Andreas Rüdig

Schirmmacher

Die Abkürzung "BRD" steht für "Bundesrepublik Deutschland", nicht wahr? Nein, nicht ganz. Es gibt eine kleine Region mitten unter uns, bei der die Abkürzung eine andere Bedeutung hat. "BRD steht bei uns für `Billiger Regenschirm - Distrikt`," berichtet Konrad Durchblick, im Bergischen Land oberster Repräsentant des Drei-Städte-Dreiecks Wuppertal - Solingen - Remscheid.

Klimakatastrophe hin, Umweltschutz her - das Bergische Land war schon immer als völlig verregnet bekannt. Haben in Köln schn die Freibäder geöffnet, laufen in Remscheid die Leute noch im Wollpullover herum.

"Wundert Sie das," fragt Tobis Habakuk Drilling. "Dieses Wetterphänomen ist doch schon seit dem Mittelalter bekannt." Der Grund dafür ist in der örtlichen Wirtschaftsstruktur des Bergischen Landes zu suchen. Solingen ist die Stadt des Bestecks. Gabeln, Messer und Löffel werden hier schon seit alters her hergestellt. Heute kommen natürlich Tranchiermesser für Geflügel, elektronische Brotmesser und Schöpfkellen für Suppen daher. "Im Mittelalter gab es die Alchemisten. Sie versuchten, aus Sch...e Gold zu machen," blickt Drilling zurück. "Einer dieser Alchemisten muß wohl furchbar unachtsam gewesen sein. Er geriet wohl mit einer verdreckten Schöpfkelle, die er im Labor gebraucht hatte, in den Suppentopf. Es knallte sehr laut - das Geschirr blieb heil, die Suppe verdampfte vor lauter Schreck in den Himmel. Jedesmal, wenn seitdem eine Hausfrau schlecht kocht, regnet es bei uns - also eigentlich jeden Tag.

Am schlimmsten ist es wohl am Remscheider Busbahnhof. "Soweit ich weiß, ist dort einer der höchstgelegenen Punkte des Bergischen Landes," berichtet Durchblick. "Es gibt dort jedenfalls sehr oft Überschwemmungen. Die Busse trauen sich dann - so nebenbei bemerkt - nur noch in Begleitung von Booten dorhin."

Das Wasser fließt aber auch wieder sehr schnell ab. Und zwar in Richtung Wuppertal, wie Johnny U. N. Eben zu berichten weiß. "Das Flußbett der Wupper ist einer der tiefsten Punkte des Bergischen Landes," erzählt das Wuppertaler Urgestein. "Die vielen Überschwemmungen verhindern solide Uferbefestigungen. Was meinen Sie, warum wir die Schwebebahn gebaut haben? Wir wollen trockenen Fußes von einem Ort zum anderen."


Ob Regen-, Sonnen-, Balkon- oder Marktschirm: Schirmmacher entwerfen Schirme aller Art, fertigen die Einzelteile wie Schirmgestelle, -griffe, -decken und Stöcke an und bauen sie zusammen. In ihren Werkstätten türmen sich daher Stoffbahnen aus verschiedenen Materialien, metallene Spitzen, Schienen und diverse Griffe und Ersatzteile. Schirmmacher stellen daraus Schirme für jeden Geschmack und Verwendungszweck her. Das kann vom Sonnen- und Regenschirm über spezielle Lampenschirme bis hin zum stofflich passenden Schirm für das modische Aussehen reichen. Unterschiedliche Größen und Ausstattungen lassen kaum Wünsche übrig. Es gibt Partnerschirme mit einem großen Durchmesser und Minischirme, die in jede Tasche passen. Schirmmacher haben sich sogar schon Schirme, die wie Tierköpfe gestaltet sind, für ihre jungen Kunden ausgedacht. Schirme entstehen in Handarbeit. Die Schirmmacher setzen dabei Kundenwünsche um. Daher sind viele Schirme Unikate.

Und wie arbeiten Schirmmacher im Detail? Schirmmacher halten zunächst ihre eigenen Entwürfe oder die Wünsche des Kunden in Skizzen fest. Dann wählen sie einen imprägnierten Stoff für den Bezug aus. Nach den Maßen des Schirms zeichnen sie das Schnittmuster. Dann legen sie dieses Schnittmuster auf den Stoff und zeichnen die Konturen nach. Dann schneiden oder standen sie die Einzelteile für die Bespannung aus und nähen sie mit einer speziellen Nähmaschine zusammen. Als nächstes kümmern sie sich um das Schirmgestellt. Für einen Regenschirm passen sie acht Spitzen in den Stoff ein, spannen ihn über Metallschienen und nähen ihn fest. Die Schienen führen sie mit dem Mittelpunkt des Schirms, der sogenannten Krone, zusammen und fixieren sie mit Draht. An der Krone befestigen sie einen Metall- oder Holzstock. Sie wählen dann die passende Spitze und den Griff aus und montieren dann alles. Soll der Schirm nicht mechanisch geöffnet werden, bauen sie am Ende ein geeignetes federbetriebenes System ein, mit dem sich der Schirm per Knopfdruck öffnen läßt. Schirmmacher stellen darüber hinaus Futterale her und reparieren defekte Schirme.

