Karl-Heinz Fricke

Meine Bergmannsjahre (erster Teil)

 

Meine Bergmannsjahre (erster Teil)

Fast acht Jahre lang arbeitete ich vor Ort im Schicksalsberg der Stadt Goslar. Ich hoffe meine Leser nicht mit technischen Begriffen und einigen Arbeitsmethoden zu langweilen. Diese sind meines Erachtens notwendig, um den Beruf eines Bergmannes zu verstehen. Eine Worterklärung erfolgt am Ende dieses Geschichtsteils.

 

Ich kann es nicht verschweigen, dass ich ein stolzer Bergmann war. Obwohl ich als kaufmännischer Lehrling nichts außer Radfahren gelernt hatte, haben mir die verschiedenen Arbeitsgänge im Goslarer Rammelsberg viele Kenntnisse für mein späteres Leben mitgegeben. Was ein Bergmann alles wissen und können muss, ist vielen Menschen kaum bekannt. Hacke und Schaufel wohl, und die haben auch im Bergwerk ihren Platz für primitive Arbeiten, die zu meiner Zeit kurz nach dem Kriege ohne Lademaschinen, noch hauptsächlich einige der Hauptwerkzeuge darstellten. Allerdings konnte man mit Hacke und Schaufel nicht alles bewältigen, so möchte ich bei den primitiven Werkzeugen noch Kratze und Trog erwähnen, von denen sich der Laie schwerlich ein Bild machen kann. Die Kratze ist ein halbmondförmiges Metallstück, dass hackenmäßig an einem etwa meterlangen Holzstiel befestigt ist. Der Trog ist eine mollenähnliche Schale aus Metall. Beim Schachtabteufen standen wir nach dem Schießen, dem bergmännischen Sprengen, auf losem Schiefer. Mit der Kratze wurde der Schiefer auf den Trog gezogen, der dann in einen großen Kübel entleert wurde.

 

Der Bergmann erlernt in kurzer Zeit alltägliche Nebenarbeiten, die für den Erzabbau, oder die anderen bergmännischen Arbeiten, der Aus - und Vorrichtung, unerlässlich sind. Nachdem ich einige Monate im Abbau tätig war, kam ich zur Aus -und Vorrichtung, die das Auffahren von Strecken, sowie das Schachtteufen und Aufbrüche beinhaltet. Die obengenannten Nebenarbeiten umfassen das Legen von Schienenwegen, das Legen von Rohrleitungen, das Bauen von Holzgerüsten aus Sicherheitsgründen im Abbau und viele Kleinarbeiten, wozu auch das Mauern zählt.Im Abbau und in der Aus -und Vorrichtung kommt dann noch die Arbeit mit dem Pressluftbohrer und alles was mit dem Schießen zusammenhängt, hinzu. Auch das Bedienen von modernen Lademaschinen musste ich erlernen.

 

Als ich einen Tag nach Ostern im Nachkriegsjahr 1946 meine erste Schicht im Rammelsberg antrat, war ich ein junger Mensch mit wenig Ambitionen. Es hieß zu überleben, und in den Hungerjahren waren die Bergschwerstarbeiter Rationskarten Anlass und Anreiz in der Tiefe zu arbeiten, obwohl das Geld vor der Währungsreform nur einen sehr geringen Wert hatte. Lediglich ausgerüstet mit Halbschuhen, Straßenbekleidung und einer Wehrmachtsmütze auf dem Kopf fuhr ich erstmalig in einem Schacht hinunter mit einer Karbidlampe in einer, und meinem Verpflegungsbeutel in der anderen Hand. Als der Förderkorb hielt waren die Ohren beschlagen wie taub,was sich allerdings nach einer Weile legte. Auf einer Zwischensohle zwischen der siebten und achten stiegen mein Reviersteiger und ich aus. Ich war dazu ausersehen mutterseelenallein auf einer Sohle im Bergwerk zu arbeiten. Was mir der Steiger erklärte und was ich zu tun hatte erzähle ich im zweiten Teil dieser Serie.

Karl-Heinz Fricke  10.9.2010 


Worterklärung:

 Sohle - Bodenfläche im Rammelsberg 40 Meter senkrecht von der oberen oder unteren auseinander.

Strecke - waagerechte Gänge auf einer Sohle

 Aufbruch - Ein von unten nach oben aufgefahrener Schacht

 auffahren - erschließen, aussprengen

 einfahren - Arbeitsantritt

 Schießen - Sprengen

 Abbau - Vor Ort Erz abbauen

 versetzen - abgebaute Hohlräume mit Versatz versehen.

 Türstock - Holzbau zur Sicherung für Höhen -oder Seitdruck.

 Stempel - senkrechter Baumstamm

 Kappe - waagerechter Baumstamm, der oben auf zwei Stempeln liegt

 Bau - zwei Stempel und eine Kappe plus Streben und Abdeckung mit Pfählen

 Erzrolle - Aufbruch für die Aufnahme von Erzen, die dann in Loren rollen sollen

 Stoß - Abbauort, geleitet v on einem Schießhauer

 Schießhauer - geprüfter Bergmann, der mit Sprengstoffen arbeitet

 Gedinge - Arbeitskontrakt - Akkord 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Karl-Heinz Fricke).
Der Beitrag wurde von Karl-Heinz Fricke auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Karl-Heinz Fricke

  Karl-Heinz Fricke als Lieblingsautor markieren

Buch von Karl-Heinz Fricke:

cover

Isidor was machst du da? von Karl-Heinz Fricke



Eine poetische Reise durch den Humor.
Ein Mutterwitz, der beabsichtigt nicht nur ein Lächeln auf das Gesicht des Lesers zu zaubern, sondern der die Bauch- und Gesichtsmuskeln nicht verkümmern lässt.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (17)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Autobiografisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Karl-Heinz Fricke

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Meine Bergmannsjahre (zehnter Teil) von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)
Ein verblüffender Zufall von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)
Der kleine Bär von Helmut Wendelken (Tiergeschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen