige Waschmachine hat mir wieder ein Schnippchen geschlagen. Ihr Abwasserschlauch ist ueber einem eigens dafuer installierten Aluwaschbecken neben der Hoellenmaschine im gigantischen Wandschrank befestigt, damit das Wasser wunderbar im Abfluss davon gurgeln kann. Vorausgesetzt natuerlich, dass nicht zufaellig jemand den grossen blauen Schwamm zum Autoputzen nutzt (um Langeweile-Attacken sinnvoll zu ueberbruecken) und ihn dann achtlos im Waschbecken liegen laesst. Dieses gemeingefaehrliche Zivilisationsobjekt  aus China hat sich offenbar am Abluss festgesaugt  und verweigerte dem Waschwasser jeden Abgang. Habe sofort meinen privaten Hausplumber zur Hilfe gerufen, der gleichzeitig auch der Ausloeser der Katastrophe war (sorry Waschmaschine!), und mit dem neuen atomgetriebenen Duesenturbo-Nass-Trocken-Saeugetier aus dem Baumarkt haben wir alles wieder aufgesaugt. Die Investition hat sich schon gelohnt. Das nennt man Vorsehung!  Wenn alles trocken ist, spruehe ich was von dem Anti-Geruchs-Spray  auf den Teppich und alles ist wie neu. Ich hoffe nur, dass mein lieber Mann das ganze nicht inszeniert hat, damit er nochmal eine echte Aufgabe hat.  Mann ohne Arbeit – taugt nix!
Unsere Abende am Ende der Welt sehen so aus:  Sobald sich little Henry gegen 21.30 Uhr (Nachtmensch wie sein Papa) ausgetobt hat, schlaeft er auf dem Sofa ein. Ihn in sein Bettchen zu legen, waere Quaelerei, denn im Untergeschoss des Hauses ist es nachts viel zu kalt. Und wir sind bestimmt nicht verwoehnt (?!?) Nur, seit mein Mann jeden Abend seinen geliebten Hochofen anstocht, koennte der Klima-Unterschied zwischen Erdgeschoss und Untergeschoss nicht extremer sein. Und Klein-Henry hat das auch schon gemerkt.  Sobald man ihn auf Zehenspitzen schleichend nach unten tragen will, wacht er auf und schreit aus voller Kehle. Unten muss er mit Muetze, Schal, Ohrenschuetzern, Handschuhen und Moonboots im Bett liegen, hier oben reissen wir uns vor Hitze die Kleider vom Leib.  Der Kleine muss sich ja vorkommen wie ein Haechnchen aus dem Wienerwald.  Erst gebraten, dann eingefroren, morgens wieder aufgetaut und abends wieder gebraten.... 
Vielleicht ist Henry ein Kanibalen Baby. Es ist richtig unheimlich. Bei jeder Gelegenheit  schnappt er sich meinen Daumen, meine Hand oder Teile vom Arm und beisst mit Voller Kraft hinein. Wenn er merkt, dass er kein Stueck Fleisch abbeissen kann, wird er richtig aggressiv. Ist das normal? Er beisst und reisst an meinen Organen wie ein ausgehungerter Haifisch. Gott sei Dank hat er noch keine Zaehne! Wenn er erstmal laufen kann, faellt er wahrscheinlich alle Katzen und Hunde in der Gegend an und versucht, sich Stuecke rauszubeissen. Das kann ja heiter werden.  Bis dahin muss ich mehr Englisch lernen, um meine Nachbarin zu warnen. 
Wenn Bernd abends zwischen Nix-Versteh-TV Sendungen und dem Nachwerfen von Feuerholz die Gelegenheit nutzt, vor der Haustuere (und zur weiteren wortlosen Voelkerverstaendigung mit meiner Nachbarin hinter der Gardine) ein Zigarettchen zu rauchen,  nutzt meistens ein dicker, fetter Brummer den offenen Spalt an der Tuere, um sich in unserer Sauna ein wenig aufzuwaermen.  Dann tritt der wahre Ur-instinkt meines Mannes  ein (er: Jaeger – ich: Sammler) und der kleine Feuerteufel geht auf die Pirsch. Mit meinem frisch gewaschenen, gebuegelten (zu viel Zeit...) und abgezaehlten Geschirrtuch versucht er, die dicke Hummel zu erlegen. Bewaffnet bis zu den Zaehnen springt der Jaegersmann ueber Tisch und Stuhl, Sofa und Sessel, doch der fliegende Sumu-Ringer ist immer ein Ideechen schneller. Mal sitzt er auf Henrys Nasenspitze , mal auf der rosa-farbenen Gardienenstange, dann auf dem goldenen Wandteller von Vermieterin‘s Urgrossmutter. Bernd rast hinterher, zielt und donnert auf das fliegende Ungetuem, ich spurte hinterher, schnappe im freien Fall nach Omas Wandteller und haenge ihn wieder an den Nagel, bevor ich weiteren Krimas Krams vor der Zerstoerung retten muss. Das fliegende Monster scheint sich jedoch zu amusieren und bringt meinen Mann noch mehr in Rage bis der Flugsaurier letztendlich zerquetscht an meinem dampfgebuegelten Kuechentuch klebt. Endlich hat die liebe Seele Ruh, blaest zum grossen Hallali und goennt sich zur Belohnung ein Zigarettchen vor der Haustuere. Dann geht die ganze Treibjagt von vorne los ... bis die gesamte Brummerfamilie ausgerottet oder mein Beschuetzungsinstinkt gesteuerter Super-Mann endlich morgens gegen 2.30 Uhr muede ist.
Waidmannsheil und gute Nacht vom Jagerbattallionstrupp in Neuseeland.   
Fortsetzung folgt...
(c) Beate Minderjahn

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