Von mafiösen Strukturen in der Schirmherstellerbranche des Bergischen Landes kann die Wuppertaler Polizei  berichten. "Wir wissen von geheimen Treffen und illegalen Preisabsprachen," berichtet Karl-Eduard von Schnitzel, der leitende Kommissar, oberster Polizeibeamter und zugleich Pressesprecher der Polizei im Dreistädtedreieck.

Irgendwann seien der Polizei dubiose Filmaufnahmen aufgefallen. Mal seien es merkwürdige Aufnahmen für die Nachrichtensendung im Lokalfernsehen, mal Firmenspots, mal Werbeclips gewesen. Immer seien Wasserwerfer und andere Filmrequisiten, mit denen Regen simuliert werden kann, eingesetzt worden. "Uns Verbrauchern sollte eingeredet werden, das Bergische Land sei das regenreichste Gebiet Deutschlands, wenn nicht gar weltweit, berichtet von Schnitzel. Er kann auch seine Meinung begründen: "Der örtlichen Regenschirmproduktionsbranche geht es schlecht. Sie kämpft um ihr Überleben. Da muß mit allen Mitteln darum gekämpft werden, die Absatzzahlen zu erhöhen. Wie sagt es Fred Astair so schön? Sie singen vor Freude beim Regenwetter."

Hihihihi (irres Gelächter ist zu hören)  Die Polizei habe ich ja ganz schön hinter`s Licht geführt. Blöde wie sie sind, haben sie das Wichtigste überhaupt nicht bemerkt. Nämlich meine Forschung!

Sehen Sie den Regenschirm da drüben? Er ist eine neuartige Handfeuerwaffe. Nimmt man den unteren Gummipfropfen ab, öffnet sich der Schießkolben. Dort steckt man auch die Munition hinein. Sehen Sie den Knopf hier? Damit spannt man den Schirm auf. Drückt man auf den Knopf daneben, kommen Kimme und Abdrückbügel heraus. Hat man sein Opfer umgelegt, drückt man den Knopf erneut und alles führt wieder ein. Gummipfropfen drauf und es ist wieder ein ganz normaler, alltäglicher Regenschirm.

Diese beiden Schirme sind die Lösung aller Verkehrsprobleme. Dieser etwas kompaktere, dabei aber leistungsfähigere Schirm hat einen kleinen Motor und einen Rotor eingebaut. Wer schwindelfrei ist, kann ihn als Hubschrauber benutzen. Sie glauben gar nicht, wie hübsch das Bergische Land von oben ist. Und dieser hier ist als Ersatz für Autos gedacht. Es kann sich in Regenrinnen, Überlandleitungen und ähnlichem einklinken und entlangrollen. Er hat hier oben ein paar Rollen eingebaut und funktioniert wie die Schwebebahnen / Hängebahnen. Gut daran ist, daß der Schirm sogar von Haus zu Haus hüpfen kann. Cabriolet fährt man damit nicht. Bei Regen und Schnee spannt man einfach nur den Schirm auf.

Dieser Sonnenschirm ist gut für`s Camping. Man kann ihn nicht nur als Schirm nutzen, sondern bei Bedarf auch als Zelt ausbauen. Die Zeltwände befinden sich hier in der Schirmstange.

Und dieser Marktschirm erst, mein Herr, der ist wirklich ein Hit! Richtig gefaltet, läßt er sich doch tatsächlich als Tragetasche, Koffer, Tiefkühlbox und Sprungtuch verwenden. Der Marktschirm ist überall und vor allem flexibel einsetzbar. Sie glauben mir nicht... Schauen sie doch mal... Oh! Der Karl hat mich doch tatsächlich in meinen eigenen Koffer eingesperrt. Hebt er mich jetzt auch noch hoch? Wo bin ich? Bei der Konkurrenz? Was - ich soll all´ meine Geheimnisse preisgeben? Nein, das tu ich nicht, nie, niemals. Was macht der Chef jetzt? Er zündet ein Zündkabel an. Er schickt mich glatt mit seinem Raketenschirm zum Mond!"

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.08.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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