Marion Redzich

Das Traumauto

                                              

 

 

Der Wecker klingelte. Noch etwas benommen wühlte ich mich aus den Federn, gönnte mir eine ausgiebige Dusche und machte mich auf den Weg zur Arbeit.

Der Bus kam endlich, nach gefühlten 90 Minuten. Ein freier Platz war nicht in Sicht.

So hatte ich aufgrund meiner Körpergröße von 165 cm das zweifelhafte Vergnügen, die Fahrt unter der Achsel eines ziemlich großen Mannes verbringen zu dürfen. Dieser allerdings schien nicht allzu viel von Körperpflege zu halten. Mir war schlecht! Aussteigen kam leider nicht in Frage, sonst hätte ich es nicht mehr rechtzeitig zu meiner Arbeit geschafft. Also, Luft anhalten und positiv denken. Schließlich geht jede Fahrt einmal zu Ende!

Und jetzt ist Schluss! Heute werde ich mich nach einem fahrbaren Untersatz umschauen. Kaum hatte ich diesen Entschluss gefasst, ging er mir von da an nicht mehr aus dem Kopf. Im Vorbeifahren sah ich ein kleines Autohaus. Dem wollte ich nach Dienstende einen Besuch abstatten.

Der Vormittag ging schnell vorbei. In Gedanken war ich nur noch bei meinem neuen Auto. Die Marke war mir völlig egal. Es sollte nur rot sein, nicht zu groß, möglichst rund und auf keinen Fall mehr kosten als 1500 Euro. Dies war genau der Geldbetrag, den ich mir im letzten Jahr zusammengespart hatte. Ursprünglich war das Geld für eine längere Reise geplant.

Doch frau muss Prioritäten setzten. Und jetzt ist eben ein neues Auto dran!

Am Nachmittag fuhr ich mit dem Bus bis zu dem Autohaus und suchte die Reihen von unterschiedlichen Fahrzeugen nach meinem neuen roten Auto ab. Fast alle der hier zum Verkauf angebotenen Fahrzeuge waren schwarz oder silberfarben. Ein rotes konnte ich nirgends entdecken. Bei einem hübschen, blauen Auto konnte ich hinter der Windschutzscheibe den Preisvorschlag des Autohauses lesen:  „ Super-Sonderpreis! Heute nur  17.500 Euro!“ Abgesehen davon, dass die Farbe nicht stimmte, konnte ich kaum glauben, dass es Menschen gibt, die so viel Geld für ein Auto ausgeben würden.

Ernüchtert und frustriert wollte ich schon das Gelände verlassen, als eine innere Stimme mich zwang, noch einen Blick in den hinteren Bereich des Autoverkaufgeländes zu werfen.

Und da stand es plötzlich. Gut versteckt hinter einem großen schwarzen Kombi. Es schien, als habe es nur auf mich gewartet. Knallrot, rund und mit Scheinwerfern, die mich anzusehen schienen. „Ich bin’s! Dein neues Auto! So lange hast Du auf mich gewartet! Und ich auf Dich! Auf was wartest Du noch?“ hörte ich eine leise Stimme.

Ich schüttelte mich und schaute mich um. Doch weit und breit war niemand zu sehen.

„Jetzt rede ich schon mit einem Auto!“ dachte ich bei mir und nahm mir vor, in nächster Zeit weniger zu arbeiten. Doch das kleine rote Auto gefiel mir. Es war genau das, was ich mir vorstellte. Einmal lief ich um das Auto herum, prüfte den Zustand der Reifen. Alles schien in Ordnung. Auch der Lack hatte keinen einzigen Kratzer. Das Auto war in einem prächtigen Zustand! Vorsichtig schielte ich nach der Preistafel und traute meinen Augen nicht.

„ 1.500 Euro Festpreis“ stand dort in großen schwarzen Buchstaben. Das gibt’s doch nicht!!

Jetzt war es an der Zeit einen Verkäufer zu suchen, bevor mir noch jemand dieses Goldstück vor der Nase wegschnappte! Lange dauerte es nicht, da war ich mit einem schlaksigen, überaus hilfsbereiten Verkäufer ins Gespräch vertieft. Ja, der TÜV ist neu. Und nein, Mängel habe das Auto auch nicht. Es wurde im Auftrag einer älteren Dame verkauft, die nur wenige Male mit dem Auto gefahren war und es nun zu einem günstigen Preis verkaufen wolle. Das Auto war zwar schon zehn Jahre alt, nicht mehr das neueste Modell, hatte auch keine Klimaanlage und sonstigen Schnickschnack. Aber das war mir egal. Es hatte ja Fenster.

Schnell wurde ich mit dem Verkäufer einig, gegen Hinterlegung meines Personalausweises eine kleine Probefahrt mit dem Objekt meiner Begierde  unternehmen zu dürfen.

 

Der Sitz war bereits in einer perfekten Position. Auch die Einstellung der Spiegel musste ich nur minimal verändern. Ich schnallte mich an, steckte den Zündschlüssel ein und legte den ersten Gang ein. Der Wagen fing sofort an leise zu schnurren. Langsam fuhr ich vom Gelände, bog rechts in die Hauptstraße ab und fuhr in Richtung Autobahn.

Dort war nicht viel los, die Rushhour hatte noch nicht begonnen und so flitzte ich mit meinem kleinen roten Auto mit Tempo 120 über die Strecke. Ich öffnete das Fenster und spürte, wie mir der frische Wind um die Nase wehte. Die Landschaft sauste immer schneller an mir vorbei. Ein Gefühl der Freiheit überkam mich. Ein schönes Gefühl! Meine Hände streichelten zärtlich über das Lenkrad. „Ja, genau so hab ich mir mein Traumauto vorgestellt“ und dachte dabei an all die Fahrten, die wir beide noch miteinander unternehmen würden. „Am nächsten Wochenende zeig ich Dir das Meer!“ versprach ich meinem kleinen, roten Gefährten.

„Das wird Dir gefallen!“ Wir werden viel Spaß miteinander haben!

Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich zurück zum Autohaus musste. Schließlich wollte ich den Vertrag noch unterzeichnen, so dass uns nichts mehr trennen konnte.

Auch die Rückfahrt verlief problemlos und pünktlich erreichten wir das Autohaus.

Der nette Verkäufer freute sich, einen so reibungslosen Verkaufsabschluss noch vor Feierabend erledigen zu können und überreichte mir die Schlüssel und Fahrzeugpapiere.

Glücklich setzte ich mich in mein neues, kleines, rotes Auto und wollte heimfahren.

 

In diesem Augenblick klingelte mein Wecker…

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                               E N D E

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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